Wo aus Obst Schnaps wird

  16.03.2021 Region Oberfreiamt

Zu Besuch bei Lohnbrenner Franz Fassbind in Boswil

Seit 2004 ist Franz Fassbind aus Hitzkirch Lohnbrenner. Mit seiner Brennerei ist er den ganzen Frühling unterwegs. Letzte Woche war er zwei Tage in Boswil stationiert und brannte aus eingemaischten Birnen, Zwetschgen, Quitten oder gar Vogelbeeren Schnaps.

Annemarie Keusch

Einer nach dem anderen fährt vor. Die meisten mit Traktor und Heckschaufel, ein paar wenige mit dem Auto. «Wo soll ich die Fässer hinstellen?» Franz Fassbind schaut kurz. «Da.» Die blauen Fässer, meist mit 50 oder 100 Litern Inhalt, sammeln sich rund um die Schnapsbrennerei. Die Korbflaschen stehen daneben. Dort wird Fassbind später den fertigen Schnaps einfüllen. Alle Fässer sind angeschrieben. «Sonst gibt es ein Durcheinander.» Fassbind lächelt.

In vier Kantonen unterwegs

Früher machte ein Lohnbrenner auf jedem einzelnen Bauernhof in Boswil halt. Später waren es noch zwei Standorte, einer im Ober- und einer im Unterdorf. Mittlerweile ist es nur noch einer, auf dem Hof von Gottfried und Benjamin Bächler. Zwei Tage lang macht Lohnbrenner Franz Fassbind hier halt. Die Landwirte und Privatpersonen aus Boswil und Umgebung bringen die Fässer. Das Obst vom letzten Herbst lagert zerkleinert darin. Franz Fassbind brennt Schnaps daraus.

Seit 17 Jahren ist das Brennen Fassbinds Ergänzung zur Arbeit auf dem eigenen Bauernhof. «Der Kontakt mit den Leuten gefällt mir», sagt der Hitzkircher. Angefangen hat er, weil der Lohnbrenner, der jeweils auf seinen Hof kam, aufhörte und kein Nachfolger in Sicht war. Seither tourt Fassbind mit seiner Brennerei durch das Freiamt, die Umgebung von Hitzkirch, das Kelleramt, den Kanton Zug und das Säuliamt. Manchmal bleibt er nur einen Tag, manchmal bis zu einer Woche.

Einfüllen, putzen, messen, anfeuern und natürlich kosten. Franz Fassbind hat allerlei zu tun. Vor allem, wenn so viele Landwirte ihr Obst bringen. «Es ist ein gutes Jahr, weil die Ernte im letzten Herbst üppig ausfiel», sagt Fassbind. An diesem Morgen sind es gegen 20 Landwirte, die kommen und gehen.


Mittendrin im süsslichen Geruch

Franz Fassbind ist jeden Frühling mit seiner Lohnbrennerei unterwegs – ein Besuch

«Drei Fässer, alles überjährig. Pflümli, Quitte, Träsch.» Franz Fassbind nickt. Der Landwirt lädt seine Fässer ab. Fassbind hält seinen Finger unter einen der drei Hähne, aus dem eine klare Flüssigkeit fliesst. Er riecht daran. «Zu stark», sagt er. Fassbind holt den Schlauch, füllt etwas Wasser in den Kessel. «Verdünnen.» Bis zu 80 Volumenprozent misst er. «Ob man den so trinken kann? Probieren sicher, das desinfiziert.» Franz Fassbind schmunzelt. Er ist Lohnbrenner.

Annemarie Keusch

Der Schnapsgeruch gehört in diesen Tagen ganz fest zu seinem Alltag. Und das seit 14 Jahren. «Die meisten Leute sind ‹gäbig›», sagt Fassbind. Darum gefällt ihm die Arbeit.

Eine gute Stunde dauerte am Morgen die Fahrt von Hitzkirch nach Boswil. An den Traktor angehängt zog Fassbind die Brennerei mit. Vor drei Jahren kaufte er eine andere, eine modernere. Marke: Arnold Holstein. Herkunft: Ostschweiz, das Obst-Mekka des Landes. Eigentlich könnte die Brennerei mit Öl betrieben werden. Aber Franz Fassbind mag es lieber, wenn die Hitze mit Holz erzeugt wird. «Holz hat einen guten Brennwert.» Entsprechend ist es wichtig, dass er regelmässig Holzscheite nachlegt und das Feuer so laufend lodert. Nur mit grosser Hitze entsteht der Dampf, den es für das Destillieren braucht. Die Bauern bringen nicht nur ihre Fässer mit, sondern auch Holz. «Müssen sie», sagt Fassbind. Wer kein Holz bringt, dem wird das verbrauchte Holz zusätzlich verrechnet.

Flüssigkeit obenauf

«Im ersten sind Zwetschgen, im zweiten Kirschen und im dritten Äpfel und Birnen.» Franz Fassbind zeigt auf die drei Häfen, wo er jeweils mithilfe einer Pumpe das hineinfüllt, was die Landwirte und wenige Privatpersonen in ihren Fässern bringen. Appetitlich sieht es nicht aus, wenn man einen Blick in die Fässer wirft. Fassbind fasst mit der Hand hinein, mischt ein wenig. «Gute Ware», sagt er. Heisst, die festen Bestandteile sind am Boden des Fasses, die Flüssigkeit oben. «Es gibt auch andere.» Etwa, wenn zu wenig Flüssigkeit im Fass ist und die Masse grau wird. Oder wenn zu trockener Trester, etwa nach dem Mosten, noch im Fass eingemaischt wird. «Das gibt nichts.»

Idealerweise sind es zerstückelte Früchte, die rund ein halbes Jahr luftdicht verschlossen im Fass gären. «So kann sich der Zucker am besten entfalten», sagt Fassbind. Und dieser Zucker wird beim Brennvorgang in Alkohol umgewandelt.

Der Zollverwaltung melden

Franz Fassbind ist kein Mann der grossen Worte. Fragen beantwortet er anfangs mit möglichst wenigen Worten. Erst mit der Zeit taut er auf, erklärt, erzählt, lächelt. Auch mit den Landwirten hält er die Gespräche kurz. Trotzdem sagt er: «Die Brennerei im Dorf ist für viele ein Treffpunkt, wie ihn die Landwirte nicht mehr haben, seit es etwa die Käsereien vielerorts nicht mehr gibt.» Immer wieder bleiben einige länger, auch wenn sie ihre Fässer längst abgeladen haben. Sie schauen Fassbind zu. Aber primär scheinen sie auf andere Landwirte zu warten, um sich austauschen zu können. Einige bleiben über eine halbe Stunde.

Fassbind stört das nicht. Seelenruhig legt er Holzscheite nach, wäscht die geleerten Fässer aus, testet den Alkoholgehalt und führt Buch. «Das Büro ist immer dabei.» Es ist ein Ordner mit Listen. Listen von jenen, die regelmässig ihr Brenngut vorbeibringen. Nur Einzelne geben ihre Brennkarte ab. «Die Nummer der meisten ist seit Jahren hinterlegt.» In seinem Ordner führt Fassbind genau Buch. Die Zahlen muss er unverzüglich der Zollverwaltung melden.

Mit gut 50 Volumenprozent Alkoholgehalt

Immer mehr blaue Fässer stehen rund um die Brennerei. Den Überblick droht Franz Fassbind aber nicht zu verlieren. «Die Fässer sind ja alle angeschrieben», sagt er und lacht. Fortwährend läuft der frisch gebrannte Schnaps in die Kessel. Regelmässig tunkt Fassbind das Messgerät hinein, das ihm zeigt, wie hoch der Alkoholgehalt ist. Gegen 80 Volumenprozent ist er teilweise in Reinform. Mit Wasser verdünnt oder kalt filtriert sind es am Schluss durchschnittlich rund 53 Volumenprozent, Träsch teilweise bis zu 60.

Ob der Schnaps gut wird oder ob die Menge stimmt, sagt dem Brenner schon ein kurzer Blick in das Fass. «Natürlich, es gibt auch Faktoren, die man von blossem Auge nicht sieht, etwa, wie hoch der Zuckergehalt der Masse ist, wie früh die Früchte abgelesen wurden. Zu wenig Flüssigkeit, schlechte Qualität der Früchte – alles hat Einfluss. Stimmt alles, gibt es aus einem gefüllten 100-Liter-Fass rund zehn Liter Schnaps mit einem Alkoholgehalt von 50 Volumenprozent. «Wenn 800 Kilogramm zu trockener Trester eingemaischt werden, kann es aber sein, dass es davon nur 15 Liter Schnaps gibt.» Dann laufe es schlecht, auch wortwörtlich. «Dann fliesst der Schnaps nur langsam und der ganze Prozess dauert ewig.» Läufts gut, ist der Inhalt eines grossen Fasses in gut einer Stunde zu Schnaps gebrannt.

Auch schlechte Ware wird gebrannt

Aber Fassbind ist Dienstleistender. Er brennt auch die Ware, von der er im Vorhinein weiss, dass es nichts geben wird oder die Qualität nicht hoch ist. «Ich muss diesen Schnaps ja nicht trinken», sagt er und lacht. Aber natürlich gebe er sich alle Mühe, dass die Qualität hoch ist. Fassbind spricht vom Vor-, Mittel- und Nachlauf. «Nur im Mittellauf sind die Aromen gut. Der Vorlauf riecht wie Nagellack.» Gemeint ist damit der erste Schnaps, der aus dem Trichter fliesst. Diesen schüttet Fassbind nochmals in den Hafen, damit er nochmals gebrannt wird. Gleiches tut er mit dem Nachlauf, dem letzten Anteil.

Bevor neues Brenngut eingefüllt wird, putzt der Lohnbrenner alles. «Hygiene ist wichtig», sagt er. Gute Qualität ohne Hygiene gehe nicht.

Auch hier gibts die Auswirkungen der Pandemie

Über 300 Hochstämmer, davon alleine 120 Zwetschgenbäume. 80 Aren Tafelkirschen, 80 Aren Tafelobst, 50 Aren Weintrauben. Franz Fassbind verarbeitet nicht nur das Obst anderer Landwirte, auch vom eigenen Hof gibt es einiges zu brennen. «Es ist eine dankbare Arbeit, Früchte, die in der Region wachsen, zu verarbeiten und zu veredeln», sagt der Hitzkircher. Ihm gefalle, dass er alle seine Kunden – Frauen kommen an diesem Morgen keine vorbei – persönlich kennt. Gegen 20 sind es an diesem Morgen. «Es läuft gut, aber es war auch schon besser», sagt Fassbind.

Und er befürchtet, dass die nächsten Jahre nicht einfach werden. Auch wegen der Pandemie, vor deren Einflüssen er als Lohnbrenner sonst verschont blieb. «Es braucht weniger Schnaps, auch weil der Absatz an die Restaurants fehlt», sagt er. Zu spüren bekommt er das direkt, weil er auch Schnaps verkauft. Und zu spüren bekomme er das vermutlich nächsten Frühling. «Ich denke, auch die Privatpersonen und Landwirte maischen weniger Obst ein, weil sie zu Hause alleine wohl weniger Schnaps trinken, als wenn es die Pandemie nicht geben würde.»

Apropos Schnaps trinken. Immer wieder mit dem Finger probieren. Summiert sich das nicht? Franz Fassbind lächelt. «Nein, nein. Aber am Ende des Tages rieche ich schon nach Schnaps.» Er selber merke das nicht. Sagts und steht mitten in den Dampf. Ich weiss, was Fassbind meint. Auch ich werde nach nur wenigen Stunden direkt neben der Brennerei darauf angesprochen. Mitten unter der Woche und mitten am Tag nach Schnaps zu riechen, ist eben aussergewöhnlich. Aber nicht schlimm, solange ein Besuch bei der Schnapsbrennerei der Grund ist dafür.


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