Mit seinem Zirkus gewachsen

  20.08.2021 Bremgarten

Zum Rücktritt von Arabas-Zirkusdirektor Martin Indlekofer

Nach 25 Jahren ist der Arabas-Mitgründer zum Jubiläum seines Kinderzirkus von seiner Funktion zurückgetreten. Ein Rückblick auf ein Vierteljahrhundert in der Manege und das Leben einer aussergewöhnlichen Bremgarter Persönlichkeit.

«Am Anfang war es ein Hoselupf – eigentlich verrückt, was wir damals gewagt haben.» Damals war 1996, vor 25 Jahren also. Damals wurde der Arabas Cirque Jeunesse aus der Taufe gehoben. Gegründet von einer guten Handvoll Bremgarter Enthusiasten. Und einer von ihnen hiess Martin Indlekofer.

Der heute 57-Jährige war von Stunde Null an als Hauptverantwortlicher dabei. Und seine Augen glänzen nach wie vor, wenn er daran zurückdenkt. «Unser Startkapital lag vielleicht bei 300 bis 400 Franken», lacht Indlekofer. «Gespendet von ein paar Eltern. Aber wir wollten es einfach wagen.» Zum Vergleich, wie utopisch das damalige Vorhaben heute anmutet: Alleine das jetzige Zelt des Zirkus Arabas kostete 120 000 Franken. Doch Zaudern ist der Zirkusmenschen Art nicht und so stürzten sie sich ins Abenteuer.

Viel Hilfsbereitschaft erfahren

Ein Zufall führte kurz nach der Gründung dazu, dass der blutjunge Arabas eine nationale Plattform erhielt, die er als Anschubhilfe für sich zu nutzen wusste. Indlekofer und seine Mitstreiter wurden in die damalige DRS-1-Sendung «Talisman» eingeladen, wo sie die Zuhörer um Mithilfe beim Zirkusaufbau bitten konnten. Und die Resonanz war überwältigend. Innert kürzester Zeit gingen zahlreiche Spenden ein. Von ausrangierten Bauwagen, die zu Zirkuswagen umfunktioniert wurden, bis hin zu tonnenweise Stoff für Kostüme aus einer Pleite gegangenen Textilfirma war sehr viel Brauchbares dabei. Hinzu kam ein bedeutender Geldkredit einer Privatperson.

«So war es eigentlich danach immer», erzählt Indlekofer heute mit einem Lächeln. «Immer, wenn es schwierig wurde, hat uns jemand unter die Arme gegriffen.» So sei das halt in der Zirkusfamilie. Irgendjemand kenne man stets, der helfen könne. «Wir hatten 25 Jahre lang Glück.» So begünstigt und von harter Arbeit und Leidenschaft getragen, konnte Arabas stetig wachsen und gedeihen und wurde letztlich zu dem, was er heute ist. Eine zweite Heimat für Dutzende Kinder und ihre Familien und ein erfolgreicher Zirkus, der jedes Jahr unzähligen Menschen Spass und Ablenkung bereitet.

Immer wieder behilflich war auch das grosse Netzwerk des Zirkusdirektors in der Künstlerszene. Neben seiner Tätigkeit bei Arabas engagiert sich der Bremgarter nämlich auch im Kellertheater und bei der Operette. Dadurch entstehen oft Synergien. Beispielsweise konnte der Zirkus in seinen Anfangsjahren im Sommer das Beleuchtungssystem des Kellertheaters ausleihen, da dieses während der Sommerpause dort nicht benötigt wird.

«Das steckt einfach in mir»

Doch was bringt einen jungen Mann dazu, Hunderte von Stunden in eine unentgeltliche Arbeit zu stecken, die noch dazu allermeistens weit weniger glamourös ist als das, was man während der Vorstellung sieht? Eine Arbeit nämlich, die oft mit viel Fleiss, Schweiss und auch Frustrationen verbunden ist.

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich ein wenig mit der Persönlichkeit und Lebensgeschichte des 57-Jährigen befassen.

Bereits als Kind war der kleine Martin jeweils fasziniert, wenn der Nationalzirkus Knie mit seinem ganzen Tross in Indlekofers Nachbardorf Windisch einfuhr und dort seine Zelte aufschlug. Weil das jeweils während der Sommerferien der Fall war, hatte der Junge stundenlang Zeit, den Zirkusmenschen beim Auf- und Abbau zuzuschauen und sich inspirieren zu lassen. Dadurch wurde er schnell mit dem Zirkusvirus infiziert.

Während seine Klassenkameraden in ihrer Freizeit Fussball spielten, brachte sich Indlekofer das Jonglieren und das Einradfahren bei. Im Familien- und Bekanntenkreis trat er als Clown und Zauberer auf, mit Nummern, die er sich während Stunden seiner Freizeit in akribischer Detailarbeit einfallen liess. Sein Vorbild damals war Dimitri, der grosse Schweizer Clown.

So haben Indlekofer Zirkusthemen schon in jungen Lebensjahren stets begleitet. «Ich bin mit dem Zirkus erwachsen geworden», sagt der Bremgarter heute. «Diese Dinge haben mir immer geholfen und mich auch zu der Persönlichkeit werden lassen, die ich heute bin.» Dennoch kam ein nomadisches Zirkusleben als Beruf und Lebensart nie infrage. «Dafür muss man in einer Zirkusfamilie aufwachsen.»

Stattdessen wurde Indlekofer Lehrer und zog nach Bremgarten. Auch diese Berufswahl war kein Zufall, denn Kinder begleitete er immer schon gerne. Ihnen beim Lernen und Entwickeln zu helfen und die Fortschritte zu beobachten, erfüllt ihn mit Freude und Stolz.

So kam eines zum andern, sodass der junge Mann Feuer und Flamme war, als er am Freiämter Jugendfest 1991 auf eine Gruppe Gleichgesinnter traf, die sich beim Jugendzirkus Biber engagierten. Schnell schloss er sich ihnen an, half beim Training der Kinder und allerlei anderem. «Weil die Zeit reif war», entstand aus dem Zirkus Biber dann nach fünf Jahren ein zweiter. Und die Erfolgsgeschichte von Arabas konnte beginnen.

Freilich lief in all den Jahren nicht immer alles nach Plan und Drehbuch. Mit Schaudern erinnert sich der abtretende Zirkusdirektor beispielsweise an einen Abend, an dem wenige Stunden vor der Aufführung die gesamte Technik ausfiel und in einer Hauruck-Übung kurzerhand ausgewechselt werden musste. Oder an einen Umzug, bei dem ein Zirkuswagen mitten im Kreisel seine ganze Ladung verlor und damit stundenlang den Verkehr blockierte. Oder an eine Vorstellung, während deren der automatische Trapez-Lift seinen Geist aufgab. «In diesen Momenten geht der Puls ganz schön hoch, aber man darf sich nichts anmerken lassen. Zirkus bedeutet immer ein Stück weit auch Improvisation.» Trotz allem musste in einem Vierteljahrhundert keine einzige Vorstellung von Arabas abgesagt werden. «Darauf bin ich stolz.»

Künftig als Koch dabei

Die Reaktionen, die Indlekofer auf seinen Rücktritt erhielt, bestätigen ihn in seiner Überzeugung, durch seine Leidenschaft etwas Sinnstiftendes geschaffen zu haben. Neben viel Verständnis stiess sein Entscheid allenthalben auch auf viel Bedauern. Doch für eine reibungslose Übergabe ist gesorgt. Mit Nina Hegnauer und Joël Demierre hat er eine ideale Nachfolgelösung gefunden. Die beiden jungen Artisten sind schon seit frühem Kindesalter mit dabei. «Ich bin sicher, dass sie das gut machen werden», sagt Indlekofer. «Aber wenn sie meine Hilfe und meinen Rat brauchen, bin ich weiterhin jederzeit zur Stelle.»

Ganz zurücktreten wird der 57-Jährige sowieso nicht. Einen beträchtlichen Teil der nun frei gewordenen Zeit wird er weiterhin im Zirkus verbringen und sich dort seiner zweiten Leidenschaft, dem Kochen, widmen. Dafür hat er eigens einen Küchenwagen eingerichtet, wo er für seine Zirkusfamilie künftig Köstlichkeiten zubereiten wird. Und wer weiss, vielleicht wird man ihn ja trotzdem ab und zu nochmals in der Manege antreffen. Denn eins hat Indlekofer in all den Jahren gelernt: Das Zirkusleben ist unberechenbar – und lässt einen niemals los. --huy


Arabas

Wieso heisst der Kinderzirkus eigentlich so? Bedeutet der Name irgendetwas, vielleicht in einer exotischen Sprache? Die Frage musste Indlekofer im Laufe seiner Zirkuskarriere unzählige Male beantworten. Tatsächlich ist Arabas allerdings ein Phantasiename. Inspiriert vom Zauberer Tarabas, einem Charakter der 90er-Jahre-Märchenfilmreihe Prinzessin Fantaghirò. «Ein Zirkuskind hat den Namen damals vorgeschlagen und er gefiel uns – allerdings noch etwas besser ohne das ‹T› am Anfang», lüftet Indlekofer das Geheimnis.


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