Eine grosse Tierliebhaberin

  06.08.2021 Region Oberfreiamt

Barbara Gruenhut lebt im Haus am Tierparkweg in Waltenschwil. Dort schlug der Dartpfeil ein. In der Sommerserie «Auf den Punkt» spricht die 58-jährige über ihre Leidenschaft für Zahlen und Tiere. «Ein Leben ohne meinen Beruf, meine Familie und meine Hunde könnte ich mir nicht vorstellen», meint sie. Obwohl sie viel Schlimmes in ihrer Kindheit erleben musste, hat sie ihre Begeisterungsfähigkeit nie verloren. --sus


Ein Kind des Prager Frühlings

Sommerserie «Auf den Punkt»: Barbara Gruenhut ist am Tierparkweg in Waltenschwil zu Hause

Seit 1998 lebt die Unternehmerin mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Waltenschwil. Drei Schäferhunde, zwei Prager Rattler und eine Katze gehören auch zur Familie. Neben Tieren sind Zahlen die grosse Leidenschaft von Barbara Gruenhut.

Susanne Schild

Tiefes Hundegebell ertönt hinter der Tür am Tierparkweg, als es klingelt. Beim Öffnen kommen ein Schäferhund, ein Prager Rattler und eine kleine Frau zum Vorschein. Sie lächelt freundlich. Der Anblick ist schon etwas bizarr. Der Prager Rattler ist gerade einmal so gross wie eine Katze und der Schäferhund geht Barbara Gruenhut fast bis zur Hüfte.

Der Dartpfeil hat auf der Karte den Tierparkweg getroffen. Unweit vom Tierpark mit den bekannten Damhirschen am Waldrand von Waltenschwil. Einen kleinen Tierpark hat Barbara Gruenhut selbst zu Hause. «Mit meinen drei Schäferhunden, meinen zwei Prager Rattlern und einer Katze lebe ich genau richtig am Tierparkweg», meint sie lachend.

Dramatische Erlebnisse in der Kindheit

Erlebt hat die 58-Jährige schon viel. Neben ihren Tieren und ihrer Familie sind Zahlen ihre grosse Leidenschaft. Barbara Gruenhut scheint eine lebensfrohe Frau zu sein. Doch die Erinnerungen an ihre Kindheit sind alles andere als glücklich. Geboren wurde sie 1963 in Neutitschein in der Tschechoslowakei. Ihr Vater war Tierarzt. In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes. Es war die grösste Militäroperation in Europa seit 1945. Bekannt auch als «Prager Frühling». Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen der Zivilbevölkerung und den Invasoren. Am ersten Tag des Einmarschs starben 23 Menschen. Bis zum 1. September kostete der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes 71 Tschechoslowaken das Leben.

«Darunter waren auch meine beste Freundin und die meiner Schwester. Damals war ich fünf Jahre alt und beide wurden vor unseren Augen bei einem Attentat erschossen», erinnert sie sich mit brüchiger Stimme zurück und immer noch muss sie die Tränen zurückhalten. «Der Schmerz sitzt immer noch sehr tief.» Über Nacht flüchtete sie mit ihrer Familie darauf hin nach Österreich zu ihrer Grossmutter. Danach bauten sie sich in Bayern ein neues Leben auf.

Der Hund als bester Freund

«Im Kinderwagen konnte mich meine Mutter überall alleine stehen lassen. Unsere Schäferhündin hat mich bewacht», erzählt sie. Bei ihrer Flucht nach Österreich liessen sie die Hündin mit ihren drei Jungen bei ihrem Nachbarn in der Tschechoslowakei zurück. Drei Monate später brachte dieser die Hündin mit ihren drei Jungen an die «grüne Grenze», das «Niemandsland zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei» wie es Barbara Gruenhut bezeichnet. «Mein Vater pfiff und kurze Zeit später kam unsere Schäferhündin mit ihren drei Babys angerannt und wir waren wieder vereint. Der Hund ist eben der beste Freund des Menschen.»

Buchhalterin mit Herzblut

Ursprünglich ist sie Hotelbetriebswirtin. Doch die Steuerangelegenheiten waren schon immer ihre Leidenschaft. «Für meinen Vater erledigte ich die Buchhaltung für seine Tierarztpraxis. Als er mir zu Weihnachten 1976 einen Stempel mit ‹Soll›» und ‹Haben› schenkte, war ich überglücklich.» Endlich musste sie nicht mehr von Hand schreiben, sondern durfte stempeln. «Mein Vater konnte mein Entzücken gar nicht nachvollziehen, doch ich habe mich noch drei Jahre später über das Geschenk gefreut.» Sie entschied sich, eine Ausbildung zur internationalen Steuerexpertin zu machen. Als sie die Liebe in die Schweiz verschlug, machte sie hier den Steuerfachausweis.

Missstände aufdecken

«Mich erfüllt es, anderen zu helfen, Missstände aufzudecken und alles ins Reine zu bringen. Einfach mit Menschen zu arbeiten.» 2015 gründete sie ihr eigenes Unternehmen, die Bag Tax GmbH in Waltenschwil. Mit die grösste Herausforderung in ihrem Berufsleben sei Corona gewesen. «Die ständigen Änderungen. Was gestern galt, war übermorgen schon nicht mehr aktuell.» Ausserdem seien die Informationen vonseiten Bund und Kanton schlecht gewesen. «Das Schlimmste für mich war, dass die Existenz vieler meiner Klienten bedroht war und bei einigen immer noch bedroht ist.» Viele hätten überhaupt noch keine Hilfe bekommen, so die Expertin. Stolz ist sie darauf, dass ihr Sohn Kevin vor Kurzem ihr Unternehmen übernommen hat. «Es ist schön, zu sehen, dass das, was man aufgebaut hat, weitergeht. Dass man sein Fachwissen weitergeben kann.»

Viel Spannendes gab es hinter der Tür am Tierparkweg zu erfahren. Über die kleine Frau mit einem grossen Herz und vielen Erinnerungen und zwei grossen Leidenschaften: Zahlen und Tiere.


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