Zuerst Arbeit, dann Vergnügen

  13.08.2021 Muri

Am Dienstag zügelten die Klienten in das umgebaute und erweiterte Roth-Haus

Vier Wohngruppen, 28 Betten, zig Fuhren mit den Lastwagen. Das Roth-Haus hat gezügelt, die neuen Räume in Beschlag genommen. Ein grosser Tag, für alle Beteiligten.

Annemarie Keusch

Wieder kommt ein Lastwagen, gefüllt mit Betten, anderen kleinen Möbeln. Der Schweiss tropft den Männern von der Stirn, ihre T-Shirts sind nass. Sie nehmen die Lastwagen in Empfang und verteilen die Möbel auf die Wohngruppen. Die Mitarbeitenden helfen, Stiftungsräte, auch Zivildienstleistende sind dabei und einige Freiwillige. «Wir sind froh, auf diese Hilfe zählen zu können», sagt Uwe Tischer, Geschäftsleiter der Stiftung Roth-Haus. Auch er ist angespannt, koordiniert. «Es muss alles fertig werden heute», sagt er. Alle Möbel müssen von den provisorischen Wohngruppen in den Räumlichkeiten der Pflegi zurück ins umgebaute und erweiterte Roth-Haus gebracht werden. «Heute Nacht schlafen die Klientinnen und Klienten erstmals da», sagt er.

Improvisation ist gefragt an diesem Tag

Ein ambitioniertes Ziel, das primär Stress bedeutet. Und das bei grosser Hitze. Ein Bett in den dritten Stock, ein Nachttisch in den zweiten. Und dann ist der Türrahmen für das Bettgestell fast zu schmal. «Es ist einiges an Improvisation gefragt», sagt Tischer. Einladen, runterfahren, ausladen, aufstellen, auspacken. Zigmal wiederholt sich dieses Szenario am Dienstag.

Es ist ein hartes Stück Arbeit, aber eines, das sich voller Vorfreude besser erledigen lässt. «Und diese Vorfreude, die ist bei allen da. Bei mir, bei den Mitarbeitenden und vor allem auch bei den Klientinnen und Klienten», sagt Uwe Tischer.


Wie ein ganz normaler Umzug

Am Dienstag bezogen die Klientinnen und Klienten des Roth-Hauses ihre neuen Räumlichkeiten

Die einen verteilen die Betten in den Zimmern, andere machen Sessel für das Wohnzimmer bereit, wieder andere räumen die Küche ein. Wie in einem Bienenhaus geht es am Dienstag im Roth-Haus zu und her. Es ist Zügeltag. Ein Tag, an dem alle viele Entscheidungen treffen müssen.

Annemarie Keusch

Es sind hektische Tage. Geplant wurde vieles. Wie bei den meisten anderen Umzügen auch, kommt vieles anders. Geschäftsleiter Uwe Tischer sitzt auf einer kleinen Bank, am Schatten. «Es gibt einiges zu koordinieren», sagt er. «Wohin kommt dieses Bett? Es ist nicht angeschrieben», tönt es später. «Zu mir nicht, unsere sind alle angeschrieben», sagt Claude Baeriswyl. Er ist Teamleiter von einer der Wohngruppen. Er schaut dafür, dass die richtigen Betten in die richtigen Schlafzimmer kommen. «Schaut, dass nichts im Weg ist», sagt er seinen Mitarbeitenden. Überall stehen Kisten, mit Reinigungsutensilien, mit Pfannen, mit Kissen – mit allem, was es eben braucht, um eine neue Wohnung einzurichten.

Der Dienstag ist der Tag X im Roth-Haus. Darauf freuten sich alle seit dem Baubeginn vor zwei Jahren. Mehr Platz, Einzelzimmer. Positiv für die Klientinnen und Klienten, aber auch für die Mitarbeitenden. Alle sind sie an diesem Dienstag unter Spannung. «Natürlich sind die Klienten auch dabei», sagt Uwe Tischer. Ein älterer Mann sitzt schon den ganzen Tag in der Loggia und beobachtet das Geschehen, andere kurven immer wieder mit ihren Rollstühlen vorbei. «Mit dem grossen Lastwagen und den vielen Menschen hat die Sicherheit natürlich oberste Priorität, aber wenn es geht, schauen sie zu. Es geht ja schliesslich um ihre Wohnungen», sagt Uwe Tischer.

Möglichst alles Material verstauen

Ganz alles musste nicht an diesem einen Tag gezügelt werden. Weil der Grossteil der neuen Räume schon einige Tage zuvor fertig war, konnte vieles schon gezügelt werden. Winterkleider, Weihnachtsdekoration, ein Grossteil des Geschirrs. Kommt hinzu, dass die Eltern und die Verwandten der Klienten die Chance bekamen, die Zimmer für ihre Kinder selber zu möblieren. «Das haben viele genutzt.» Heisst, nicht alle Möbel werden aktuell noch gebraucht. «Heute gibt es viele solche kleinen Entscheide zu fällen. Was wird im Keller zwischengelagert, was wird entsorgt», sagt Uwe Tischer. Intakte Ware wird aber nicht weggeworfen.

Möglichst alles Material direkt zu verstauen, das ist eines der Tagesziele. «Es sollte möglichst wenig herumstehen, auch wegen der Sicherheit», sagt Teamleiter Baeriswyl. Er spricht von einer riesigen Freude, die er im Team spüre. «Natürlich, wir müssen uns zuerst akklimatisieren, die grösseren Räume möglichst ideal nutzen.» Es sei ein besonderes Gefühl. Und auch die Stimmung beim ersten Mittagessen in den Wohngruppen beschreiben er und Tischer als speziell. «Richtig schön.» Alle strahlten, alle staunten – auch die Klientinnen und Klienten. «Mir gefällts. Es ist lässig», sagt etwa Pedro.

Umstellung auch für die Nachtwache

Es ist eine völlig neue Situation nach dem Umzug. Das beeinflusst auch die Arbeit der Nachtwache. Teamleiterin Monika Meier sagt: «Das ganze Haus ist nun vernetzt. Alle Zimmer sind individuell ausgestattet.» In den einen Zimmern gibt es Epilepsiematten, in anderen Alarmknöpfe, bei wieder anderen wird der Alarm ausgelöst, wenn man aufsteht. Und auch die Geräuschmelder kamen mit. «Wir müssen das alles zuerst kennenlernen, unsere Abläufe leicht anpassen», erklärt Meier. Anfangs werde es wohl das eine oder andere Mal chaotisch sein. Umso wichtiger sei es, dass am Zügeltag das ganze sechsköpfige Team vor Ort sei. «In einem Rundgang lernen wir alles kennen. Das kommt gut, ich bin zuversichtlich.»

Zuversicht, sie ist auch in den verschwitzten Gesichtern jener zu erkennen, die den ganzen Tag Möbel transportieren. Und auch Geschäftsleiter Uwe Tischer ist zufrieden. «Es ist schön, dass das Haus nun wieder lebt.»


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