Mit Herz und Glatze

  21.01.2022 Sport

Serie «Sportlerhelden von damals»: Bruno Perissinotto, der Kult-Goalie des FC Hägglingen (und FC Wohlen)

Auf der Zinsmatten war er ein Held. Und dort war sein Zuhause für fast drei Jahrzehnte. Der heute 58-jährige Bruno Perissinotto (aus Anglikon) blickt zurück auf eine glückliche Karriere als hexender Goalie des FC Hägglingen. Eine Karriere, die bald weitergehen soll.

Stefan Sprenger

Ein Blick über die Zinsmatten genügt, und der sonst so ruhige und ausgeglichene Bruno Perissinotto wird ein wenig emotional. «Da schiessen 1000 Gedanken durch den Kopf, wenn ich über den Rasen schaue», sagt er und bricht in grosses Lachen aus. «Okay. Es sieht aktuell mehr wie ein Ackerfeld aus.» Hier auf dem Heimplatz des FC Hägglingen hat er so viele tolle Stunden erlebt und verknüpft damit ganz viele wunderbare Erlebnisse. «Ich muss immer lächeln, wenn ich hier auf der Zinsmatten bin.»

«Der Retter war Perissinotto»

Der heute 58-jährige Bruno Perissinotto erzählt von Aufstiegen in die 2. Liga. Das war in der Saison 1982/83 und 1984/85. «Die Entscheidungsspiele vor rund 1000 Zuschauern sind unvergesslich.» Von legendären Partynächten, von Feierferien auf Mittelmeer-Inseln mit dem Verein. Und vom Sieg im Aargau Cup. Auf der Zinsmatten wird Unterentfelden mit 4:0 weggewischt (1989).

In jener Zeit kickt der FC Hägglingen teilweise ganz vorne mit in der 2. Liga. Bruno Perissinotto, von allen «Bruco» genannt, war der Hexer im Tor. Mit Glanzparaden war er in vielen Spielen der entscheidende Faktor für Erfolg oder Misserfolg. In den Berichten von damals in dieser Zeitung heisst es dann: «Der Retter war Goalie Perissinotto mit bravourösen Paraden» oder «ein Perissinotto in Hochform vereitelte alle Ausgleichschancen». Nebst seinen Fähigkeiten im Tor war er auch neben dem Feldein hochsympathischer und geselliger Typ. Und das ist er bis heute geblieben.

Fast ein wenig wehmütig blickt er wieder über den Zinsmatten-Rasen. «Wir hatten so ein Glück. Es gab zu dieser Zeit so viele tolle Typen hier, die allesamt gut Fussball spielen konnten.» Und so wie er kamen fast alle Spieler aus Hägglingen. Zudem sei das «ganze Dorf» jeweils an die Heimspiele gekommen – eben auf dieser magischen Zinsmatten. «Ich habe fast 20 Jahre lang für den Fussball hier gelebt», sagt Perissinotto. Ein Wechsel kam nicht infrage.

Von Bettwil nach Hägglingen mit dem Töffli

Angefangen hat er bei den E-Junioren im Jahr 1974. Die FCH-Legende Albano Furlan war sein erster Trainer. Perissinotto war von Anfang an Goalie. Wieso er denn ins Tor stehen wollte? «Ich weiss es nicht mehr.» Der Mann mit italienischen Wurzeln spielt sich durch die Nachwuchsabteilung des FC Hägglingen und schafft schliesslich – als 17-Jähriger – den Sprung in die erste Mannschaft (1982). Selbst als die Eltern nach Bettwil zogen, blieb er dem FC Hägglingen treu – und fuhr als Jugendlicher eben mit dem Töffli ins Training. Wobei, ein paar Spiele lang wurde er fahnenflüchtig. Gemeinsam mit Roger Geissmann machte er ein paar Matches bei der Aargauer Auswahl und den C-Inter-Junioren des FC Aarau.

Ja, dieser Bruno Perissinotto hätte grösser rauskommen können. In jungen Jahren wollte ihn der FC Aarau in den Nachwuchsbereich holen. «Aber ich habe mich immer so wohl gefühlt, dass ich nicht wegwollte.» Jahrelang war er unbestrittene Nummer 1 im Tor. Er sagte jeweils zu den Verantwortlichen: «Ihr könnt bringen, wen ihr wollt, ich will spielen und werde besser sein.» Und Perissinotto hat jeden anderen Goalie, der bei Hägglingen landete, ausgestochen. Sein Erfolgsgeheimnis: «Ehrgeiz und Willen», wie er sagt. Und Ruhe. Vor den Spielen sei er oft zur Bruder-Klaus-Stätte gefahren um runterzufahren. «Gute Gedanken haben», wie er es nennt.

Die zwei Blinden in der Abwehr

Seine grösste Stärke: «Ich hatte keine Angst. Niemals.» Im Duell 1 gegen 1 warf er sich heroisch in die Schüsse. Seine Reflexe auf der Linie waren gigantisch stark. Seine grösste Schwäche waren die hohen Bälle. Dies wegen seiner Hornhautverkrümmung. «Je länger die Karriere dauerte, desto mehr Mühe hatte ich bei den Abendspielen.» Als aus Wohlen Urs Bächer – ebenfalls Brillenträger – auf die Zinsmatten wechselte, witzelte man stets, «dass zwei Blinde in der Abwehr stehen».

Perissinottos Markenzeichen sind aber nicht seine Sehschwäche oder seine Reflexe, sondern seine Glatze (gepaart mit Schnauz). Schon in jungen Jahren gingen ihm die Haare aus – und er sah eben immer ein wenig älter aus.

Kurt Rüegg – der beste Trainer

Dazu hat er eine witzige Anekdote: Bevor Kurt Rüegg Trainer in Hägglingen wurde, schaute er sich ein Spiel an. «Danach sagte Rüegg, dass die Mannschaft ja schon gut sei, jedoch brauche es wohl bald einen Ersatz auf der Goalieposition, weil dieser Perissinotto schon in die Jahre gekommen sei.» Jener Perissinotto war damals aber erst 23 Jahre jung.

Apropos Kurt Rüegg. «Er war der beste Trainer, den ich jemals hatte», sagt der Goalie. «Am Anfang passte er nicht zu uns. Wir waren Spieler, die gerne feierten. Er passte sich aber an – und wir uns auch. Rüegg brachte viel Professionalität rein. Er war eine riesige Respektsperson.»

Beim Bau der Vereinshütte und der Halle geholfen

Perissinotto überzeugte auch neben dem Feld. So half der gelernte Zimmerpolier beim Planen und Bauen der Vereinshütte auf der Zinsmatten Mitte der 80er-Jahre. Und auch beim Bau der Turnhalle in Hägglingen halfen er und sein Arbeitgeber tatkräftig mit. Auch nach der Karriere engagiert er sich beim FC Hägglingen. «Etwas zurückgeben», nennt er das. Denn er habe enorm viel gekriegt. «Der FC Hägglingen war wie eine Familie. Was ich alles für das Leben mitgekriegt habe, ist enorm.» Perissinotto erzählt von Koryphäen, die Vaterfiguren wurden. Peter Richner, Wife Geissmann, Rinaldo Saxer, «EG» Geissmann, Markus Kaufmann, Albano Furlan. Und er erzählt von vielen Mitspielern, die er schätzt und die gute Freunde wurden. Von Gerhard Schädler, von Urs Bächer, von Rocco Cipriano, von den Saxer-Zwillingen, von Roger Geissmann, dessen Sturmläufe übers halbe Feld er heute noch vor seinem inneren Auge sieht. Oder von Jogi Hausherr, der «Götti» seines Sohnes Nico ist. «Wir waren verrückte Typen. Eine sauglatte Truppe.»

Von Büttikon nach Anglikon – und zum FC Wohlen

Bis zu seinem 32. Lebensjahr spielt er bei Hägglingen. Perissinotto, der damals in Büttikon wohnte, baute dann in Anglikon ein Haus, wurde Vater von zwei Söhnen und beendete seine Karriere. Doch zwei Jahre später gibt er sein Comeback – und das nicht auf der Zinsmatten. «Der FC Wohlen hatte ein Goalieproblem und hat sich gemeldet», erzählt er. Und so spielte «Bruco» zuerst in der zweiten Mannschaft und auch beim «Eis» des FC Wohlen in der 1. Liga (unter Trainer Arne Stiel).

Heute wohnt er nach wie vor in Anglikon. Seine Söhne, mit denen er oft auf Töfftouren geht, sind mittlerweile erwachsen. Seine Frau, die ihn während seiner Karriere immer unterstützte und sein grösster Fan war, ist nach wie vor unausweichlich an seiner Seite. Perissinotto arbeitet bei einem Holzbau-Unternehmen als Projektentwickler. Der Fussball ist in den Hintergrund gerückt.

Comeback geplant beim FC Niederwil

Er spielte noch lange Zeit bei den Senioren des FC Hägglingen und des FC Niederwil. Vor zwei Jahren hörte er auf, weil er sich einer Knieoperation unterziehen musste. Und will jetzt sein Comeback geben. «Der Fussball, die Kameradschaft, es fehlt mir sehr. Ich werde bald wieder ins Training gehen bei den Senioren des FC Niederwil.»

Beim FC Hägglingen ist er noch im 500er-Klub dabei und hat Kontakt zu früheren Teammitgliedern. Seit dem Zusammenschluss zum FC Bünz-Maiengrün sei er nie mehr auf der Zinsmatten gewesen. Die Erinnerungen an die goldenen Zeiten auf der Zinsmatten gehen aber nicht weg. «Als junger Kerl weiss man gar nicht so richtig zu schätzen, was man hat. Heute weiss ich das. Ich weiss, dass die Zeit damals unglaublich wertvoll war. Und dafür bin ich sehr dankbar», so Perissinotto.

Sein dümmstes Gegentor?

Zum Schluss wird ihm die Frage gestellt, was den sein dümmstes Gegentor war. Perissinotto überlegt. Als junger Keeper habe er mal einen Abwurf ins eigene Netz geworfen. Und dann war dann noch dieses Gegentor kurz vor Ende des berühmt und berüchtigten «Sumpfspiels» auf der Zinsmatten gegen den FC Wohlen. Hägglingen hält gegen den Favoriten (bei Dauerregen) lange stark dagegen, Perissinotto zeigt dabei einige Glanzparaden. Kurz vor Schluss trifft Wohlen doch noch zum 3:2-Sieg. «Das war ärgerlich. Das gurkt mich heute noch an, wenn ich daran denke.»


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