Verantwortlich für die Wälder

  15.03.2022 Bremgarten

Der Aristauer Leonz Küng ist seit 25 Jahren Forstrevierleiter. Mit dem Betrieb Wagenrain bewirtschaftet er die Wälder der Gemeinden Bremgarten, Wohlen, Waltenschwil, Hägglingen und Dottikon und sorgt gleichzeitig dafür, dass der Wald eine attraktive Begegnungszone für Mensch und Tier bleibt. Im Gespräch erzählt er von seinen Erlebnissen und den Herausforderungen der Branche. --huy


«Man muss den Wald lieben»

Leonz Küng ist seit 25 Jahren Forstrevierleiter

Der Forstbetrieb Wagenrain ist eng mit einem Namen verbunden. Leonz Küng kümmert sich seit einem Vierteljahrhundert um die Wälder der Region.

Marco Huwyler

«Eigentlich war es mir immer klar. Entweder werde ich Bauer oder Förster – und weil ich keinen Bauernhof hatte, blieb mir letztlich keine grosse Wahl», lacht Leonz Küng, zufrieden Richtung Krone einer majestätischen Eiche blickend. Die Vögel pfeifen an diesem frühlingshaften Morgen. Die Sonne scheint warm zwischen den noch blattlosen Ästen der Laubbäume durch. «Nie im Leben würde ich die Arbeit hier gegen einen Bürojob tauschen.»

Seit 25 Jahren kümmert sich Küng nun schon um die Wälder der Region. Er ist in seinen Beruf reingewachsen. Bereits als junger Bursche hat er seinem Vater, der Förster in Aristau-Muri war, bei Arbeiten im Wald geholfen.

Während der Ausbildung lernte er im Rahmen eines Praktikums den damaligen Bremgarter Förster Fridolin Füglistaler kennen. Und bei diesem muss Küng einen guten Eindruck hinterlassen haben. Denn als sich Füglistaler 1997 altershalber zurückzog und gleichzeitig die Forste der Region zum Forstrevier BWW (Bremgarten, Wohlen, Waltenschwil) fusionierten, fragte man Küng an, ob er diesem künftig vorstehen wolle.

Mehr Energieholz

Küng wollte – und so war er von Anfang an als Chef dabei, als man begann, die Forstarbeiten der Region rund um Bremgarten zu zentralisieren und zu modernisieren. Vor zehn Jahren kamen noch die Gemeinden Hägglingen und Dottikon hinzu. Fortan sollte der Forstbetrieb «Wagenrain» heissen – benannt nach dem bewaldeten Hügelzug zwischen Reuss- und Bünztal.

Neun Mitarbeiter – angestellt in verschiedenen Pensen – beschäftigt der Betrieb zurzeit. Sie kümmern sich um ein 900 Hektaren umfassendes Waldgebiet. Die Aufgaben sind mannigfaltig. Planung, Zeichnung und Ausführung des Holzschlags (9000 Kubikmeter pro Jahr), Verarbeitung und Verkauf des Holzes und der Strassenunterhalt des rund 100 Kilometer langen Netzes von Waldstrassen sind die zeitintensivsten davon.

Unter Küng hat sich die Art der Nutzung des Waldholzes gewandelt. Bis zu zwei Drittel werden als Energieholz verkauft. Noch rund ein Drittel als Stammholz für die Weiterverarbeitung zu Holzprodukten. Früher war es umgekehrt. «So sind wir weniger anfällig für die Schwankungen des Marktes und die Launen der Natur», erzählt der Forstrevierleiter. Energieholz habe geringere Qualitätsansprüche und die Nachfrage sei weniger volatil. «Dank der Zusammenarbeit mit Grossabnehmern wie dem von der AEW betriebenen Wärmeverbund Bremgarten haben wir eine gewisse Planungssicherheit», sagt Küng. «Das ist in der heutigen Zeit immer wichtiger.»

Klimaveränderung als Herausforderung

Die Branche sieht sich seit einigen Jahren mit Herausforderungen konfrontiert, die man früher in diesem Ausmass nicht kannte. «Wir spüren die extremen Klimaveränderungen der letzten Jahre», berichtet Küng. «Die Anzahl der Stürme und damit die Menge von unregelmässig anfallendem Fallholz etwa hat massiv zugenommen.» Zudem seien die Winter viel milder. «Dies hat zur Folge, dass die Böden nicht mehr gefroren sind – was sich wiederum auf unsere Arbeit auswirkt.» Früher habe man von November bis März mehr oder weniger durchgehend mit schwerem Gerät auf den Waldstrassen fahren können, ohne diese zu beschädigen. «Das geht aber nicht, wenn der Untergrund aufgeweicht ist. Wir müssen daher die kurzen Zeitspannen von Frost heute viel gezielter ausnutzen.»

Trockene Hitzesommer begünstigen zudem das Auftauchen des Borkenkäfers – ein weiteres Problem. «Alles in allem müssen wir uns einfach der Natur und den neuen Gegebenheiten anpassen. Beispielsweise, indem wir gegen diese Phänomene resistente Bäume anpflanzen. Eichen zum Beispiel sind beständig.»

Während der Faktor Mensch durch den von ihm verursachten Klimawandel, die Arbeit eines Forstbetriebes indirekt beeinf lusst, macht er sich im Alltag der Förster auch direkt bemerkbar. «In den letzten Jahren erleben wir einen regelrechten Volksauflauf in den Wäldern. Schon vor Corona hat die Frequenz zugenommen – aber seither noch viel extremer.»

Küng schätzt dies einerseits. «Es ist schön, wenn die Menschen hier Zeit verbringen und Zerstreuung und Entspannung finden.» Andererseits bringt die Präsenz des Menschen auch unliebsame Nebenerscheinungen mit sich. «Viele Leute halten sich nicht an Absperrungen. Oder beschweren sich gar über den Lärm, den wir verursachen. Manche haben kein Verständnis für die Arbeit, die wir betreiben.» Gleichzeitig würden dieselben Menschen dann wie selbstverständlich die geräumten Waldwege und -strassen benützen. Oder in einem Holzhaus wohnen. Energie vom Wärmeverbund beziehen. Oder den Abend gemütlich vor einem Cheminée verbringen. «Die Überlegung, dass dieses Holz von irgendwo her stammen muss, machen viele nicht. Und natürlich ist es 100-mal ökologischer und ethisch vertretbarer, wenn es vom Wald vor der Haustür kommt und nicht von den Regenwäldern Brasiliens.»

Immer mehr Littering

Zugenommen hat auch das Phänomen des Litterings. «Die Menge des Abfalls, den ich im Wald antreffe, wird immer grösser», berichtet Küng. «Das macht mich betroffen. Ich habe null Verständnis für Menschen, die meinen, ihren Unrat einfach liegen lassen oder gar gezielt in der Natur entsorgen zu können.» Beispielsweise merke er immer, wenn ortsübliche Zügeltermine anstehen. «Dann werden teilweise grössere Mengen von nicht mehr benötigtem Sperrgut irgendwo im Wald abgeladen. Darüber kann ich nur den Kopf schütteln.»

Nichtsdestotrotz gibt es im Alltag Küngs auch viele schöne Begegnungen. «Zum Beispiel hat sich kürzlich eine ältere Frau für unsere Arbeit bedankt, als wir ein neues Bänkli aufstellten. Solche Momente sind Aufsteller.»

Speziell auch im Weihnachtsgeschäft erlebt der 58-Jährige immer wieder dankbare Menschen und Kunden. Der Forstbetrieb Wagenrain setzt jedes Jahr 25 000 neue Tannenbäumchen, die nach ein paar Jahren des Wachstums in der Region und weit darüber hinaus als Christbäume verkauft werden. «Das ist ein bisschen mein Steckenpferd», erzählt Küng lächelnd. «Damit wurde unter meiner Regie hier in der Region begonnen. Ich stecke viel Zeit und Leidenschaft in die Christbaumbewirtschaftung.» Das Setzen, Pf legen, Schneiden und Experimentieren mit den Tannenbäumen gehört zu Küngs Lieblingsaufgaben. Dass daraus ein florierender Betriebszweig entstanden ist, macht den Forstrevierleiter glücklich. Überhaupt hat der Betrieb seine Finanzen seit der Gründung bestens im Griff. «In den 25 Jahren haben wir kein einziges Mal Verlust geschrieben. Trotz schwieriger Phasen und konstant sinkender Holzpreise. Darauf bin ich schon ein wenig stolz», sagt Küng lächelnd.

Ein gefährlicher Beruf

Stolz ist er auch auf den Umstand, dass es unter seiner Ägide noch nie zu einem schwerwiegenden Unfall gekommen ist. «Das ist nicht selbstverständlich. Denn unser Beruf ist zum Teil sehr gefährlich.» Auf Sorgfalt, fachgerechte Ausbildung und bestmögliche Sicherheit wird beim Forstbetrieb Wagenrain daher grosses Augenmerk gelegt. «Auch wenn natürlich immer ein gewisses Restrisiko bleibt.»

Die Gefahr unter den Widrigkeiten der Natur und mit gefährlichen Maschinen zu arbeiten gehört zu den Schattenseiten des Berufs des Försters. «Überhaupt ist es eine sehr strenge und körperlich fordernde Arbeit», sagt Küng. Das Schuften draussen bei garstigem Wetter, Kälte oder Hitze gehört als Waldarbeiter zum Alltag. Genauso wie der Kontakt mit Mücken, Wespen, Zecken, Dornen, Brennnesseln und vielem mehr.

«Am schlimmsten sind jedoch die Stürme», erzählt Küng. Die Wetterprognosen verfolgt der 58-Jährige deshalb stets genau und besorgt. «Wenn ein Sturm angesagt wird, habe ich schon Tage im Voraus schlaflose Nächte.» Die Schäden im Anschluss zu reparieren, den Wald zu durchkämmen, Wege und Bahngleise freizuräumen, ist jeweils ein riesiger Aufwand, der sich über Wochen und Monate hinzieht. «Die Arbeiten im Anschluss von ‹Lothar› beispielsweise haben uns noch drei Jahre danach beschäftigt.»

Zyklus des Lebens

Nichtsdestotrotz sind es die schönen Momente, die solcherlei bei Weitem überwiegen. «Zum Beispiel, wenn ich einen besonders schönen Baum ernten darf.» Zu wissen, dass aus solchen Prachtsexemplaren später etwa eine Geige hergestellt wird, erfüllt Küng mit Freude. Auch wenn ihm das Abholzen zuweilen durchaus schwer fällt. «Es gibt Bäume, die ich nie im Leben fällen würde», sagt er. Dazu gehört eine riesige Eiche unweit des westlichen Bremgarter Ortseingangs. «Sie ist mein Lieblingsbaum. Ich verbringe sehr gerne Zeit in ihrer Gegenwart.» Aus ihr zieht er Kraft – wie überhaupt aus der Natur und ihrer Schönheit. «Ich kann mir nichts Entspannenderes, Erholsameres vorstellen, als etwa am Cholmoos-Weiher zu sitzen», lächelt er. «Sein» Wald ist für Küng auch ein bisschen eine Heimat. «Man baut zu vielem eine Beziehung auf.» Der Förster kennt jeden Fleck seines Reviers und seine Bewohner. Er spürt die Anwesenheit von Tieren, schon bevor er sie sieht. «Und wenn ich ihnen begegne, freut mich dies jedes Mal.»

Auch der Frühling sei jedes Mal von Neuem ein Highlight. «Blüemli, die scheinbar aus dem Nichts aus dem Boden spriessen. Und Bäume, die wieder ein Blätterkleid erhalten.»

Die Liebe zur Natur ist für den Forstrevierleiter eine der Grundvoraussetzungen für seinen Job. «Man muss das gerne machen. Sonst verbläst es einen.» Nach wie vor arbeitet Küng regelmässig 50 Stunden pro Woche. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Man kann es sich nur schwer vorstellen, dass er sich dereinst zurückzieht und sich jemand anderes um den Wald der Region kümmert. «Aber so ist es in ein paar Jahren», lacht er. Mit 63 sieht der Forstrevierleiter den Zeitpunkt für die Stabübergabe gekommen. «Ich kann mir aber auch vorstellen, dass ich sukzessive kürzertrete und meinen Nachfolger einarbeite», sagt der 58-Jährige. Wer dies dereinst sein wird, steht noch nicht abschliessend fest. Doch wenn es nach Küng geht, soll der Forstbetrieb Wagenrain in den Händen der Familie bleiben. «Ich fände es sehr schön, wenn ich meine Aufgaben dereinst an meinen Sohn Nico übergeben dürfte.» Der 25-Jährige absolviert derzeit die Ausbildung zum Förster. Die Zeichen stehen also nicht schlecht, dass dieser die Familientradition weiterführt, die Wälder der Region rund um Bremgarten und Wohlen im Sinne Küngs weitergehegt werden und der Zyklus des Lebens auch hier in eine neue Runde geht.


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