Eine Frau für die Vielfalt

  06.08.2021 Region Unterfreiamt

Marina Veil ist die Leiterin Fachstelle Diversity

Als Stabhochspringerin des TV Wohlen weiss sie, wie man über sich hinauswächst: Marina Veil, die in Fahrwangen und Meisterschwanden aufgewachsen ist, hat nicht nur sportlich einiges auf dem Kasten. Bei der Schweizer Armee ist sie Leiterin der Fachstelle Diversity. Ein aussergewöhnlicher Job. Die 33-Jährige ist dafür verantwortlich, dass Minderheiten den Militärdienst ohne Einschränkungen leisten können. Dass Veil sich im Job (und auch sonst) so ins Zeug legt, ist kein Zufall, sondern liegt in den Genen. Sie ist die Nichte von Marco Veil, Chef der Regionalpolizei Wohlen. Und ihr Vater ist Jörg Veil, der früher den Fahrhof in Wohlen leitete und heute Geschäftsführer der Robert Wild AG in Muri ist. Also alles Menschen, die voller Schaffenskraft stecken. --spr


Tanz auf vielen Hochzeiten

Die Freiämterin Marina Veil ist Leiterin der Fachstelle Diversity beim Schweizer Militär

Die Fahrwangerin Marina Veil hat viel zu erzählen. Die 33-Jährige ist Stabhochspringerin beim TV Wohlen, eine Sportexpertin und hat einen hochspannenden Job beim Schweizer Militär. Dass ihr Freund ein früherer Eishockeyprofi ist, verkommt zu einer Randnotiz.

Stefan Sprenger

Ein Mann im Körper einer Frau will die Rekrutenschule absolvieren. Einem «Transgender», wie es in der Fachsprache heisst, soll dies ermöglicht werden. «Dass dies auch klappt, liegt mitunter in meiner Verantwortung», erzählt Marina Veil und macht gleich ein Beispiel aus der Praxis.

Wo duscht ein Transmann oder eine Transfrau?

Es kommt immer wieder vor, dass sowohl Transfrauen (Männer, die sich zu Frauen angleichen lassen) als auch Transmänner (Frauen, die sich zu Männern angleichen lassen) Militärdienst leisten möchten. Je nach Stand der Angleichung eine komplexe Ausgangslage. Denn es stellen sich Fragen wie: Wo wird die Person einquartiert? Wo duscht sie? Bei den Männern oder bei den Frauen? Damit solche Fragen geklärt werden, gibt es Marina Veil. Sie ist die Ansprechstelle bei solchen Fragen – oder wenn mal etwas schiefgeht.

Seit April 2019 verfügt die Schweizer Armee über eine Fachstelle Diversity. «Sie setzt sich für die Chancengleichheit und die Vermeidung von Diskriminierung im unmittelbaren Dienstbetrieb ein und bietet allen Milizangehörigen die Möglichkeit, sich bei persönlichen Unsicherheiten oder Schwierigkeiten zu melden», heisst es im Beschrieb des Militärs. Die Leiterin der Fachstelle Diversity ist Marina Veil.

Kurz gesagt ist sie dafür verantwortlich, dass Minderheiten den Militärdienst ohne Einschränkungen leisten können. Sie kümmert sich auch um Menschen mit einem Handicap oder um Sexismus- und Rassismusvorfälle.

Der Frauenanteil im Militär soll steigen

Dem Schweizer Militär ist die Fachstelle Diversity ein grosses Anliegen. Auch weil bis zum Jahr 2030 der Frauenanteil auf 10 Prozent erhöht werden soll. In den beiden Rekrutenschulen 2020 waren von den rund 24 000 Rekruten, welche zur RS aufgeboten worden waren, 352 weiblich.

Bei ihrer Arbeit hat Veil oftmals mit Bundesrätin Viola Amherd zu tun. Sie ist auch in regem Kontakt mit anderen Interventions- und Beratungsstellen wie der Militärjustiz, der Armeeseelsorge oder den Militärärzten. «Der Job ist vielseitig, aussergewöhnlich und sehr spannend», sagt sie und erklärt: «Diversity kann am besten mit dem Begriff ‹Vielfalt› umschrieben werden. Vielfalt in Bezug auf Geschlecht und geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, Alter, Sprache, Physiologie und Psychologie, Kultur, ethnische und soziale Herkunft, Religion sowie sonstige Weltanschauungen und Lebensstile, die unsere Gesellschaft charakterisieren.» Diversity Management meint auch den bewussten, respektvollen und gewinnbringenden Umgang mit dieser Vielfalt innerhalb der Armee.

Nach wie vor beim TV Wohlen

Marina Veil ist in Fahrwangen und Meisterschwanden aufgewachsen. Schon früh ist sie dem Sport verfallen. Beim TV Wohlen betreibt sie seit ihrer Kindheit Leichtathletik. Auch heute noch läuft ihre Lizenz auf den TV Wohlen, obwohl sie mittlerweile im Kanton Freiburg wohnt und dort trainiert. «Ab und zu bin ich aber auch im Training in den Niedermatten in Wohlen dabei. Der TV Wohlen ist und bleibt mein Herzensverein», erzählt die Nichte von Regionalpolizei-Chef Marco Veil.

Veil machte selbst die Rekrutenschule, erlebte vereinzelt auch Sexismus. Dass sie jetzt als Leiterin der Diversity-Fachstelle genau für solche Fälle zuständig ist, ist für sie ein grosses Anliegen. «Was Rassismus oder Sexismus angeht, wollen wir eine Nulltoleranz.» Wenn sie heute irgendwelche Sprüche von Männern hört, reagiert sie mit Schlagfertigkeit.

Veil arbeitete sich im Militär empor bis zum Offizier. Sie hat den Bachelor in Medien- und Kommunikationswissenschaft und studierte parallel dazu auch noch Sport- und Bewegungswissenschaften an der Universität Freiburg.

Bei ihrem Sportstudium lernte sie auch Marc Abplanalp kennen. Er war bis vor wenigen Monaten Eishockeyprofi beim HC Fribourg-Gottéron. Sie erzählt von der Kennenlernphase. «Am Anfang war ich schon ein wenig skeptisch, als er sich bei mir zu Beginn der Semesterprüfungen nach einer Zusammenfassung für den Traumatologiekurs erkundigte, ohne dass er selbst jemals in einem der Kurse anwesend war. Ich realisierte da noch nicht wirklich, dass er Eishockeyprofi war.» Doch schnell entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden. Abplanalp gab Veil dann Nachhilfe im Eishockey, und sie erklärte ihm den Leichtathletik-Sport. Beides Fächer im Sportstudium. «Irgendwann wurde dann aus Freundschaft mehr und wir verliebten uns», sagt sie lachend. Heute sind sie verlobt und heiraten bald. Eine weitere Hochzeit also, auf der getanzt wird, dieses Mal die eigene.

Auch im Eishockey engagiert

Im Gespräch mit Marina Veil erlebt man nur schon in ihren Worten, was für ein riesiger Antrieb in ihr steckt. Sie ist enorm aufgeweckt, die Antworten kommen zackig und sind treffend. Auf die Frage, wie viele Fälle sie bei der Fachstelle Diversity pro Jahr behandelt, antwortet sie: «Angesichts der mehreren Tausend Rekruten, die pro Jahr einrücken, sind es wenig Vorfälle, die es zu behandeln gibt.» Ihr höchstes Ziel ist immer, dass alle, die das Militär machen wollen, es auch können – ohne Einschränkungen. «Auch Personen mit Besonderheiten sollen Militärdienst leisten dürfen. Es ist unsere Pflicht, dies zu gewährleisten», so Veil.

Die 33-Jährige hat schon ein neues Projekt am Laufen. Aktuell ist sie Konditionstrainerin des Eishockeyteams des SC Lyss aus der My-Sports-League. In Zukunft möchte die Sportexpertin auch in Sachen Trainingsplanung Gas geben. «Ich möchte es professioneller aufziehen, Trainings- und Ernährungspläne entwickeln und mit Spitzensportlern zusammenarbeiten.» Man ahnt es: Dieser Frau wird es in Zukunft nicht langweilig werden.


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