Das Wundertüten-Quartett

  17.08.2021 Sport

Beachsoccer, Weltmeisterschaft: Übermorgen Donnerstag beginnt die WM in Russland, an der vier Freiämter dabei sind

Die Anzahl der Freiämter im Schweizer Beachsoccer-Nationalteam wird immer grösser. Die WM wird nach 2019 zum zweiten Mal auf SRF übertragen. Eigentlich eine positive Entwicklung. Doch die Erwartungen werden in den Reihen der «Sandgenossen» bewusst tief gehalten.

Josip Lasic

Sandro Spaccarotella aus Tägerig, Dejan Stankovic aus Boswil, Jan Ostgen aus Dottikon und Patrick Rüttimann aus Muri. Beachsoccer-Nati-Trainer Angelo Schirinzi setzt gleich auf vier Freiämter, die das Schweizer Nationalteam in Moskau zum Erfolg schiessen sollen.

Bei diesem letzten Satz würde Schirinzi die Nase rümpfen. Nicht, weil er seinem Quartett nicht vertraut. Mehr, weil die Schweiz – 2009 immerhin Vize-Weltmeister – diesmal mit grossen Fragezeichen ans Turnier anreist. «Die Erwartungen sind dieses Jahr nicht so gross. Wir haben sehr viele Angeschlagene, können nicht aus dem Vollen schöpfen. Aber wir werden alles darum geben, die Gruppe zu überstehen.»

Eine harte Vorrundengruppe

Das wird schwierig genug. Das Turnier geht übermorgen Donnerstag los. Am Freitag bestreiten die Schweizer ihr erstes Spiel. Gegner: Der 14-fache Weltmeister Brasilien. Die anderen beiden Konkurrenten in der Gruppe heissen Weissrussland und El Salvador. «Keine grossen Namen wie Brasilien, aber Top-Nationen im Beachsoccer», sagt Schirinzi. Dass sich die Schweiz eigentlich nicht einmal für das Turnier qualifiziert hat und «nur» als Nachrücker für die Ukraine – sie verzichten auf die Teilnahme – ins Rennen startet, lässt die Fragezeichen hinter den «Sandgenossen» nicht kleiner werden.

Schirinzi hofft dennoch, dass sein Team ein gutes Turnier spielen kann, hofft dabei auf die Unterstützung des Freiämter Quartetts und hat auch Erwartungen an alle vier Spieler. Die kleinsten Erwartungen liegen vermutlich bei Sandro «Spacca» Spaccarotella. Grund: Der Tägliger hat sich den Fuss gebrochen vor einigen Wochen. «Er kommt mit nach Russland. Auf so einen Routinier kann ich nicht einfach verzichten», sagt Schirinzi. «Ob er wirklich fit wird, kann ich aber noch nicht sagen.»

Nach der WM 2019 in Paraguay schwärmte der Nati-Trainer in höchsten Tönen von «Spacca». Es sei damals das beste Turnier des Routiniers gewesen. Sollte er im Verlauf des Turniers nicht fit werden, wäre das eine enorme Schwächung für die Schweizer.

Dejan Stankovic: «Wir reisen mit Lazarett an»

Wie «Spacca» bestreitet auch Dejan Stankovic seine sechste WM mit der Schweiz. Der Boswiler ist der Name in den Reihen der Schweizer, der die Gegner erzittern lässt. Die individuellen Auszeichnungen, die Stankovic auf Sand geholt hat, lassen sich kaum aufzählen. Für Schirinzi ist der Boswiler unverzichtbar. «Ich habe wie immer hohe Erwartungen an ihn. Er ist ein Routinier und ein Spitzenspieler. Aber er kann nicht das ganze Team allein tragen.» Dem stimmt der Boswiler zu, der Bedenken bezüglich der Verletzungen zahlreicher seiner Kollegen hat. «Wir müssen Spiel für Spiel nehmen. Nur schon der Start gegen Brasilien wird hart. Und wir reisen mit einem Lazarett an. ‹Spacca› hat nach seinem Mittelfussbruch vor einem Monat bis heute kein Training mit dem Team bestreiten können. Noel Ott ist nach seinem Kreuzbandriss noch nicht wieder fit. Sein Knie schwillt fast nach jedem Training an. Tobias Steinemann hat sich im Final der Schweizer Liga einen Riss am Fuss zugezogen. Mit acht Stichen genäht. Philipp Borer hat sich am Qualifikationsturnier eine Kopfverletzung zugezogen. Zwölf Stiche. Die Ausgangslage könnte wirklich besser sein.»

Stankovic sagt, dass sich das Team deshalb bewusst kein Ziel gesetzt hat. «Die letzten drei Mal hatten wir Zielsetzungen, die immer in die Hose gingen. Dreimal sind wir im Viertelfinal ausgeschieden. Wir gehen das Ganze jetzt anders an, versuchen Druck von uns zu nehmen. Wer weiss, die WM ist in Moskau. Da haben wir immer gute Ergebnisse gezeigt. Für mich ist es schon fast ein zweites Zuhause, so oft, wie ich in Russland Meister wurde. Vielleicht ist das ein gutes Omen.»

Während «Spacca» und Stankovic alte Hasen sind, bestreitet der Dottiker Jan Ostgen erst seine zweite WM. «Er hat sich grossartig entwickelt in den letzten Jahren. Jan wird ein wichtiger Faktor sein und in der Zukunft eine immer grössere Rolle einnehmen», sagt Schirinzi. «Als einer der jüngeren soll er befreit aufspielen können. Trotz vieler Ausfälle dürfen wir die Verantwortung nicht auf ihn abwälzen.»

Der 25-Jährige, frischgebackener Cupsieger mit den Havana Shots, gibt sich allerdings kämpferisch. «Gerade jetzt, wo wir mit Verletzungen zu kämpfen haben, können wir unsere Stärken ausspielen», sagt Ostgen. «Wir setzen uns füreinander ein, versuchen unsere individuellen Stärken einzubringen und als Team Fehler zu korrigieren. Gerade an solchen Turnieren ist es wichtig, füreinander da zu sein, sich positiv zuzureden, einander zu unterstützen, auf und neben dem Platz.»

Jan Ostgen: «Gehen an die WM, um zu gewinnen»

Und der Dottiker macht gleich eine Ansage: «Uns wurde mit Brasilien, Belarus und El Salvador sicherlich die schwierigste Gruppe zugelost. Aber es ist ja auch die Weltmeisterschaft. Trotzdem denke ich, dass wir das Potenzial zu Grossem haben. Mit dieser Einstellung werden wir auch in diesem Jahr wieder an die WM gehen – um zu gewinnen, alles andere wäre gelogen.»

Der Murianer Patrick Rüttimann ist mit seinen 28 Jahren zwar etwas älter als Ostgen, aber der Freiämter WM-Debütant. «Er soll WM-Luft schnuppern. Von ihm erwarte ich nicht, dass er gleich Spiele für uns entscheidet», sagt der Nationaltrainer. Rüttimann schliesst sich an: «Ich will meine beste Leistung abrufen, dem Team helfen und von den erfahreneren Spielern profitieren. Dem Team traue ich alles zu. Mit dem Mix aus starken jungen Spielern und Weltklasse-Routiniers liegt sogar der Titel drin, wenn alle an einem Strang ziehen.»

Wie vor zwei Jahren an der Weltmeisterschaft in Paraguay werden alle Spiele der Schweizer im Schweizer Fernsehen übertragen. Gut für den Beachsoccer-Sport. Dass mit Patrick Rüttimann ein weiterer Freiämter an die WM fährt ist gut für den Freiämter Beachsoccer-Sport.

Jetzt darf man gespannt sein, wie sich das Team in Moskau präsentiert. Vier Spieler aus der Region mit verschiedenen Zielen, Hoffnungen und Erwartungen. Was sportlich dabei rauskommt, wenn man diese kombiniert, ist aktuell eine Wundertüte.


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