Der Wahrheit auf der Spur

  04.05.2021 Bremgarten

Junge Bühne: Gelungene Premiere der Eigeninszenierung als szenische Ausstellung

«Wahrheit» heisst die diesjährige Eigeninszenierung der Jungen Bühne im Kellertheater. Sowohl Liveauftritte als auch visuelle und Audio-Installationen fordern das Publikum.

André Widmer

Da ist Carolines Zimmer: Der Pinocchio – mit seiner langen Nase das Synonym für Lügen – sitzt auf einem Möbel. Auf dem Sessel liegt ein Smartphone, das aufleuchtet, wenn im Chat wieder eine Meldung eingetippt wurde. Doch die Hauptperson fehlt. Dafür erzählen unterschiedliche Personen, wie der Charakter, um den es geht, langsam in Verschwörungstheorien abdriftet. Die Hintergrundmusik gibt geradezu die bleierne Zeit wieder, die so mancher in den letzten Coronamonaten erlebt haben dürfte.

Da ist die Doppelbox, wo die Darsteller Valery David Fricker, Silvan Melchior und Angela Villiger unterschiedliche Biografien erzählen und zwei unterschiedliche Situationen aufführen – und zuletzt nicht nur die von den Protagonisten gestellten Fragen übrig bleiben. Und da ist der Entscheidungskrimi: Nach dem Diebstahl der Pegasus-Figur vom Kreisel auf der Bremgarter Umfahrungsstrasse können die Zuschauer den Ermittler auf die eine oder die andere Fährte schicken, um den Täter zu überführen. Nicht nur hier ist das Publikum involviert: Bei «in vino veritas» darf man mit «Barfrau» Barbara Berner ins Gespräch kommen, ohne sich einen Bären aufbinden zu lassen.

Logistische Herausforderung

Acht Szenenboxen, ein in Gruppen aufgeteiltes Publikum auf Wägeli, sowohl Videoinstallationen als auch Liveauftritte: Die Junge Bühne hat im Kellertheater eine technisch und logistisch anspruchsvolle Eigeninszenierung auf die Beine gestellt. Logistisch, weil das Publikum von Bühne zu Bühne gefahren wird. Im ersten Stock werden die Besucher in Empfang genommen, warten coronakonform mit Abstand im Wartebereich, damit sie sich auf die Wägeli setzen dürfen und via Lift ins Theater gelangen, wo pro Bühne dann zwei bis vier Wägeli platziert werden. Rund acht Minuten dauern die Performances pro Szenenbox, dann wird das Publikum disloziert – nach einem ausgefeilten Platzierungsplan. Man ist also der Wahrheit auf der Spur – auch logistisch. Technisch anspruchsvoll ist die Inszenierung, weil in einigen Szenenboxen mit Videoinstallationen oder gar einer diverse Bildschirme umfassenden Wand bei «Fake News!» gearbeitet wird. Der einzelne Zuschauer setzt bei diversen Szenenboxen den Kopfhörer auf. Das ist nötig, damit sich die benachbarten Boxen nicht gegenseitig übertönen. Als Zuschauer ist man aufgrund dieser Konstellation der szenischen Ausstellung deshalb auch bezüglich Konzentration gefordert – und inhaltlich bei vielen der Szenen zudem auch intellektuell. «Wahrheit» ist eine gelungene Herausforderung für die Sinne, für Auge, Ohr und Verstand. Denn dem Ensemble mit dem künstlerischen Leiter Simon Landwehr ist es in diesen nicht einfachen Zeiten gelungen, eine tolle Eigeninszenierung auf die Beine zu stellen, die das Publikum miteinbindet. Die szenische Ausstellung ist ein Gesamterlebnis.

Positive Rückmeldungen
Die kurzen Elemente sehr spannend fand Besucher Lukas Riesen. «Anders, als man es sich gewohnt ist.» Man habe auch die Kapazität gehabt, zu beobachten, was neben den Szenen so lief. Schauspieler Silvan Melchior wiederum bilanzierte: «Es war eine unerwartete Premiere, vor drei Wochen hatten wir nicht damit gerechnet. Es ist eine Erleichterung, dass alles geklappt hat. Es hat Spass gemacht, auf der Bühne zu stehen», so Melchior. Simon Landwehr, der künstlerische Leiter, zeigte sich ebenfalls zufrieden. «Es ist alles gut gelaufen und wir hatten positives Feedback von den Zuschauern. Die Junge Bühne hat mit «Wahrheit» gleichsam nicht nur für sich, sondern auch für das Programm im Kellertheater generell den Auftakt für den Schlussspurt der Saison gemacht. Dies, nachdem in den letzten Monaten aufgrund der Schutzmassnahmen gegen die Coronapandemie der Publikumsbetrieb leider nicht möglich war. Vor einem Jahr musste die Junge Bühne zunächst abbrechen, startete im Herbst erneut. Und wusste erst vor wenigen Wochen dank den vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen, dass es nun im Frühjahr wieder möglich sein wird, wenn auch vor einem anzahlmässig limitierten Publikum aufzutreten. Pro Aufführung werden im Kellertheater lediglich 32 Zuschauer zugelassen.

Es sind weitere Aufführungen geplant. Und zwar heute um 19.45 Uhr sowie am 5., 7., 8., 10., 11., 14., 15., 18., 19. und 21. Mai jeweils auch um 19.45 Uhr sowie am 16. Mai um 16 Uhr.

Plätze müssen online gebucht werden unter www.kellertheater-bremgarten.ch. Es besteht ein Schutzkonzept.


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