Es wird gebaut in Burkina Faso

  08.02.2022 Muri

Die Gegebenheiten sind alles andere als einfach. Seit Monaten schwelen Konflikte in Burkina Faso. Die Dschihadisten drängen von Norden ins Land, mittlerweile hat das Militär nach einem Putsch die Macht übernommen. Gleichzeitig betreibt der Verein «Zukunft für Burkina Faso» in Ouahigouya das Centre St. Benoît und bald auch das Centre St. Georges. An beiden wird gebaut, auch wenn das aktuell nicht einfach ist. --ake


Allen Schwierigkeiten zum Trotz

Der Verein «Zukunft für Burkina Faso» baut gleich zwei Schulgebäude parallel

Die Unruhen in Burkina Faso sind gross. Die Dschihadisten drücken von Norden her ins Land. Ende Januar kam es zum Putsch und das Militär übernahm die Macht. Auswirkungen hat das auch auf die Bauprojekte des Vereins «Zukunft für Burkina Faso». Trotz allem verliert Präsidentin Brigitte Keusch die Zuversicht nicht.

Annemarie Keusch

Der Schulbetrieb lebt. «Ausser an einzelnen Tagen, an denen die Regierung verordnete, die Häuser nicht zu verlassen», sagt Brigitte Keusch. Sie ist Präsidentin und Initiantin des Vereins «Zukunft für Burkina Faso». Und sie steht in engem Kontakt mit Adama Guiro, der als Schulleiter vor Ort alle Fäden in der Hand hält. «Wir telefonieren oder schreiben einander täglich», sagt sie, «wenn das möglich ist.» Das war in den letzten Tagen und Wochen nicht immer der Fall. «Immer wieder wird das Internet im Norden des Landes abgestellt», weiss Keusch. Immer wieder mache sie sich deswegen Sorgen. «Von Adama weiss ich, wie schlimm es aktuell ist, richtig vorstellen kann sich das aus der Schweiz wohl niemand.»

Ausser dem Schulbetrieb funktioniert in und um die im Norden Burkina Fasos liegende Stadt Ouahigouya aber nicht viel. Brigitte Keusch erzählt aus Adama Guiros Beschreibungen: «Die Stadt ist abgeriegelt. Von Norden und Osten drängen die Dschihadisten ins Land. Ein Drittel von Burkina Faso ist vom Terrorismus bedroht. Eine Million Menschen sind aus ihren Dörfern vertrieben worden. Viele kamen deshalb vom Land in die Stadt.» Zeltdörfer sind rund um Ouahigouya entstanden. Wer jemanden in der Stadt kennt, ist in deren oder dessen Haus geflohen. «Fast alle Leute haben Verwandte und Bekannte aufgenommen. Zu helfen, das ist in der afrikanischen Kultur tief verankert.»

Seit vier Jahren nicht mehr vor Ort

Politische Unruhen sind in Burkina Faso nicht neu. Seit dem Präsidentenwechsel vor sieben Jahren brodelt es immer wieder. Brigitte Keusch kennt das aus eigener Erfahrung. Jeweils zweimal jährlich, im Sommer und während den Sportferien, reist die Sekundarlehrerin ins westafrikanische Land. «Seit 2018 ist das nicht mehr möglich. Zu gefährlich», sagt sie. In die Hauptstadt Ouagadougou zu reisen, das ginge noch. Aber in den Norden kommt sie nicht mehr. Dort wo sie mit dem Verein das Centre St. Benoît gebaut hat und aktuell 350Kindern die Möglichkeit gibt, den Kindergarten und die Primarschule zu besuchen.

Und die Situation spitzte sich in den letzten Monaten zu. Die Dschihadisten schlagen häufiger zu. Erfolgreich bekämpft wird dieser Terrorismus seitens der Regierung nicht. Mittlerweile kam es zum Putsch und die Macht liegt beim Militär. Brigitte Keusch erzählt: «Trotz allem verlieren die Leute ihre Positivität nicht. Sie sehen den Putsch als eine Art Chance, dass die verschiedenen Parteien den Dialog wieder aufnehmen», erzählt sie. Und von Adama Guiro wisse sie: «Die Leute wollen einfach keinen Terrorismus. Und sie sind dafür zu vielem bereit, auch zu einer anderen Staatsform.» Der Wunsch nach Frieden und Normalität stehe über allem.

Mangel an Rohstoffen und Sicherheit

Tangiert von all den Schwierigkeiten ist das Centre St. Benoît in Ouahigouya nicht. «Zum Glück», sagt Brigitte Keusch. Mit Ausnahme dessen, dass sich alle Eltern und Angestellten zu Hause um zig Verwandte kümmern müssen, die sie eigentlich nicht ernähren können, laufe vieles normal, «so normal wie es aktuell eben möglich ist». Die Solidarität untereinander sei riesig. «Adama hat mir erzählt, er sei mit seinen Töchtern deren Kleiderschrank durchgegangen, um auszusortieren, was sie anderen Kindern weitergeben könnten», sagt Brigitte Keusch. Und betont, dass ein Kleiderschrank in Ouahigouya weder in der Grösse noch in der Fülle mit einem in der Schweiz vergleichbar sei.

Auswirkungen hat die politisch unsichere Lage hingegen für die Bauprojekte des Vereins «Zukunft für Burkina Faso». Ein zweites Centre ist geplant, St. Georges. Der Kindergarten sollte eigentlich im Herbst eröffnet worden sein. Noch ist der Bau aber im Gang. «Die Inf lation erschwert die Lage auch hier. Die Preise sind gestiegen, die Rohstoffe schwer verfügbar.» Es mangle an Stahl und Beton. Hinzu kommt der Terrorismus. Weiter als zehn Kilometer wagt sich kaum jemand aus der Stadt. «Viel zu gefährlich. Entsprechend schicken die Unternehmer niemanden aus der Stadt, um Sand zu holen für die Herstellung von Backsteinen», erzählt Brigitte Keusch. «Das können und wollen wir auch von niemandem erwarten.» Kommt hinzu, dass es Verzögerungen auch deshalb gab, weil man sich anfangs dazu entschied, zuerst einen Brunnen zu bauen. «Zum Glück, das wäre mittlerweile weit teurer.»

Zeit, um Finanzen zu generieren

Nun ist der Zeithorizont verlängert worden. Nächsten Herbst soll der Kindergarten fertig sein. «Wir sind guter Hoffnung», sagt Keusch. Die zusätzliche Zeit sei auch für die Beschaffung von Spendengeldern nicht unwichtig. Ob die Sternsinger, Keuschs Vorträge, die Präsenz an Märkten oder Institutionen, wie etwa die Kirche, die sie unterstützen. «Es ist wahnsinnig, auf welches Vertrauen wir bei Spenderinnen und Spendern zählen können», sagt Keusch. Dieses Vertrauen habe auch sie. «Irgendwie geht es immer, manchmal wissen wir selbst nicht wie.»

Nur, der Kindergarten ist nicht das einzige Projekt, das aktuell Finanzen voraussetzt. Im Centre St. Benoît, das 2015 eröffnet wurde, ist ein Sekundarschulhaus im Bau. «Die ersten Kinder, die vor sieben Jahren in unserem Kindergarten eingeschult wurden, kommen in die Oberstufe. Wir wollen ihnen die Möglichkeit bieten, ihre gesamte Schulkarriere bis zur Matura bei uns zu absolvieren.» 14Jahre wären das total, ein zusätzliches Gebäude ist dafür nötig.

Ohnmacht und Vertrauen

Ohnmacht beschreibe es wohl am besten. «Soweit ich es von Adama höre, sind die Leute nicht wütend. Sie können die Situation nicht ändern, nehmen sie an, beklagen sich nicht und machen das Beste daraus», erzählt Brigitte Keusch. Auch sie fühle sich ein Stück weit ohnmächtig, das Urvertrauen sei aber grösser. «Ich glaube fest daran, dass wir mit unserem Engagement etwas bewirken können. Es ist schön zu sehen, wie die Leute vor Ort Verantwortung übernehmen. Dafür lohnt sich der Einsatz.» Und auch deshalb hofft Brigitte Keusch, bald wieder nach Ouahigouya reisen zu können. Konkrete Pläne wagt sie keine zu schmieden. «Aber sobald sich die Lage beruhigt, buche ich.»


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