Explodierende Emotionen

  22.04.2022 Sport

Fussball, 1. Liga classic: FC Wohlen – FC Köniz 1:1 (0:0) – Am Samstag (16 Uhr) Spitzenspiel gegen die Grasshoppers II

Ein Platzverweis, ein verschossener Penalty und viele hitzige Szenen. Die Emotionen brausen in der zweiten Halbzeit auf – und der Schiedsrichter verliert die Kontrolle. Dank Gianluca Calbucci erkämpft sich der FCW einen Punkt, der sich wie ein Sieg anfühlt.

Stefan Sprenger

Drei Hauptdarsteller, drei unterschiedliche Emotionen. Da wäre zum einen Luigi Milicaj. In der 52. Minute sieht er Gelb, in der 59. Minute Gelb-Rot. Der 28-jährige Feuerkopf geht zwei Mal ungestüm in den Zweikampf und wird vom Platz gestellt. Der Schiedsrichter lässt aber auch Feingefühl vermissen. «Das ist doch einfach Mist, es nervt mich brutal», sagt Milicaj zu seinem Platzverweis und zur Schiri-Entscheidung.

Zu diesem Zeitpunkt liegt der FC Wohlen mit 0:1 in Rücklage. Joel Filipe Machado trifft nach 53 Minuten für den FC Köniz. Die Führung für die Berner kommt – mehr oder weniger – aus dem Nichts. Denn die Partie ist ausgeglichen, mit leichten Vorteilen für Wohlen. Torchancen sind Mangelware, die beste Gelegenheit vergibt Nicolas Künzli (7. Minute).

Nun muss Wohlen mit einem Mann weniger einen Rückstand aufholen. Und wie selbstbewusst die Mannschaft in den letzten 20 Minuten auftritt, ist beeindruckend. Köniz wird in die eigene Platzhälfte gedrängt, Wohlen drückt vehement auf den Ausgleich und kämpft unerbittlich um den einen Punkt.

Die Bemühungen werden in der 86. Minute belohnt. Ein Freistoss von Davide Giampà landet in der Berner Mauer – vermutlich an der Hand eines Spielers.

«Klar, dass ich keine Freudensprünge mache»

Der Schiedsrichter zeigt auf den Elfmeterpunkt. Die Entscheidung ist genauso fragwürdig wie der vorangegangene Freistoss-Pfiff. Immerhin hatte der Unparteiische eine klare Linie: Denn er fällte auf beiden Seiten einige Fehlentscheide und war mitverantwortlich für den enorm hitzigen Spielverlauf im zweiten Durchgang. Eine Szene soll dabei erwähnt sein: In der 84. Minute wird der wirblige Noel Romano an der Strafraumgrenze gefoult. Der Ball kullert danach in den Sechzehner zu Davide Giampà. Der Schiedsrichter lässt Vorteil laufen – und Giampà wird im Strafraum umgemäht. Eigentlich ein klarer Elfmeter. Doch der Unparteiische gibt Freistoss.

Lugo verhaut doppelt

Wenige Minuten später gibt es doch den erwähnten Elfmeter nach Hands. 86. Minute: Topskorer Luiyi Lugo tritt zum Penalty an. Sein Schuss halbherzig, rechts unten. Köniz-Goalie Remo Kilchhofer pariert. Der Abpraller landet vor den Füssen von Lugo, der kläglich scheitert. Da wären wir beim Hauptdarsteller Nummer 2: Luiyi Lugo. Nach dem Spiel ist er bitter enttäuscht. «Wenn ich einen Elfmeter so verhaue, ist es klar, dass ich keine Freudensprünge mache», sagt der Stürmer. Und auch wenn er nicht lächelt, so mischt sich in die Enttäuschung eine Prise Freude. «Wir hätten von Anfang an mehr tun sollen. Aber immerhin: Wir sind nach dem Platzverweis und dem Gegentor mental stark geblieben und konnten die Pleite abwenden.» Das bringt den Hauptdarsteller Nummer 3 ins Spiel: Gianluca Calbucci. Der 25-Jährige kann nach dem Schlusspfiff nicht mehr aufhören zu grinsen. Calbucci war es, der nach einem Eckball in der 89. Minute volles Risiko nimmt und volley den Ball ins Netz zimmert. «Jeder Punkt zählt», sagt Calbucci lachend. Zum Verlauf der Partie meint er: «In der ersten Halbzeit war alles ruhig. Dann lief alles aus dem Ruder. Der Schiedsrichter hatte nicht mehr alles im Griff, deshalb stieg die Aggressivität auf beiden Seiten. Am Ende sind wir überglücklich, dass wir mit einem Mann weniger noch den Ausgleich schaffen.» Wie sich die Wohler trotz Platzverweis und Rückstand diesen Punkt ergattern, war sackstark. Dieses 1:1 fühlte sich deshalb ein wenig wie ein Sieg an.


«Eine Unverschämtheit»

FC-Wohlen-Trainer Ryszard Komornicki ist nach dem Spiel stinksauer

FC-Wohlen-Trainer Ryszard Komornicki sitzt nach dem Schlusspfiff lange in seiner Trainergarderobe. Im Anschluss ist er stinksauer und meint: «Es ist wohl besser, wenn ich jetzt nichts sage.» Später – als er sich etwas abgekühlt hat – gibt er Auskunft. Er ist noch immer wütend. «Eine Unverschämtheit. Köniz hat richtig dreckig gespielt. Sie kamen hierher, nur um uns zu provozieren und zu foulen. Unsere Offensivspieler müssen in fast jedem Spiel Angst um ihre Gesundheit haben.» Die Köniz-Verteidigung sei viel zu hart in die Zweikämpfe gestiegen und die lasche Linie des Unparteiischen trug dann dazu bei, dass die Partie aus dem Ruder lief. «Die Trainerbank von Köniz hat auch immer Stimmung gemacht. Ich kann das langsam nicht mehr akzeptieren und kann die Reaktionen meiner Spieler verstehen, wenn sie sich nach den vielen Fouls aufregen. Sie wollten uns körperlich fertigmachen und nicht spielerisch schlagen. Und der Schiri liess sie grösstenteils gewähren.»

Besonders pikant ist eine Szene aus der ersten Halbzeit: Kurz vor dem Seitenwechsel wird FCW-Verteidiger Nicolas Künzli vom Gegner im Luftduell «aufgebockt». Künzli fliegt zu Boden, muss mit einer Schulterverletzung ausgewechselt werden. «Das gibt nicht mal eine Verwarnung. Das ist doch nicht normal», wettert «Koko». «Es geht um die Gesundheit der Spieler. Fairplay geht anders. So macht es keinen Spass mehr. Wir spielen hier Fussball. Es geht um Punkte und Siege und nicht um Leben oder Tod. Köniz wollte uns mit dieser Gangart einfach aus dem Konzept bringen.» Und diese Taktik geht am Ende beinahe auf.

Köniz-Sportchef: «Selber schuld»

Christian Roth, Sportchef des FC Köniz, sieht das Ganze nicht so eng. «Ich glaube, beide Teams sind nicht gerade sanft in die Zweikämpfe gegangen. Und der Schiedsrichter liess auf beiden Seiten viel laufen. Nach dem Platzverweis für Wohlen hat er diesen dann kompensiert mit einigen Entscheiden für Wohlen. Wir wussten, dass der FC Wohlen nervös wird, wenn es nicht läuft.» Zum Platzverweis von Luigi Milicaj meint Roth: «Selber schuld, wenn man so in die Zweikämpfe steigt.» Er sei zufrieden mit dem Punktgewinn, trotz 1:0-Führung und Überzahl sei der FC Köniz «am Ende eingebrochen». Insofern eine gerechte Punkteteilung in einem wahrlich ereignisreichen und spannenden Spiel. FCW-Trainer Komornicki hat dann nebst seiner Wut auch lobende Worte übrig: «Kompliment an das Team. Wir haben starke Moral bewiesen. Wir hätten mit ein bisschen mehr Glück auch gewinnen können.»

Jetzt Spitzenspiel gegen GC II – ohne Milicaj und Künzli

Am Samstag (16 Uhr) folgt das Spitzenspiel der 1. Liga gegen die Grasshoppers II. Erster gegen Zweiter. Die jungen Zürcher werden ein ganz anderes Kaliber als der FC Köniz. Luigi Milicaj wird im Spitzenspiel gesperrt fehlen. Künzli wird verletzungsbedingt nicht dabei sein (Diagnose ausstehend). Komornicki erwartet keinen destruktiven Gegner: «GC hat genug Qualität, um Fussball zu spielen. Diese Partie wird sportlich entschieden.» Gianluca Calbucci, Schütze zum 1:1, meint selbstbewusst: «Wir sind eine Einheit, wir freuen uns auf diesen Spitzenkampf. Wir haben keine Angst vor den Grasshoppers, auch wenn sie Spieler der ersten Mannschaft aufbieten werden.» --spr


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