Flurin, der Prächtige

  23.11.2021 Sport

Ringen, Nationalliga A, Halbfinal-Hinkampf: RS Kriessern – RS Freiamt 12:24 (5:14)

Die Ringerstaffel Freiamt steht mit eineinhalb Beinen im Final. In Kriessern lassen die Freiämter nichts anbrennen und lassen das Heimteam zwischenzeitlich richtiggehend leiden. Dabei war der erste Kampf mental enorm wichtig für die Freiämter.

Josip Lasic

Der Vorname Flurin bedeutet so viel wie «der Blühende» oder «der Prächtige». Viel passender geht es beim Landschaftsgärtner Flurin Meier fast nicht. Allerdings nicht nur wegen seiner Berufswahl, sondern auch wegen seinen Leistungen in den vergangenen Wochen für die RS Freiamt.

In Kriessern ist der Murianer aber noch einmal zusätzlich aufgeblüht. Er durfte den Abend für die RS Freiamt eröffnen. Gegner: Urs Wild. 35-jähriger Routinier, der für Weinfelden ringt, eine Doppellizenz mit Kriessern hat und taktisch und technisch ein äusserst unangenehmer Gegner ist. Und er lässt das den 21-jährigen Freiämter auch spüren. Schnell liegt Wild 8:0 vorne.

Und jetzt kommt der Moment, in dem vermutlich der ganze Abend zugunsten der Freiämter kippt. Wild musste etliche Kilos abkochen, um im Freistil bis 57 kg gegen Meier antreten zu können. Seine Reserven neigen sich schnell dem Ende zu. «Ich habe sehr vorsichtig angefangen gegen ihn», sagt Flurin Meier. «Mir ist klar, was er draufhat. Doch je länger der Kampf ging, desto mehr habe ich gespürt, dass etwas möglich ist.»

Wild bricht zusammen
Meier wirbelt den Routinier durch. Aus einem 0:8-Rückstand wird ein 24:8-Erfolg. Flurin Meier siegt mit 4:1. Während der Freiämter kaum aus der Freude rauskommt, bricht ein völlig ausgepowerter Urs Wild zusammen und muss behandelt werden. Die 14 Jahre mehr gegenüber dem Freiämter und das Runterhungern hinterlassen ihre Spuren. Freiamt-Präsident Nicola Küng: «Es hat mir echt Sorgen gemacht, Urs Wild so zu sehen. Während dem Kampf war schon zu erkennen, dass er absolut am Ende seiner Kräfte ist. Als er so zusammengebrochen ist, dachte ich, dass es etwas Ernstes sein könnte.»

Zum Glück: Wild kann sich erholen. Und dann gehen die Freiamt-Festspiele los. Damian von Euw muss bei seinem ersten Auftritt für die RS Freiamt gegen den frischgebackenen U23-Vize-Weltmeister Ramon Betschart ein 6:6-Unentschieden hinnehmen, das als 1:2-Niederlage in die Teampunkte einfliesst. Aber dann: 4:0-Sieg von Nino Leutert gegen Christoph Wittenwiler, 4:0-Sieg von Magomed Ayshkanov gegen Jeremy Vollenweider.

Blutender Vollenweider
Vollenweider, der früher mit Doppellizenz auch für die RS Freiamt gerungen hat, ist nach Urs Wild der zweite Weinfelder, den die Freiämter «kaputtmachen». Der Schwinger-Ringer konnte gegen Ayshkanov zwei Punkte erzielen. Beim Stand von 2:13 aus Vollenweiders Sicht riecht alles nach einem 4:1-Sieg für den Tschetschenen. Dann muss allerdings unterbrochen werden, weil Vollenweider aus dem Mund blutet. Kaum geht es weiter, blutet Ayshkanovs Gegner auch am Kopf. Die Behandlungszeit läuft ab. Vollenweider muss Forfait geben.

Danach muss das Kriessener Weinfelden-Lazarett, bestehend aus Wild und Vollenweider, zusehen, wie sich die Ostschweizer kaum wehren können. Pascal Strebel, Yves Müllhaupt und Joel Meier holen ungefährdete Siege. Michael Bucher und Randy Vock halten Kriesserns Elite-Kämpfer Dominik Laritz und Marc Dietsche in Schach und verlieren nur knapp mit 1:2.

Freiämter in Topform
«Selbst die Ringer, die eine Niederlage einstecken mussten, haben eine grossartige Leistung gezeigt. Es war ein starker Teamerfolg», sagt Nicola Küng. Einzig Marc Weber wird mit seinem Ergebnis nicht zufrieden sein. Er hat gegen Damian Dietsche mit 0:3 verloren. Seinen Kampf kommentiert er nonverbal mit einem Fusstritt gegen die Bande. Küng: «Das Ergebnis sieht schlechter aus als die Leistung. Damian Dietsche ist ein erfahrener Ringer und ein Schlitzohr. Er wusste, wie er Marc nehmen muss. Nichtsdestotrotz hat auch Marc Weber sich gut behauptet.»

Am Ende gewinnt die RS Freiamt auswärts mit 24:12. Zwölf Punkte Differenz sind eine Ansage. Die Chance für Kriessern, das noch zu drehen, ist eher gering.

Meier hat einen Lauf
Aber kommen wir zurück zum Mann, der den starken Freiämter Abend eingeläutet hat. Flurin Meier hat momentan einen Lauf. Bevor er aus einem 0:8 gegen Urs Wild ein 24:8 gemacht hat, konnte er seine letzten drei Kämpfe alle mit einem Schultersieg für sich entscheiden. Wie erklärt sich der 21-Jährige seine Leistungsexplosion? Trainiert er mehr? «Um ehrlich zu sein, konnte ich technisch dieses Jahr viel weniger trainieren», erzählt er. «Deshalb hatte ich in einigen Kämpfen auch grosse Mühe in diesem Bereich. Mir hat dafür ein wenig die Zeit gefehlt, weil ich im Militär war. Das hatte aber im Gegenzug einen Vorteil. Ich konnte im Militär konditionell einiges zulegen und bin stärker geworden», berichtet der Murianer. «Das hilft mir in den Kämpfen.» Urs Wild kann ein Lied davon singen.

Auf das Gefühl angesprochen, wie es war, einen solchen Routinier zu bezwingen und den Kampf noch so zu drehen, sagt Flurin Meier: «Unglaublich. Das gibt mir ein riesiges Selbstvertrauen. Und ich glaube, dass es dem Team auch viel Selbstvertrauen gegeben hat.»

Potenzial ohne Ende

Nils Leutert, Marc Schärer, Kimi Käppeli, Saya Brunner, Roman Zurfluh und Christian Zemp. Eine Liste von Ringern, die in Kriessern vor Ort waren und nicht eingesetzt wurden. RS-Freiamt-Trainer Marcel Leutert kann es sich leisten, solche Ringer draussen zu lassen, und die Leute, die statt ihrer antreten – und wie im Fall von Flurin Meier noch nicht so einen grossen Namen haben –, liefern trotzdem ab.

In dieser Saison wirkt es so, als könnte Leutert jederzeit einen Pfeil aus dem Köcher ziehen und einen neuen Leistungsträger aus dem Hut zaubern oder zumindest jemanden, der die taktischen Aufgaben erfüllt. Im Fall von Flurin Meier muss man ihn spätestens nach der Leistung gegen Urs Wild als einen prächtigen und ganz gefährlichen Pfeil im Köcher der Freiämter betrachten. Am kommenden Samstag, 27 November, 20 Uhr, findet der Rückkampf in der Bachmattenhalle in Muri statt. Mal sehen, welcher von Leuterts Pfeilen die Kriesserer dann verletzen kann.


RESULTATE-RINGEN

Ringen, Nationalliga A, Halbfinal-Hinkämpfe

Kriessern – Freiamt 12:24; Einsiedeln – Willisau 11:29.

Kriessern – Freiamt 12:24 (5:14)

Mehrzweckhalle Kriessern. – 500 Zuschauer – KR: Jean-Claude Zimmermann. 57 kg Freistil: Urs Wild – Flurin Meier 1:4. 61 kg Greco: Christoph Wittenwiler – Nino Leutert 0:4. 65 kg Freistil: Dominik Laritz – Michael Bucher 2:1. 70 kg Greco: David Loher – Pascal Strebel 0:3. 75 kg Freistil: Marc Dietsche – Randy Vock 2:1. 75 kg Greco: David Hungerbühler –Yves Müllhaupt 1:3. 80 kg Freistil: Tobias Betschart – Joel Meier 1:3. 86 kg Greco: Damian Dietsche – Marc Weber 3:0. 97 kg Freistil: Jeremy Vollenweider – Magomed Ayshkanov 0:4. 130 kg Greco: Ramon Betschart – Damian von Euw 2:1.


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