Nach dem Krimi ins Feierglück

  29.06.2021 Sport

Der FC Mutschellen feiert eine rauschende Party zum Aufstieg in die 2. Liga interregional

Was musste der FC Mutschellen zittern für diesen Meistertitel und den Aufstieg. Im alles entscheidenden und ultraspannenden Spiel gegen den FC Othmarsingen (0:0) will das Runde einfach nichts in Eckige. Dafür kracht es an der Aufstiegsparty umso mehr.

Stefan Sprenger

90. Minute. Nico Stadelmann liegt mit Gelb-Rot vom Platz. Der Schiedsrichter leistet mit einer durchzogenen Leistung seinen Beitrag zur kochenden Atmosphäre. Kurios: Als Stadelmann das Foul begeht, schaut der Schiedsrichter in eine andere Richtung. Für Stadelmann, vor gut zehn Jahren im Profikader des FC Wohlen in der Challenge League, ist dieser Platzverweis trotzdem der Startschuss in ein unvergessliches Party-Wochenende. Denn wenige Sekunden später ist Schluss. Der 30-jährige Stadelmann holt sich seinen Sohn und feiert gemeinsam mit dem Team den Aufstieg. Nach einer durchzechten Nacht wird er am Samstagmorgen zu spät zu seinem eigenen Polterabend erscheinen. Es sei ihm verziehen.

Dieser Abend auf der Burkertsmatt lieferte so einiges an guten Geschichten. Beispielsweise Trainer Sergio Colacino. Ein wahrer Fussballkenner. Sympathisch, zielorientiert, genü- gend Nähe zum Team und trotzdem eine Respektsperson. Der Lehrer aus Wohlen, der Bier nicht mag, sagt Minuten nach dem Schlusspäff: «Ich bin ein stiller Geniesser und trinke heute Abend nur Ananassaft.»

Die Leistung in diesem alles entscheidenden Spiel ordnet er ein unter: «Nicht schön, aber defensiv hervorragend.» Seiner Mannschaft kann man vorwerfen, dass sie vor dem Tor die Nerven verliert. Ob Vincenzo Merendino, Timon Groth oder Roger Pfyl: Allesamt vergeben sie beste Torgelegenheiten. Oder wie es Colacino sagt: «Wir haben die Kiste nicht gemacht.»

In der Defensive zeigt sich das Team allerdings enorm souverän. Der FC Othmarsingen verfügt mit Dölf Bieri und Estany De Sousa (beides frühere FC-Wohlen-Spieler) über zwei Ausnahmekönner. Sie werden abgemeldet von der Mutscheller Defensive. Solidarisch wird um jeden Ball gekämpft. Die Othmarsinger, die unbedingt gewinnen mussten, um nicht abzusteigen, haben im Angriff keinerlei Luft. Torchancen? Fehlanzeige.

Nächste Saison gegen Muri

Trotzdem wurde es vielen FC-Mutschellen-Fans im Verlaufe der Partie immer mulmiger. Ein Tor des FC Othmarsingen, und Suhr hätte den Aufstieg bejubelt, während die Mutscheller ins Tal der Tränen gestürzt wären. Gleichzeitig hätte sich das Team von Trainer Emilio Munera mit einem Tor den Ligaerhalt gesichert. Und gemäss Fussballerweisheit ist es ja so, dass man hinten eines kassiert, wenn man sie vorne nicht macht. «Das dachte ich auch», sagt Colacino und fügt an: «Es ist ein klares Zeichen für ein intaktes Team, wenn man solche Situationen meistert.»

Ein gutes Zeichen auch für die kommende Saison? «Ja», meint der 43-Jährige. «Wir haben den Biss und die Qualität, um eine Liga höher bestehen zu können.» Das Ziel ist für ihn in der 2. Liga interregional jetzt schon definiert: «Das Team voranbringen.» Colacino, der als früherer FC-Muri-Spieler vermutlich auf sein altes Team und seinen Freund Piu (FC-Muri-Trainer) in der 2. Liga interregional trifft, ist einfach nur froh, diesen Moment erleben zu dürfen. «Sensationell. Diese Jungs, dieses Team, dieser Verein, einfach wunderschön.» FC-Mutschellen-Präsident Pietro Bascio ist überglücklich und meint nüchtern: «Die Jungs sind aufgestiegen. Und wir im Vorstand versuchen das Umfeld zu optimieren.»

«Unglaublich unbeschreiblich»

Nach dieser kuriosen Coronasaison mit nur 14 Spielen und einer siebenmonatigen «Vorbereitung» auf die Rückrunde jubelt am Ende diejenige Mannschaft, die bis zum Unterbruch im Oktober hervorragend aufspielte. Acht Siege, vier Unentschieden, zwei Niederlagen. Die Breite im Kader der Mutscheller hat den Unterschied gemacht. Der Zusammenhalt und die Disziplin sorgten dafür, dass der FC Mutschellen in den verbleibenden zwei Spielen nach dem Re-Start trotz Rückschlägen (0:1 gegen Gontenschwil und 2:5 im Cup gegen Frick) fokussiert und diszipliniert blieb. «Wir haben immer an uns geglaubt», so Colacino im Freudentaumel. Nach einer nervenaufreibenden und hochspannenden Partie sagt Colacino am Ende zu diesem erkämpften 0:0: «Ein wundervoller Sieg. Dieses Team liegt mir sehr am Herzen.»

Mutschellen machte es unnötig spannend. So sieht es auch Roger Pfyl. «Das war nichts für schwache Nerven.» Auch er hat eine Grosschance liegen gelassen. «Heute ist mir das ausnahmsweise egal», lacht er. Der Ausnahmefussballer Roger Pfyl versuchte vor zwei Jahren sein Glück beim FC St. Gallen und war auf gutem Weg ins Profifussballgeschäft. Doch er wollte zurück zum FC Mutschellen, zurück nach Hause. Jetzt wird er 2.-Liga-Meister, feiert den Aufstieg und steht gemeinsam mit Bruder Patrick Pfyl auf dem Rasen. «Ich spiele mit lauter Kollegen und meinem Bruder, an der Seitenlinie jubeln Freunde und Familie. Und wir feiern hier gerade einen gigantischen Erfolg. Sorry, das ist einfach ein Riesengefühl, unglaublich unbeschreiblich», sagt Pfyl, der beim FC Mutschellen ein Juniorenteam trainiert. In der höheren Liga müsse man «einen Zacken zulegen». Er selbst bleibt natürlich treu. «Mein Zuhause, ich bleibe hier», sagt er und lächelt zustimmend, als er gefragt wird, ob er einen Lebensvertrag beim FC Mutschellen unterschrieben hat.

Meistergrüsse von Matthias Hüppi

Nach Spielschluss geht die grün-weisse Party so richtig los. Es knallen die Champagnerkorken und es fliesst das Bier. Die Burkertsmatt wird zu einer riesigen Festhütte. Eine ganze Region feiert diesen historischen Aufstieg. Das Team ging später in die Stalden-Bar. Captain Manuel Brunner und der Freiämter Flügel-Gott Thierry Huber zapften hinter der Bar das Bier, Merendino zeigt seine Qualitäten als DJ, Trainer Colacino wird lautstark gefeiert – und es kommen sogar Spieler des FC Othmarsingen vorbei, die aber mehr ihren Abstiegsfrust als ihre Lust begossen haben. Wie lange die Partynacht dauerte, kann niemand mehr genau sagen. Der Pokal landete aber – wie schon beim Aufstieg in die 2. Liga – im Bett von Ex-Präsident Thomas Kälin.

Und als Sahnehäubchen gab es ein SMS des FC-St.-Gallen-Präsidenten Matthias Hüppi, der nach wie vor beste Kontakte zu seinem früheren Wohnort und zweitliebsten Verein hat. «Herzliche Gratulation, das ganze Team ist eingeladen.» Zu Wurst, Bier und einem Matchbesuch im St. Galler Kybunpark.


Munera und Othmarsingen

Emilio Munera, Trainer des FC Othmarsingen, war nach dem Spiel enttäuscht. «Gratulation an den FC Mutschellen. Das beste Team ist aufgestiegen.» Zu seinem Team meint er: «Ich bin trotz Abstieg stolz. In den letzten Monaten haben wir sehr gut gearbeitet und viel probiert, leider hat es am Ende nicht gereicht.» Der Abstieg in die 3. Liga ist besiegelt. Ob Munera Trainer bleibt? «Sportchef Beat Dünki hat nicht mit mir geredet. Ich denke nicht.» --spr


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