«Extrem ärgerlich»

  26.04.2022 Sport

Fussball, 1. Liga classic: Grasshoppers II – FC Wohlen 1:1 (0:0)

Ein Sonntagsschuss in der 95. Minute bringt den FC Wohlen um den Sieg. Die lange Nachspielzeit sorgte für Unmut. Die Leistung der Freiämter war vor allem im zweiten Durchgang äusserst stark.

Stefan Sprenger

95. Minute. Ein FCW-Anhänger schreit über den GC-Campus in Niederhasli: «Jetzt pfeif endlich ab. Worauf wartest du noch?» Der Schiedsrichter blickt auf die Uhr und lässt weiterspielen. Nur Sekunden später kommt der Ball zum Portugiesen mit dem klingenden Namen Vasco Mendes Paciência. Der 22-Jährige, der bei Porto und Benfica Lissabon ausgebildet wurde, zieht mit perfekter Schusshaltung einfach mal ab. Der Sonntagsschuss landet im Winkel – unhaltbar für FCW-Goalie Loïc Jacot. Die Zürcher jubeln ausgelassen, als hätten sie gewonnen. Die Wohler sind konsterniert, als hätten sie verloren. «Ein einziger Schuss in der zweiten Halbzeit und der ist drin. Das ist unglücklich», meint ein fassungsloser FCW-Verteidiger Antoliy Kozlenko.

Ein wenig später wird die Enttäuschung weichen und dem Stolz Platz machen. Denn die Wohler zeigen in diesem Spitzenkampf gegen eine technisch, läuferisch und taktisch hervorragende Truppe aus Jungprofis eine sackstarke Vorstellung. Dies besonders im zweiten Durchgang. FCW-Captain Alban Pnishi, der einst bei den Grasshoppers spielte und an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrte, sagt nach dem Spiel: «Wir haben in der zweiten Halbzeit kaum etwas zugelassen. Dann macht GC mit so einem Sonntagsschuss den Ausgleich in letzter Sekunde. Das ist extrem ärgerlich.» Die Wohler sind enorm aggressiv, wirken top motiviert, setzen die jungen Hoppers früh unter Druck. «Wir spielten den Fussball, der uns auszeichnet», meint Pnishi.

Wer sonst? Lugo trifft

Im zweiten Durchgang spielt der FC Wohlen so stark wie selten in dieser Saison. Und natürlich ist es Topskorer Luiyi Lugo, der trifft. Nach einem Freistoss lässt GC-Torwart Kahamba Ntumba die Kugel nach vorne abprallen. Lugo staubt ab (49.). Danach verpassen Valdimiro Cuinjinca und der wirblige Davide Giampà das 2:0. In diesem Spiel war aber nicht die Offensive der Schlüssel zum (Beinahe-) Erfolg, sondern die Abwehrarbeit. Die ganze Wohler Mannschaft verteidigt solidarisch. Vom Stürmer bis zum Goalie: Alle helfen mit. Und: Man bejubelt gelungene Abwehraktionen wie ein Tor. So beispielsweise eine Szene kurz vor Schluss, als Yannick Waser einem GC-Stürmer den Ball spektakulär weggrätscht.

GC II ist im ersten Durchgang besser

Auch wenn der Ausgleich für die Grasshoppers glücklich und in letzter Minute fällt, so ist er nicht ganz unverdient. Denn in der ersten Halbzeit sind klar die Zürcher die dominierende Mannschaft. «Wir kamen nicht gut ins Spiel, hatten keine Ruhe am Ball und spielten kaum vorwärts», so Captain Pnishi. Gleich drei Mal zeichnet sich FCW-Goalie Jacot Guillarmod aus und verhindert ein Gegentor. «Wir hatten Glück, dass es mit 0:0 in die Pause ging», so Pnishi weiter. Die zweite Halbzeit ist dann eine Sahne-Vorstellung der Wohler, die clever und kämpferisch agieren. Die Grasshoppers versuchen viel, doch scheitern immer wieder an der Wohler Abwehr. Ein Sonntagsschuss eines Jungprofis der Zürcher bringt ihnen dann wenigstens einen Punkt. Pnishi ist nach dem Spiel sichtlich angesäuert. «Ich verliere nicht gerne», meint er dazu und vergisst dabei, dass die Partie unentschieden endete. «Wir hätten uns gerne gegenüber GC II und Delémont etwas abgesetzt», so der Bremgarter weiter. «Nun ist es eben eng beieinander. Aber wenn wir so spielen wie in der zweiten Halbzeit, dann werden wir die restlichen fünf Spiele bis zum Saisonende positiv gestalten. Es liegt an uns.» Am nächsten Samstag (16 Uhr) empfangen die Wohler den FC Kosova auf den Niedermatten.


NACHGEFRAGT

«Ich habe keine Uhr»

Drei Spiele innert zehn Tagen. Nach dem 2:1-Sieg in Bassecourt folgt ein 1:1 gegen Köniz und nun ebenfalls ein 1:1 im Spitzenspiel gegen GC II. FCW-Trainer Ryszard Komornicki ist zufrieden – und versucht sich nicht über Schiedsrichter zu nerven.

Ihr Team spielt gegen die Grasshoppers eine sackstarke zweite Halbzeit und kassiert tief in der 95. Minute den Ausgleich. Können Sie die lange Nachspielzeit nachvollziehen?

Ryszard Komornicki: Ich wusste nicht, welche Minute es war. Ich habe keine Uhr (lacht). Ich habe die lange Nachspielzeit aber auch nicht ganz verstanden. Aber es bringt mir nichts, mich jetzt darüber zu nerven.

Es bringt Ihr Team um den Sieg, der doch verdient gewesen wäre?

Die Grasshoppers sind spielerisch und taktisch die beste Mannschaft in unserer Gruppe. Und wir waren nach dem Spiel gegen Köniz, wo wir in Unterzahl in letzter Minute noch den Ausgleich schaffen, wohl gegen Ende dieses sehr intensiven Spiels nicht mehr ganz frisch. Im Grossen und Ganzen bin ich zufrieden mit diesem 1:1, auch wenn der Sieg natürlich schöner gewesen wäre.

In den Spielen gegen GC II und Köniz kassiert der FC Wohlen elf Mal eine Gelbe Karte. Etwas viel – oder nicht?

Absolut. Das nervt mich viel mehr als ein Gegentor in der 95. Minute. Da müssen wir in Zukunft unbedingt cleverer sein.

2:1 gegen Bassecourt. 1:1 gegen Köniz und GC II. Ihr Fazit der letzten drei Spiele?

Es war kein einfaches Programm. Die Leistung passte in allen drei Spielen, das Resultat nicht immer. Wir hätten sicherlich zwei Punkte mehr holen sollen. Aber ja, wir sind weder Maschinen noch eine Übermannschaft.

Nun folgt das Heimspiel gegen Kosova (Samstag, 16 Uhr).

Kosova ist ein unberechenbarer Gegner. Wenn man sie spielen lässt, wird es ganz schwierig. Aber: Wir sind Tabellenführer und haben alles in den eigenen Füssen. Es bleiben fünf Spiele bis zum Ende der regulären Meisterschaft. Auch wenn wir einige angeschlagene Spieler haben, so bin ich optimistisch. --spr


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