Ganz viel Brügglifeld-Power

  04.05.2021 Sport

Fussball, Schweizer Cup: Die Freiämter beim FC Aarau vor dem Halbfinal heute Dienstag gegen Luzern (17.30 Uhr, live SRF)

16 Jahre ist es her, dass der Kanton Aargau letztmals in einem Halbfinal des Schweizer Cups vertreten war. Die Partie des FC Aarau gegen den FC Luzern von heute Abend ist also ein fussballhistorisches Ereignis. Und es ist Zeit, die Freiämter im Brügglifeld etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Es sind überraschend viele Akteure mit Bezug zur Region.

Stefan Sprenger

Nach dem überzeugenden 2:1-Sieg des FC Aarau gegen Tabellenführer GC sind die Barragespiele nach wie vor im Bereich des Möglichen. Dieser Erfolg zeigt, dass die Mannschaft aus dem Brügglifeld auch im Halbfinal des Schweizer Cups (heute Dienstag, 17.30 Uhr, live SRF) sich nicht vor dem oberklassigen FC Luzern verstecken muss. Den Höhenflug der Aarauer und den historischen Cup-Halbfinal nimmt diese Zeitung als Anlass, um etwas genauer ins Brügglifeld zu schauen. Schnell wird klar: Beim FC Aarau gibt es so einiges an Freiämter Power.

Tahiraj, der Goalietrainer

Angefangen an der Seitenlinie. Seit drei Saisons ist Flamur Tahiraj Goalietrainer. Von seinen vierzehn Jahren als Profi verbrachte er sieben beim FC Wohlen. Für den Dagmerseller wurden die Niedermatten zu einem «zweiten Zuhause», wie der heute 34-Jährige sagt. Der zweifache Familienvater fühlt sich heute beim FC Aarau pudelwohl. «Es ist mein Traumjob», meint er. Er betreut alle Profi-Torhüter und hilft auch mal im Nachwuchs aus.

Seine Nummer 1 im Tor ist Simon Enzler. «Er macht starke Fortschritte. Enzler wird auch heute Abend gefordert sein», so Tahiraj, der bei jedem Spiel auf der Bank sitzt. Vor dem Duell gegen den FC Luzern sagt er: «Solche Spiele müssen wir geniessen. Es ist ein Riesen-Dessert. Der Druck liegt bei Luzern.» Mit dem FC Wohlen traf er in seiner Aktivkarriere einige Male im Schweizer Cup auf grössere Gegner. Ob Sion, Zürich, Luzern, GC oder Basel: Der FC Wohlen spielte jeweils stark auf, doch es reichte nie zu einer Überraschung. Immer gab es eine knappe und ehrenvolle Niederlage. «Wir sind in einer tollen Verfassung und so nahe am Final, wir wollen nicht nur mitspielen, wir wollen gewinnen», sagt Tahiraj klar.

Fischer, der Co-Trainer

Eine weitere prägende Figur an der Seitenlinie ist der Assistent von Trainer Stephan Keller. Im Freiamt kennt man ihn bestens: Nobi Fischer. Zwischen 2007 und 2012 war Fischer der sympathische und erfolgreiche Trainer des FC Muri. Unter ihm feierte man 2011 im Stadion Brühl den Aufstieg in die 1. Liga. «Natürlich habe ich wunderbare Erinnerungen an diese Zeit. Ich durfte viele Erfahrungen sammeln. Beim FC Muri sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten», so der 43-Jährige. Heute lebt er in Williberg, der kleinsten Gemeinde im Kanton Aargau. Nach einer Zeit im Freiamt ging der dreifache Familienvater zum Team Aargau und schliesslich war er zwischen 2014 und 2018 beim FC Luzern in der Super League als Konditionstrainer angestellt.

Fischer ist ein leidenschaftlicher Fussballfanatiker und ein positiver Typ. Das war er schon beim FC Muri und das ist er bis heute geblieben. Seine Meinung zur Saison des FC Aarau: «Trotz Umbruch gibt es viel Positives, die Entwicklung stimmt.» In der Meisterschaft hat man fünf Punkte Rückstand auf den Barrageplatz (bei vier ausstehenden Spielen) und steht zudem im Cup-Halbfinal. «Es ist Mai und wir sind in beiden Wettbewerben dabei, das ist toll. Jetzt geht es um die Wurst», sagt Fischer. Der Co-Trainer lobt das Team für die starke Saison in der Challenge League, zeigt sich aber auch kritisch: «Wir haben schon viel erreicht. Doch es wäre mehr möglich gewesen. In einigen Spielen haben wir Punkte leichtfertig verschenkt.»

Heute Abend geht es für Nobi Fischer gegen seinen Ex-Club Luzern. Mit den Innerschweizern stand Konditionstrainer Fischer zwei Mal in einem Halbfinal des Schweizer Cups. Doch gegen Lugano und Sion reichte es damals beide Male knapp nicht ins Endspiel. Jetzt will er endlich in den Final. «Wir wollen alles raushauen, was wir haben. Der FC Aarau ist klarer Aussenseiter und ein Sieg wäre eine grosse Überraschung. Ich glaube aber an unsere Chance. Wenn wir es schaffen, dann wäre das eine wunderbare Geschichte.» Nobi Fischer, der noch in einem Teilpensum als Sportlehrer an der Berufsschule in Aarau arbeitet, weiss aus Erfahrung, dass es auch eine riesige Chance für den FC Luzern ist. «Sie sind seit Jahren scharf auf einen Titel. Sicher ist: Wenn Luzern in den Final will, dann muss er sich das verdienen.»

Thaler, der Verletzte

Ebenfalls nur zusehen muss Marco Thaler. Der 26-jährige Innenverteidiger startete seine Karriere beim FC Wohlen und gehört seit 2014 zum Kader des FC Aarau. Der Wohler galt schon früh als grosses Talent, der FC Aarau erkannte dies. In den letzten Jahren hatte er immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen, trotzdem hat der Verein zu ihm gehalten. Momentan ist er nach seinem zweiten Kreuzbandriss in der Aufbauphase und wird ab nächster Saison wieder voll angreifen. Marco Thaler hat einen Vertrag bis ins Jahr 2022 und sagt vor dem Duell gegen Luzern: «Es ist ein Highlight und bedeutet uns sehr viel. Wir haben gezeigt, dass wir sehr guten Fussball spielen können, und müssen dies nun erneut zeigen. Wenn das gelingt, wird es sehr schwer für Luzern, uns am Finaleinzug zu hindern. So überzeugt bin ich von unserer Qualität.»

Sucht man weiter nach Freiämtern beim FC Aarau, wird man auch in der Vereinsführung fündig. Da wäre einerseits Präsident Philipp Bonorand. Er lebte lange Zeit in Auw und ist heute noch Chef der im Dorf ansässigen Multiforsa AG. Vor dem Cupspiel sagt er: «Wir haben nichts zu verlieren.» Auch Sportchef Sandro Burki hat starke Beziehungen ins Freiamt. Als Verwaltungsratspräsident der Marco Polo Apartments AG ist er oft in den Hotels und Restaurants in Wohlen und Bremgarten anzutreffen und pflegt dazu mit dem früheren FC-Wohlen-Captain Alain Schultz eine Freundschaft. Auch die Medienverantwortliche Olivia Hagenbuch ist quasi eine Freiämterin. Das sagt schon ihr Nachname. Hagenbuchs Heimatort ist Oberlunkhofen und sie hat noch einiges an Verwandtschaft in der Region.

Zwei Freiämter haben Chancen auf einen Einsatz

Rauf auf den Fussballrasen. Beim FC Aarau hat es neben dem verletzten Marco Thaler weitere Freiämter im Kader dabei. Marvin Hübel (aus Tägerig) und Uka Gentrim (Wohlen) sind zurzeit an den FC Baden ausgeliehen. Mittelfeldspieler Flavio Caserta gilt als grosses Talent. Er ist in Hermetschwil-Staffeln aufgewachsen und seit einem halben Jahr in Rottenschwil wohnhaft. Caserta, dessen ganze Familie mit dem FC Wohlen verbunden ist, durchlief die Juniorenstufen in den Niedermatten. In der Ausgabe vom vergangenen Freitag wurde seine Geschichte detaillierter erzählt. «Für mich ist dieser Cup-Halbfinal natürlich etwas ganz Grosses», meint der 17-Jährige. Er hofft auf einen Teileinsatz gegen Luzern.

Der einzige Freiämter, der (mit grosser Wahrscheinlichkeit) zum Einsatz kommen wird, ist Abwehrspieler Jérôme Thiesson. Der 33-Jährige lebt seit 2015 in Rudolfstetten. Er meint: «Wir gehen als Aussenseiter in die Partie, wollen aber unsere Chance packen. Wir haben uns dieses Spiel verdient.» Der FC Aarau hat auf dem Weg in diesen Cup-Halbfinal zwei Challenge-League-Teams (Wil und Winterthur) geschlagen. Und – als wohl grösstes Husarenstück – auch den Super-League-Verein aus Sion aus dem Wettbewerb geschossen. Thiesson sagt: «Dieses Spiel ist ein riesiges Highlight, eine einmalige Chance. Die ganze FC-Aarau-Familie kann diese tolle Saison vergolden», so Thiesson. «Wir hoffen, dass nach dem Halbfinal unsere Fans jubeln können.» Das Freiamt würde ebenfalls mitfeiern.


Simon Grether: «Das wird hart»

Auch beim FC Luzern hat es einen Spieler mit Vergangenheit im Freiamt. Verteidiger Simon Grether spielte zwischen 2014 und 2016 beim FC Wohlen und absolvierte 51 Partien für das Challenge-League-Team. Er wechselte danach zum FC Luzern, wo er bis heute noch spielt. Er sagt vor dem Cup-Duell gegen den FC Aarau: «Es wird ganz sicher ein hartes Stück Arbeit im Brügglifeld. Wir müssen in erster Linie auf uns schauen und unser Spiel durchziehen. Wenn uns das gelingt, werden wir gute Chancen haben, uns zu qualifizieren», so der 28-Jährige. Ob er mitspielen wird, weiss er nicht: «Das wird die Entscheidung des Trainers sein. Ich bin bereit, wenn es mich braucht.» --spr


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