Ernten ohne eigenen Garten

  05.04.2022 Region Oberfreiamt

In Wallenschwil kann man neu einen Garten mieten – und muss nicht jäten, sondern einfach ernten

Ein 2500 Quadratmeter grosser Garten. Mit schmalen Beeten und ganz vielen verschiedenen Gemüsearten, Kräutern und essbaren Blumen. Diesen bepflanzen Markus Wolfisberg und Astrid Elsässer. «Sälberernte» ist ein Konzept, das es in der Schweiz noch kaum gibt.

Annemarie Keusch

Den einen fehlt vielleicht die Zeit. Anderen fehlt das Wissen. Und noch andere haben schlichtweg den Platz nicht, um sich einen Garten anlegen zu können. Ihnen allen bieten Markus Wolfisberg und Astrid Elsässer eine Alternative: ihren Garten und ihr Projekt «Sälberernte». «Wir pflanzen ganz unterschiedliche Gemüsesorten an und die Kundinnen und Kunden können eine Fläche mieten», erklärt Astrid Elsässer. Das Pflegen, das Jäten, das Wässern – alles übernehmen Wolfisberg und Elsässer. Die Kunden brauchen nur eines: zu ernten.

Zwei Jahre geprobt

Es ist ein Projekt, das es in der Schweiz noch kaum gibt. Und eines, das funktionieren kann. Davon sind Wolfisberg und Elsässer überzeugt. «Wir bieten den Leuten die Möglichkeit, näher an die Natur zu kommen, zu wissen, woher ihr Gemüse kommt, auch mal dreckige Hände zu bekommen, und wir bieten ihnen das Erlebnis des Erntens», führt Markus Wolfisberg aus. Entstanden ist das Projekt im Weiler Wallenschwil. Dort, wo Wolfisbergs Vater einst eine Baumschule führte, haben die beiden während zwei Jahren geprobt, entwickelt, gelernt. Sie sammelten Erfahrungen rund um die Mischkulturen, die sie im 2500 Quadratmeter grossen Garten anpflanzen. Dabei brachten die beiden schon grosses Wissen mit. Wolfisberg ist ursprünglich Baumschulist, Elsässer Gemüsegärtnerin.

Direkt am Waldrand, wegen den Rehen mit einem Hag umrandet, liegt der Garten im zu Beinwil gehörenden Weiler Wallenschwil. «Zentral im Freiamt, direkt an der Hauptdurchgangsstrasse, nur wenige Minuten vom Bahnhof Benzenschwil.» Astrid Elsässer und Markus Wolfisberg hoffen auf Kundinnen und Kunden aus dem ganzen Freiamt. «In unserem Garten können die Leute abschalten und geniessen.» Und eben: ernten.


Nur die schöne Seite des Gärtnerns

Wallenschwil: Astrid Elsässer und Markus Wolfisberg lancieren das Projekt «Sälberernte»

Sie säen, pflanzen, pflegen und jäten. Die Kundinnen und Kunden ernten und geniessen. Das ist das Konzept von «Sälberernte». Dahinter stehen Astrid Elsässer und Markus Wolfisberg. Bis zu 50 Felder wollen sie auf diese Weise vermieten. Die Kundschaft bekommt auf ihrem Feld 35 verschiedene Gemüsesorten.

Annemarie Keusch

Die Salatsetzlinge sind eingepflanzt. An diesem Morgen macht Astrid Elsässer das Gleiche mit den Kohlrabi. «Blaue und weisse», sagt sie. Diversität ist ihr wichtig. 35 verschiedene Gemüsesorten, Kräuter und essbare Blumen pflanzen sie und ihr Partner Markus Wolf isberg auf dem 2500 Quadratmeter grossen Feld an. Aufgeteilt ist es in schmale Beete, dazwischen zeigen begrünte Wege, wo ohne schlechtes Gewissen hingestanden werden kann. Die beiden stehen am Rand des Feldes und gestikulieren. «Ein solches Feld können unsere Kundinnen und Kunden mieten, quer über mehrere Beete hinweg», erklärt Markus Wolfisberg.

Seit 2018 arbeiten die beiden an diesem Projekt. Entstanden ist es in Wallenschwil, dort, wo Wolfisbergs Vater vorher eine Baumschule führte. Auch Wolfisberg ist gelernter Baumschulist. «Eine Branche, die leider kaum mehr Zukunft hat», sagt er. Seit 20 Jahren arbeitet er aber im Werbebereich. Und auch seine Partnerin Astrid Elsässer ist vielseitig. Nach einer Lehre als Gemüsegärtnerin und einem Gartenbaustudium war sie viele Jahre im Managementbereich tätig. «Jetzt geht es zurück zu den Wurzeln», sagt sie und zieht die Gartenhandschuhe an.

Zu hügelig für Gemüseanbau im grossen Stil

Gemeinsam entschieden sie sich vor vier Jahren, den Betrieb in Wallenschwil zu übernehmen. «Wir suchten eine Alternative zur Baumschule. Eine Alternative, die uns Spass macht und uns erfüllt.» Dass es in die Richtung von Gemüseanbau geht, war schnell klar. «Das Land ist aber zu hügelig, sodass dies nicht im grossen Stil möglich ist.» Also suchten sie weiter und fanden zum Konzept des Selbererntens. «Wir wollen damit die Leute wieder näher zur Natur bringen», sagt Markus Wolfisberg. Sie sollen dreckige Hände bekommen, einen direkten Bezug zu den Lebensmitteln.

Das Konzept ist ganz einfach. Wolfisberg und Elsässer säen und pflanzen. «Mischkulturen, Rüebli mit Zwiebeln, Fenchel mit Kohlrabi, Salat mit Radieschen», nennt Astrid Elsässer Beispiele. Sie pflegen die Beete, jäten, wässern. Und sie informieren ihre Kundinnen und Kunden, wenn Gemüse auf ihren Feldern geerntet werden kann. «Zudem geben wir ihnen auch gleich Tipps, wie sie das eine oder andere Gemüse verarbeiten können», führt Markus Wolfisberg an. Die Kundinnen und Kunden mieten für sechs Monate ein Feld und können alles ernten, was darauf wächst. «Ein Konzept, das es in Österreich und Deutschland schon gibt, in der Schweiz gehören wir zu den Ersten», sagen die beiden, die in Merenschwand leben.

Weitere Ideen im Hinterkopf

Zwei Jahre lang haben sie getestet. Nun können sie voller Überzeugung sagen: «Es funktioniert.» Astrid Elsässer bringt das nötige Wissen mit, weiss, welche Kulturen miteinander harmonieren, einander schützen. Denn den beiden ist nicht nur der Ertrag wichtig. «Wir wollen den Boden nicht ausbeuten», sagen sie. Boden sei kostbar, immer mehr. «Wir wollen diesen sinnvoll und effizient nutzen, aber nicht übernutzen.» Sie wissen mittlerweile, welche Fruchtfolge sich bewährt, sind aber weiterhin daran, Neues auszuprobieren und haben weitere Ziele. Etwa wollen sie längerfristig Setzlinge selber ziehen. Oder auf weiterer Fläche ist Astrid Elsässer daran, die Wintergärtnerei nach alten Möglichkeiten und ohne Heizung zu lancieren.

Vorerst aber konzentrieren sie sich auf «Sälberernte». Ende April solls losgehen, bis Mitte Monat können sich Interessenten anmelden. «Wir sind überzeugt, dass wir alle Felder vermieten können», sagt Markus Wolfisberg selbstbewusst. Leuten, die gerne gärtnern, aber keinen Garten haben. Familien, die ihren Kindern das Erlebnis des Erntens bieten wollen. Leuten, die wieder näher zur Natur rücken wollen. «In Wallenschwil sind wir zentral im Bezirk Muri und hoffen auf Kundschaft von Muri bis Sins», fügt Astrid Elsässer an.

Andere Beziehung zum Gemüse

Die beiden Merenschwander erhoffen sich viel vom Projekt. Elsässer arbeitet seit Herbst Vollzeit im Betrieb. Und sie tut dies gerne. «Natürlich, es ist körperlich anstrengender. Aber es ist eine schöne Müdigkeit, eine tiefe Zufriedenheit am Abend nach getaner Arbeit.» Das gleiche Gefühl wollen sie bei ihren Kundinnen und Kunden auslösen. «Sie werden das Gemüse anders geniessen, wenn sie es selber geerntet haben, als wenn sie es einfach gekauft hätten», ist Markus Wolfisberg überzeugt. Und er betont, dass das Gemüse bei «Sälberernte» nicht teurer sei als im Laden. «Das haben wir ausgerechnet.»

Solidarische Landwirtschaft. Unter diesen Titel fällt das Projekt der Freiämter. «In einem guten Jahr profitieren alle. In einem schlechten Jahr tragen alle die Ernteausfälle gemeinsam», erklärt Markus Wolfisberg. Von Ende April bis Ende November – je nach Wetter – sollen die Kundinnen und Kunden ernten können. Zuerst müssen sie sich nun aber anmelden. Bis am 14. April können Interessierte dies tun. Am Wochenende des 23. und 24. April wird «Sälberernte» offiziell eröffnet. Bis dann werden die meisten der 35 Gemüse schon gesät oder gesetzt sein. «Und hoffentlich schon wachsen», sagen Markus Wolfisberg und Astrid Elsässer und lachen. Sodass das Gemüse bald bereit ist für den «Wohlfühlgemüsegarten», in dem die Kunden nur das Schöne machen können – ernten.

Mehr Infos: www.sälberernte.ch.


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