Abseits der ganz grossen Bühnen

  16.04.2021 Dottikon

Das Rockmusik-Paar Eliot und Margot Chambers ist auf dem Weg in die USA

Durch seine Venen fliesst Blues, Funk und sogar Country. Aber hauptsächlich Rock – echter, harter Rock. Eliot Chambers ist eine Musiker durch und durch. 26 Jahre lang lebte der Amerikaner in der Schweiz, davon 12 Jahre hier im Freiamt. Jetzt zieht es ihn und seine Frau zurück in die Staaten.

Chregi Hansen

Am Schluss des Gesprächs liegen 16 CDs vor ihm – zu jeder wusste er eine spannende Geschichte zu erzählen. Mit einem gewissen Stolz betrachtet er die lange Reihe der Covers. Es ist eine Art Lebenswerk. «Das aber noch nicht abgeschlossen ist», wie Eliot Chambers betont. Im Gegenteil: Der Musiker hat noch viel vor. Doch die nächsten Kapitel schreibt er nicht mehr in der Schweiz, wo er seit 1995 lebte. Sondern in seiner alten Heimat, in den USA.

Wenn dieser Bericht erscheint, ist Chambers mit seiner Frau Margot bereits in New York gelandet. Von da geht es weiter nach Atlanta, an den Mississippi, wo Chambers’ Familie ihre Wurzeln hat, dann nach Florida. Das Haus in Dottikon, wo die beiden viele Jahre lebten, ist verkauft, das eigene Studio ist eingelagert und wartet auf einen freien Container, um übers Meer geschifft zu werden. «Wir versuchen, in den USA eine neue Existenz aufzubauen», sagt Margot Chambers, geborene Maack, Mitinhaberin eines Familienbetriebs, für den sie weiter tätig sein wird – Homeoffice macht es möglich. «Wir brechen die Zelte in der Schweiz noch nicht komplett ab. Aber falls es klappt, möchten wir drüben bleiben.»

Als Strassenmusiker in die Schweiz gekommen

Für Margot Chambers ist es der Aufbruch in ein neues Abenteuer. Für Ehemann Eliot eine Rückkehr nach 26 Jahren. Dass er so lange in der Schweiz hängen bleibt, hätte er sich wohl nicht gedacht, als er 1995 nach Bern kam. «Ich war damals als Strassenmusiker unterwegs, und Freunde hatten von der Schweiz geschwärmt», erzählt er lachend. Er hat es nie bereut. «Die Schweiz ist ein wunderbares Land mit einer wunderbaren Kultur», erklärt er in seinem breiten amerikanischen Englisch – mit der deutschen Sprache tut er sich auch nach so langer Zeit noch schwer. Das macht er allemal wett mit seiner sympathischen Art, seinem Humor und seiner Menschenliebe. «Das habe ich als Strassenmusiker gelernt», erklärt er. «Ich war immer freundlich zu jedem. Hab mich immer bedankt. Auch bei der Grossmutter, die einen Zehnräppler in den Hut warf.»

Auf Hochzeiten in den Bergen gespielt

Nach drei Jahren in Bern zog es ihn nach Biel, später nach Luzern. Mit der Zeit trat er nicht nur auf der Strasse auf, sondern auch in Bars und anderen Lokalen, er erhielt fixe Engagements, half als Gastmusiker in Bands aus. Die Musik, das war sein Leben. Und er hat immer gespart. «Mein Ziel war es, CDs zu machen. Als ich genug Geld hatte, habe ich ein Studio gemietet und mein erstes Album aufgenommen», schaut er auf die Anfänge zurück. «Rock is not dead», so der Titel des Albums, erschien 1999, mehr als ein Dutzend Schweizer Musiker unterstützten ihn dabei.

Es folgten viele weitere Alben. Erst unter eigenem Namen, dann mit verschiedenen Bands. Etwa als «Dr. CranknStein», als «Fat Wallet» oder auch als «Flying Drones». Daneben arbeitete Chambers mit verschiedenen anderen Musikern zusammen auf, spielte etwa mit Angy Burri Country im Albisgüetli, trat am Bluesfestival in Luzern auf, war sich aber auch nicht zu schade, an einer Hochzeit seine Songs zum Besten zu geben. «Das waren oft wunderbare Erlebnisse. Etwa in Zermatt, draussen, mit Blick auf das Matterhorn. Und wenn dann abends jeder eine Prise Schnupf bekam, die Frauen zu jodeln begannen und die Männer das Alphorn spielten, dann war ich einfach glücklich», sagt der Amerikaner. Und: «Ich habe in der Schweiz Dinge gesehen, die sonst kein US-Musiker erlebt, wenn er auf Tour haltmacht in diesem Land.»

Unter vielen verschiedenen Namen unterwegs

Die Musik, das war seine Welt. Die Schweiz seine neue Heimat. «Für Rockmusiker ist es schwierig in der Schweiz», hat er aber bald erkannt. Viele seiner ehemaligen Bandkollegen hatten nicht den Mut, voll auf die Karte Musik zu setzen. Darum begann Chambers mehr und mehr, seine Alben selber einzuspielen. Selbst dann, wenn er sie unter dem Namen der Band veröffentlichte. «Ich habe als Kind Gitarre gelernt. Später habe ich mir selbst das Bass- und das Schlagzeugspielen beigebracht», erzählt er. Und weil es ihn störte, dass auf den Alben bei Musiker, Komponist und Produzent immer nur sein Name steht, hat er Pseudonyme erfunden. Etwa Blunt Shank als Produzent. Und sein Label nennt er ganz unbescheiden Imperial Exile Records. «IEM, das klingt doch nach etwas», lacht er.

16 CDs in 22 Jahren, daneben Hunderte oder gar Tausende von Auftritten, nächtelange Studioarbeiten, Tourneen durch verschiedene Länder
– Eliot Chambers war äusserst aktiv. Doch der grosse Erfolg blieb ihm versagt. Ist er traurig darüber? Einen Moment lang wird er nachdenklich, verschwindet das Lachen aus dem Gesicht. «Look», sagt er dann. «Wie stellt man sich einen Rockstar vor? Er hat ein grosses Haus, ein eigenes Studio, zehn Gitarren und eine schöne Frau. Und schau, das habe ich alles auch.» Und zurück ist das Lachen. Chambers hadert nicht. Er ist froh, dass er das tun kann, was er liebt: Musik machen. Er kann sich auch vorstellen, in den USA als Sessionmusiker zu arbeiten. Oder Jingles zu komponieren. Notfalls kann er sein Geld auch auf andere Art verdienen. «Mein Schwiegervater hat immer gestaunt, wie gut ich im Betrieb anpacken konnte, wenn Not am Mann war. Das hat er mir als Musiker nicht zugetraut», erzählt er. Und schaut mit einem schelmischen Blick zu seiner Frau.

Liebe auf den ersten Blick

Seit 16 Jahren sind die beiden ein Paar. «Ich habe ihn in Müswangen kennengelernt, als ich gesundheitliche Probleme hatte und zu einer Therapie fuhr. Er hat da auch gewohnt und stand in der Küche. Es klingt verrückt, aber ich wusste sofort, den heirate ich einmal», erzählt Margot Chambers. Erst später hat sie realisiert, dass sie ihn vermutlich schon früher einmal gesehen hat, «denn er hat als Strassenmusiker oft vor einem Laden in Bern gespielt, in dem ich häufig eingekauft habe.» Sie selber stammt aus einer Unternehmerfamilie, ihr Vater hat die Maack AG gegründet, die spezialisiert ist auf Schreinerarbeiten und Küchenbau.

Während Eliot Chambers seiner Passion nachging, hat seine Frau weiterhin im Betrieb gearbeitet. «Das Zusammenleben mit einem Musiker ist nicht immer einfach», lacht sie. Er war ständig auf Strom, wollte ein Feedback zu seiner Arbeit, hat oft nächtelang im Studio gearbeitet», erzählt sie. Ab und zu half Margot dann als Background-Sängerin aus. «Ich habe als Jugendliche mal in einer Band gesungen. Das war bislang meine einzige musikalische Erfahrung», sagt sie. Inzwischen hat sie Blut geleckt, als Peggy Punk hat sie bereits zwei Alben veröffentlicht. «Sie hat Potenzial», ist Eliot überzeugt, der natürlich ihr Produzent ist, «ich bringe sie gross raus.» Sagts und lacht herzhaft. «Sie ist das Beste, was mir passieren konnte.»

Die Schweiz im Herzen

Die beiden freuen sich jetzt auf den Neuanfang. Wegen Corona konnte Eliot Chambers nicht mehr auftreten. Noch mehr haben sich die beiden an den Reisebeschränkungen gestört. «Wir waren immer viel unterwegs, haben viel gesehen von der Welt», erzählen sie. Nun also verlassen sie die Schweiz. Bleiben wird seine Musik. Dank der Firma CDclick sind seine 16 Alben auch heute noch alle erhältlich. «Sie werden nach der Bestellung gebrannt und verschickt. Und das Schönste: Sie sind wie als LPs gestaltet. Inklusive der tollen Covers, auf die ich immer viel Wert gelegt habe», sagt der amerikanische Musiker, der auch zu jedem Bild eine Geschichte zu erzählen weiss. So hat er per Facebook einen uralten Schulfreund getroffen, der inzwischen Comics zeichnet. Und hat ihn dazu gebracht, das vierte Album von «Dr. CranknStein zu illustrieren. «It’s so wunderful», findet er.

Chambers hofft, dass möglichst viele diese Gelegenheit nutzen, die Alben zu bestellen, «denn hier erhalte ich die Hälfte der Einnahmen. Ganz anders als bei den Onlinediensten. Da habe ich mal für 7500 Streams 28 Dollars gekriegt.» Nein, reich geworden ist Eliot Chambers in den 26 Jahren in der Schweiz nicht. Dafür reicht belohnt auf andere Art. «Wie ich hier aufgenommen wurde, das hat mich tief berührt, das werde ich nie vergessen.» Sagt es, nimmt seine Gitarre und geht fertigpacken – das Flugzeug wartet schon. «The show must go on.». Und der letzte Song ist noch lange nicht geschrieben

Die Alben von Eliot Chambers gibt es unter wall.cdclick-europe.com/IEM.


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