Den Moment festhalten

  30.04.2021 Region Unterfreiamt

Seit zwei Jahrzehnten ist Daniela Frutiger auf den Sportplätzen der Schweiz mit ihrer Kamera unterwegs und fängt besondere Momente ein. Die 46-jährige Villmergerin erzählt aus ihrem Alltag als Geschäftsführerin von Freshfocus. Angefangen hat alles in Bremgarten. Bei Foto Dubler AG hat sie ihre Lehre als Fotofachangestellte absolviert. --spr


Das beste Bild im Fokus

Die Villmergerin Daniela Frutiger ist die Geschäftsführerin der grössten Schweizer Sportfoto-Agentur

Sie ist bei den grössten Sportevents des Landes immer ganz nahe dran, das Objektiv auf die besten Momente ausgerichtet. Fotograln Daniela Frutiger ist die Geschäftsführerin von Freshfocus und freut sich, dass der Betrieb trotz Corona funktioniert.

Stefan Sprenger

Ein Morgenessen mit Roger Federer in Holland, ein «Ausflug» mit dem FC Basel in die unaussprechliche Stadt Dnipropetrowsk in der Ukraine oder eine Woche unterwegs mit der Tour de Suisse. Daniela Frutiger hat in ihrer Karriere als Sportfotografin schon vieles erlebt. «Für ein gutes Bild muss man nahe dran sein», sagt die 46-Jährige.

Lehrzeit in Bremgarten

Medienkenner schauen, wer jeweils das Bild zu einem Artikel geliefert hat. «Freshfocus» steht oft als Bildautor bei einem starken Sportbild. Was kaum jemand weiss: Die Firma und die Geschäftsführerin sind in Villmergen zu Hause. Fotografen rücken sich selbst nie in den Mittelpunkt. «Wichtig ist, dass unsere Bilder Emotionen und Momente wiedergeben», erzählt Daniela Frutiger.

Aufgewachsen ist sie in Villmergen, und noch heute wohnt sie im Elternhaus, gleich neben der Garage Robert Huber AG. Ebenfalls gleich um die Ecke ist das Büro von Freshfocus, eingemietet im Gebäude der Xaver Meyer AG.

Dass sie einmal Geschäftsführerin der grössten rein schweizerischen Sportfoto-Agentur werden würde, ist purer Zufall. Vor rund 25 Jahren machte sie die Lehre als Fotofachangestellte bei der Foto Dubler AG in Bremgarten. Der Freiämter Fotograf Andy Müller, der damals für «Reuters» arbeitete, entwickelte seine «C-41»-Fotonegative in Frutigers Lehrbetrieb. «Weil das jeweils eine Viertelstunde dauerte, habe ich oft mit Andy Müller geredet», erzählt sie lachend. Eine Freundschaft entsteht.

Und Andy Müller nimmt die junge Fotografin mit an ein Fussballspiel der Grashoppers. «Wer der Gegner war, weiss ich nicht mehr, aber Kubilay Türkyilmaz spielte noch. Das muss also zwanzig Jahre her sein.» Müller gründet später die Agentur «EQ Images» und Frutiger steigt mit ein. Sie fotografiert Fussball, Eishockey, Tennis, Radfahren, Handball oder Unihockey. «Alles, was gerade gefragt war.» Auch für diese Zeitung lieferte sie vor 20 Jahren (damals unter ihrem Ledignamen Zumbrunnen) unzählige tolle Sportbilder – und tut das bis heute.

«Wie so vieles hat es mit Andy Müller zu tun»

Vor 10 Jahren wird «EQ Images» von «Keystone» übernommen. Andy Müller gründete mit anderen Fotografen die Agentur «Freshfocus» im Jahr 2011. Natürlich ist Frutiger wieder dabei. 2019 wird Müller pensioniert. «Jemand musste den Laden übernehmen», sagt Frutiger. Und der Jemand, das war sie. Lachend meint sie: «Wie so vieles in meinem Berufsleben hat auch dieser Schritt mit Andy Müller zu tun. Ich bin ihm sehr dankbar.»

Was Frutiger ein klein wenig besser beherrscht als ihr Mentor Andy Müller ist das Verhandeln mit den Kunden. Früher, in nostalgischen Fotografiezeiten, ging man einfach an einen Sportanlass, fotografierte und bot die Bilder den Zeitungen an. Fotografen lebten grösstenteils von der Hand in den Mund, der Machtkampf untereinander war gross. «Diese Zeiten sind vorbei.» Heute braucht es eine enge Zusammenarbeit mit den Verbänden und den Klubs, Foto-Abonnements für Zeitungen und eine klare Geschäftsstruktur. «Man muss flexibel sein und auf die Bedürfnisse der Kunden achten.» Das gibt auch Planungssicherheit. Anders könnte Freshfocus mit seinen sieben Fotografen nicht überleben.

«Viele Fotografen sind geschieden»

Viele kleinere Zeitungen sind im Laufe der Jahre verschwunden respektive wurden von einem grossen Medienhaus aufgekauft. So werden zwangsläufig weniger Bilder verkauft. Da braucht es viel Innovation, um diesen Trend zu überleben. «Unser Vorteil ist, dass wir uns sehr auf den Schweizer Sport spezialisiert haben und Dinge abdecken, die keine andere Agentur macht.» An jedem Schweizer Super- oder Challenge-League-Spiel ist Freshfocus dabei, genauso wie in der höchsten Eishockey-Liga. Auch Handball und Tennis sind aktuell hoch im Kurs.

Seit zwanzig Jahren ist sie als Fotografin tätig. «Und ich habe an so ziemlich jedem Wochenende gearbeitet», wie sie sagt. Es ist ihre Leidenschaft und ihre Berufung. Wichtig: In all den Jahren hatte sie den Rückhalt ihrer Familie. «Viele Fotografen, die ich kenne, sind geschieden», meint Frutiger. Der Grund: «Am Wochenende und am Abend, wenn alle anderen frei haben, dann ist der Fotograf am Arbeiten.» In ihrem Fall war das nie ein Problem. Ihr Mann Daniel Frutiger (aus Benzenschwil) ist ein Sportfan und kam öfters und gerne an ihre Einsätze an den Sportevents mit. Auch ihre Eltern unterstützen sie. Daniela Frutiger hat zwei Kinder. Diana ist 17 Jahre alt und Fiona 14. «Fotografin, Ehefrau und Mutter, das war manchmal ganz schön stressig.»

Nur eine Zeitung in Papierform – der «Wohler Anzeiger»

Aber sie hat es gepackt – und wie. Frutiger liefert ein paar eindrückliche Zahlen. Das Archiv von Freshfocus hat über 800 000 Bilder. Alleine im letzten Monat April verkaufte die Agentur an «20 Minuten» 114 Bilder, an den «Blick» 121 und der «Luzerner Zeitung» 46. Viele der Tageszeitungen haben ein Abonnement gelöst, dies macht es wesentlich einfacher zu planen. Übrigens: Bei der Abrechnung (an jedem Montagmorgen) kontrolliert sie jeweils von Hand alle Zeitungen des Landes auf die Freshfocus-Bilder. «Alles via E-Paper», wie Frutiger sagt. «Bis auf eine Ausnahme.» Die einzige Zeitung, die sie noch physisch in Händen hält, ist der «Wohler Anzeiger». Dies aus einfachem Grund: «Weil ich sie lese und mich interessiert, was im Freiamt geschieht.» Dass sie die Wahrheit sagt, zeigt der Stapel mit dem Altpapier. «Siehst du, nur ‹Wohler Anzeiger›», sagt sie lachend.

Die Coronapandemie hatte kaum negative Folgen für das Unternehmen. «Der Arbeitsalltag hat sich ein bisschen verändert. Aber die Kunden blieben treu und der Sport in den höchsten Ligen pausierte nur kurz», so Frutiger. Ausserdem kam ihr Geschäftsmodell mit den Foto-Abonnements für Zeitungen dem Betrieb in diesen Zeiten sehr zugute.

Als Alex Frei auf sie sauer war

Daniela Frutiger könnte noch stundenlang über ihre Erlebnisse auf den Sportplätzen berichten. Sie erzählt, wie einst Fussballer Alex Frei stocksauer auf sie war, weil sie ihn mit dem Handy am Ohr ablichtete. «Heute grüsst er mich wieder.» Oder wie sie sich an den Fussballspielen jeweils über ihre Fotografen-Kollegen nervt, die bei einem Tor mitjubeln oder den Schiedsrichter beleidigen. «Wir sind zum Arbeiten da, nicht zum ‹Fänen›.» Frutiger fotografiert am liebsten Tennis. Die Stimmung sei ruhig und nobel. Schwingen mag sie hingegen weniger. «Zu hektisch, zu weit weg.»

Bild soll Geschichte erzählen

Die Expertin wird am Ende des Gesprächs noch gefragt, was für sie denn ein richtig gutes Bild ausmacht. Ihre Antwort: «Wenn ein einziges Bild die Geschichte eines ganzen Spiels erklären kann und auf einen Blick mehrere Dinge aussagt.»

Man muss nahe dran sein, um genau solche Momente einzufangen. Aber manchmal braucht es auch ein wenig Distanz. Wie 2003. Die Schweizer Nati qualifiziert sich für die Europameisterschaft. Nach Schlusspfiff stürmen die Spieler jubelnd aufs Feld. Alle Fotografen hinterher. Nicht so Daniela Frutiger. Sie war damals schwanger und wollte nichts riskieren und knipste aus der Distanz. Das war ihr Glück. Sie schiesst ein Foto, das danach viele Male abgedruckt wird in Schweizer Zeitungen. Es zeigt Trainer Köbi Kuhn, wie er von den jubelnden Nati-Spielern in die Luft geschleudert wird. Ein unvergesslicher Moment.


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