Zwei neue Ehrenbürger

  15.03.2022 Muri

Der Singisensaal ist feierlich eröffnet – der Dank gilt vor allem zwei Murianern

Urs Pilgrim steht am Anfang der Neugestaltung des Singisenflügels. Josef Gut ermöglichte den Abschluss, den Bau des neuen Singisensaals. Beide werden an der Sommer- «Gmeind» als Murianer Ehrenbürger vorgeschlagen.

Annemarie Keusch

Es ist der Applaus an diesem Nachmittag. Der Applaus, der am längsten anhält. Und er ist an Urs Pilgrim und an Josef Gut gerichtet. «Die beiden sind ganz unterschiedlich und doch verbindet sie so vieles», formulierte es Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger. «Die beiden haben nicht nur Murikultur und alles, was dazu gehört, sondern sie haben auch das gesellschaftliche Leben in Muri wesentlich beeinflusst und, ich bin heute mehr denn je überzeugt, mehr beeinflusst, als ihnen bewusst ist.» Beide seien intelligent, sehr bescheiden und äusserst angenehme und sympathische Persönlichkeiten. Es freut den Gemeindepräsidenten, anlässlich der offiziellen Eröffnung des Singisensaals zu verkünden, dass der Gemeinderat beschlossen habe, an der nächsten «Gmeind» Urs Pilgrim und Josef Gut als Ehrenbürger vorzuschlagen. «Und es freut mich, dass die beiden signalisiert haben, dieses längst verdiente Ehrenbürgerrecht anzunehmen.»

Dank auch an Franz Käppeli

Auch bei den anderen Rednern stand der Dank im Zentrum. «Urs Pilgrim ist der geistige Vater der Idee, aus dem Singisenflügel ein Haus der Kultur zu machen», betonte Murikultur-Stiftungsratspräsident Robert Häfner. «Er hat mit seiner Begeisterungsfähigkeit und seinem Enthusiasmus erfolgreich Personen und Institutionen von seiner Vision überzeugt.» Josef Gut und seine Stiftung für klassische Musik Muri seien die entscheidenden Förderer der Idee des Singisensaals. «Sein Optimismus, seine Begeisterung und seine ausserordentlichen finanziellen Zusicherungen haben uns ermutigt, den Schritt mit dem Bau des Singisensaals zu wagen», hielt Häfner fest.

Und auch Regierungsrat Dieter Egli schloss sich dem Dank an. Natürlich galt dieser auch Franz Käppeli, «der so viele Entwicklungen ermöglichte» und kürzlich starb.


Kultur aus der Studierstube

Der Singisensaal ist eröffnet – ein neuer kultureller Hotspot für die Region und den ganzen Kanton

Einst war es Lesesaal und Studierstube der Mönche. Auch Abteilungen der Gemeindeverwaltungen waren schon hier untergebracht. Bis vor wenigen Jahren war es das Hospiz, wo immer wieder Mönche lebten. Und nun ist im zweiten Obergeschoss des Singisenflügels ein historisch-moderner Saal entstanden. Die Nutzung soll vielseitig sein.

Annemarie Keusch

Regierungsrat Dieter Egli spricht von einem Meilenstein. Einem Meilenstein für das Kloster, für Murikultur und für den Kulturkanton Aargau. Der neue Singisensaal weiss zu gefallen. «Keine Stütze, kein Pfeiler stört unseren Blick, der ganze Saal gewinnt dadurch noch mehr an Grösse», hielt Egli fest. Wenn man bedenke, dass diese Fläche zuvor in mehrere einzelne Räume mit einem Korridor aufgeteilt war, sei die Verwandlung bemerkenswert. «Sie ist gleichzeitig aber nicht abwegig, denn der Singisensaal war auch früher schon ein grosser Raum», berichtete Egli. Lesesaal, Teil des Altersheims, Benediktinerhospiz – die Räumlichkeiten wurden schon auf verschiedenste Arten genutzt. Jetzt ist ein Raum entstanden, der vielseitig genutzt werden kann und soll. Konzerte, Lesungen, Seminare, Versammlungen – ganz vieles soll im neuen Singisensaal möglich sein.

Eine historische Saalsituation zeitgemäss interpretieren, darum sei es beim Projekt gegangen. «Das ist bei der Deckenkonstruktion gut sichtbar», hielt Egli fest. Diese Decke leistet technisch einiges, beinhaltet etwa die Lüftung, ist gleichzeitig auch die Beleuchtung. «Neues und Altes haben hier würdig zusammengefunden.» Der Singisensaal bereichere fortan zusammen mit den bereits bestehenden kulturellen Angeboten im Singisenflügel und im ganzen Klosterbezirk das öffentliche Leben der Gemeinde und der Region. «Muri wird damit als kultureller Hotspot noch attraktiver und wird in seiner nationalen Ausstrahlung weiter gestärkt.»

Akustische Herausforderung

Nochmals auf die Geschichte des neu eröffneten Singisensaals ging Robert Häfner, Stiftungsratspräsident von Murikultur, ein. Im Nutzungskonzept sei vorgesehen gewesen, diesen Lesesaal als multifunktionalen Raum in seiner ursprünglichen Grösse wiederherzustellen. Überhaupt erst dazu kam es, weil das Hospiz nach dem Tod von Pater Bonifaz leer stand und der Konvent die Entscheidung fällte, das Mietverhältnis zu kündigen. «Dieser Entscheid hat schliesslich den Weg frei gemacht für den Umbau», führte Häfner aus.

Dass der Saal nicht nur für Ausstellungen, Vorträge und ähnliche Zwecke tauglich gemacht wurde, sondern auch als Kammermusiksaal, sei der Stiftung für klassische Musik Muri mit Josef Gut zu verdanken. «Der Optimismus und das Feuer haben uns ermutigt, gross zu denken und das Projekt zu erweitern.» Für die planenden Architekten und Akustiker sei dies eine höchst anspruchsvolle Arbeit gewesen. «Es braucht Wände, die Widerhall ermöglichen, aber eben nicht zu viel», nennt Häfner ein Beispiel für die Ansprüche an die Akustik.

Doppelte Freude beim Gemeindepräsidenten

Häfner ist überzeugt, dass «unsere Gäste und Besucher im Singisensaal den Geist des Ortes spüren und erleben». In diesem Raum versammle und verdichte sich die Geschichte des Klosters. «Muri und Murikultur verstärken mit dem heutigen Tag die Präsenz als Kultur-Hochburg und sorgen neben den urbanen kulturellen Zentren für Regionalität auch bei der Kultur im Aargau – Weltklasse vor der eigenen Haustür, im Wohnzimmer gewissermassen.»

Seine Freude zum Ausdruck brachte auch Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger. Und diese Freude sei doppelt. «Murikultur hat nun die dankbare und auch herausfordernde Aufgabe, dieses Haus mit noch mehr Kultur zu füllen», meinte er. Er freue sich auch für die Gemeinde. «Die Möglichkeiten, die sich mit dieser einmaligen Infrastruktur bieten, sind fantastisch.» Muri profitiere doppelt, darum sei seine Freude doppelt. Zum einen würden sich neue Chancen für die Kultur und Murikultur eröffnen. Zum andern profitiere Muri auch wirtschaftlich. «Und damit meine ich nicht nur die Gastwirtschaft, sondern ganz viele andere Bereiche auch. Muri prosperiert sozusagen auch dank und mit Kultur.»

Andenken an Franz Käppeli

Die Gemeinde könne sich überaus glücklich schätzen, was die letzten Jahre alles entstanden sei. «Dabei hat die Gemeinde selbst eine untergeordnete Rolle gespielt, hat zwar immer Hand geboten und nicht verhindert. Aber Visionen gesponnen, Ideen kreiert, Konzepte geschrieben, Überzeugungsarbeit geleistet, Geld organisiert und Fäden gezogen haben andere – und das seit vielen Jahren.» Das gipfle in der Eröffnung dieses «grossartigen» Saals.

Allen zu danken, das versuchte keiner der Redner. Mit Urs Pilgrim und Josef Gut hoben aber alle drei zwei Persönlichkeiten ganz besonders hervor. Und auch eine dritte erwähnten alle: Franz Käppeli. Rund eineinhalb Monate ist es her, dass er überraschend verstarb. «Seine Finanzierungszusage für den Singisenflügel mit dem Schenkungsversprechen an Murikultur war es, die am Ursprung der heutigen Feier und der gesamten Entwicklung des Singisenf lügels stand», hielt Regierungsrat Dieter Egli fest.

Käppeli sei ein weitsichtiger Visionär, ein grosszügiger Mäzen gewesen. «Indem wir heute und an allen nachfolgenden Veranstaltungen die Räume im Singisenflügel mit Leben, anregenden Gesprächen und stimmungsvollen Klängen füllen, bewahren wir Franz Käppeli ein würdiges Andenken.»


Geschichte des Singisenf lügels

Acht Jahre. Gegen zwölf Millionen Franken wurden in dieser Zeit investiert. In das Gebäude, in Museen, in Archive, in den Singisensaal. Aus dem Singisenflügel ist ein Haus der Kultur geworden. 2013/14 begann die Geschichte mit dem Kauf des Singisenf lügels. Franz Käppeli erwarb diesen von der Gemeinde Muri, mit dem Versprechen, diesen spätestens 2027 – wenn das Kloster das tausendjährige Bestehen feiert – der Stiftung Murikultur zu schenken.

Seither ist einiges passiert. 2014 wurde das Museum Kloster Muri, samt Besucherzentrum und Café, realisiert. Im Oktober 2016 folgte die Eröffnung des Privatmuseums von Franz Käppeli, des Museums für medizinhistorische Bücher. «Hier wird seine einzigartige und wertvolle Sammlung an historischen medizinischen Büchern gezeigt», führt Murikultur-Stiftungsratspräsident Robert Häfner aus. Im April 2019 konnte die Stiftung das Museum Caspar Wolf im ersten Obergeschoss des Hauses eröffnen, das dem Pionier der europäischen Landschaftsmalerei gewidmet ist. «Gleichzeitig erfuhr das Singisenforum für zeitgenössische Kunst seine Wiederbelebung in neuen, grösseren Räumen», resümierte Häfner. Im Dachgeschoss ist das private Archiv der letzten Kaiserin Zita untergebracht.

Und die Eröffnung des Singisensaals bildet nun den Abschluss. In acht Jahren ist aus dem Singisenflügel auf vier Etagen ein Haus der Kultur geworden. --ake


Ein Steinway als Geschenk

Flügel als Zierde und Prunkstück des Saals

Pianist Oliver Schnyder ist die Freude anzusehen. Er ist der Erste, der auf dem Steinway-Flügel im Singisensaal vor Publikum spielt. Ganz langsam schliesst Schnyder die Augen. Er lächelt. Führt seine Finger behutsam zu den Tasten. Und mit seinem virtuosen Spiel nimmt er die Besucherinnen und Besucher der Eröffnung mit in eine ganz andere Welt. Viele tun es Schnyder gleich, lassen mit geschlossenen Augen die Musik wirken.

Schnyder war es, der diesen Flügel für den Singisensaal auswählte. Dafür reiste er nach Hamburg, in die Manufaktur von «Steinway & Sons». «Im Showroom gab es sechs grosse Flügel, sechs Kammermusikf lügel und vier mittlere», erklärte er den Besucherinnen und Besuchern. Gleich gut seien sie alle. «Aber es ist wie bei zwischenmenschlichen Kontakten. Bei den einen spürt man auf Anhieb mehr.» Um diese herauszufinden, habe er alle Kammermusikflügel – diese würden von der Grösse her am besten passen – bespielt und bewertet. «Ein Flügel schwang obenaus, eben dieser», meinte Schnyder und zeigte auf das Instrument im Singisensaal. Es sei ein ausgeglichener Flügel, einer, der singe, der leuchte, der kraftvoll könne, aber auch sanft. «Dass einen ein Instrument derart anspringt, ist etwas ganz Seltenes. Das musikalische Band in diesem Saal, wo jedes Detail stimmt, durchschneiden zu dürfen, ist eine riesige Ehre.»

«Überwältigendes Geschenk»

Als Zierde und Prunkstück bezeichnet Robert Häfner, Stiftungsratspräsident, den Steinway-Flügel. Es ist ein Geschenk von Josef Gut und seiner Stiftung für klassische Musik. «Es ist ein unglaubliches, ein wunderbares Geschenk, das uns noch immer überwältigt.» Es sei ein Geschenk auch an die vielen Musikfreunde, für das Publikum und die Künstler, die hier auftreten. Pianist Oliver Schnyder fasste es in wenigen Worten zusammen: «Ich glaube, die grösste Konzentration an Kultur-affinen Menschen gibt es in Muri.» --ake


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