Rückkehr des «Waldkönigs»

  12.03.2021 Kelleramt

Studie gibt Hinweise auf Rothirsch-Ausbreitung

Im Auftrag der Jagdverwaltungen der Kantone Aargau und Zürich untersucht die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zurzeit die Ausbreitung der Rothirsche in der Region Albiskette und Reusstal. Dies geschieht mit rund einhundert Fotofallen. Der Zwischenbericht 2020 zeigt, dass es aktuell im Freiamt vor allem im Kelleramt viele Rothirsche gibt. Aber auch die angrenzenden Gebiete werden zunehmend besiedelt. Grundsätzlich ist mit den Tieren überall zu rechnen. So tappten auch einzelne Tiere in der Umgebung von Muri in die Fotofallen. Die Studie dauert weitere zwei Jahre. Dabei sollen zusätzlich zu den Fotofallen einige Rothirsche besendert werden. Damit werden die Wissenschaftler noch besser wissen, wo und wie lange sich die Tiere aufhalten. --rwi


Bestände nehmen zu

Das Kelleramt ist die Freiämter Rothirsch-Hochburg

Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW präsentiert den Zwischenbericht 2020 ihrer Rothirschstudie. Die Ergebnisse entsprechen den Erwartungen des Kantons, der Jäger und des Forstes.

Roger Wetli

Seit einigen Jahren breitet sich der Rothirsch im Freiamt aus. Gab es in der nahen Albiskette bereits stabile Bestände, erobern diese Tiere immer mehr Gebiete zwischen Baden, Muri und dem Kelleramt. Die Zürcher Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften will es genau wissen. Für das «Monitoring Rothirschbestände in der Region Albiskette / Reusstal in den Kantonen Zürich und Aargau» installierte sie 2020 rund 200 Kameras. Das erste Zwischenergebnis zeigt nun, dass es im Freiamt, besonders in Oberwil-Lieli, Unterlunkhofen und Jonen, viele Hirsche gibt.

Noch keine Bestandesdichte bekannt

Im Aargau wurden von 18 von 44 Kameras Rothirsche festgestellt. In drei weiteren «Planquadraten» erfolgte der Nachweis ausserhalb dieses systematischen Monitorings. Studienleiter Claudio Signer von der ZHAW: «Beide Arten von Feststellungen basieren auf handfesten Nachweisen. Dies können neben Fotofallenbilder Abschüsse oder Fallwild sein, aber auch Sichtbeobachtungen oder Spuren, die von Jägern und anderen kompetenten Personen dokumentiert worden sind.» Diese Methoden seien sehr zuverlässig. Wichtig sei, dass die Wilddaten möglichst sauber, einheitlich und flächendeckend erhoben würden.

73 Hinweise gab es im Revier Jonen. Diese deutet der Studienleiter so, dass die Rothirsche in diesem Gebiet relativ weiträumig vorkommen. «Aus der Anzahl Nachweise kann allerdings noch keine Bestandesschätzung und Bestandesdichte abgeleitet werden», betont er.

Einzelne Tiere möglich

Es gab auch Gebiete ohne Nachweise, so zum Beispiel zwischen Rudolfstetten und Friedlisberg oder im Zufiker Emaus-Wald. Claudio Signer schliesst nicht aus, dass dort zumindest zeitweise einzelne Rothirsche vorkommen. «Wir gehen davon aus, dass unser Monitoring eine dauerhafte Rothirschpräsenz nachweisen können wird. Die bisherige Untersuchungsdauer ist mit fünf Monaten aber erst ein Zwischenergebnis.»

Seitens der ZHAW sind mehrere Mitarbeitende der Forschungsgruppe Wildtiermanagement «Wilma» an der Studie beteiligt. Zudem finden verschiedene studentische Arbeiten statt. Sie würden aber auch durch die Auftraggeber, also die Jagdverwaltungen der Kantone Aargau und Zürich, und durch die Jäger unterstützt.

Grundsätzlich überall

Erfreut über die Anzahl Fotofallenstandorte mit Rothirschbildern ist Erwin Osterwalder, Fachspezialist Jagd und Fischerei der Abteilung Wald des Kantons Aargau: «Sie zeigt, was wir schon vermutet haben. Nämlich dass der Rothirsch südlich der A1 grundsätzlich überall auftauchen kann.» Einzig in der Region Heitersberg hätten sie mehr Nachweise erwartet. Auswirkungen auf die Bejagung des Rotwildes habe die Studie noch nicht, weil es erst ein Zwischenergebnis sei.

Jagd ist spannender geworden

Stolz darauf, dass es im Kelleramt am meisten Hirsche hat, ist Urs Hoppler. Der Jagdaufseher des Reviers Unterlunkhofen leitet einen Hegering, in dem mehrere Jagdgesellschaften ihre Jagd auf den Rothirsch koordinieren. Dieser existiert seit 2017. «Die Bestände haben in dieser Zeit deutlich zugenommen», vermutet er. «Die Tiere ziehen nicht mehr nur durch, sondern bleiben jetzt auch.» Er kommt auf diese Aussagen, weil in den eigenen Fotofallen immer wieder dieselben Tiere auftauchen.

2020 konnten die Jäger drei männliche Rothirsche erlegen, die es jeweils auf ein Gewicht von rund 140 Kilogramm brachten. «Es ist eine andere Jagd als früher. Sie ist abwechslungsreicher und spannender geworden», schmunzelt Hoppler erfreut. «Es braucht mehr Zeit als beim Reh. Der Wind muss stimmen und es darf absolut kein Geräusch geben.» Hoppler sieht die Tiere während des Tages in seinem Revier. «Trotz ihrer Grösse muss man sehr genau schauen. Die Tiere verschmelzen perfekt mit dem Hintergrund. Oft bemerke ich sie erst, wenn sie sich in Bewegung setzen.»

Die bisherigen Ergebnisse der Studie entsprechen etwa Hopplers Erwartungen. «Ich hoffe, dass wir künftig noch mehr Erkenntnisse erhalten. Zudem ist es schön, dass sich die von Rothirschen verursachten Schäden in der Landwirtschaft und im Wald bisher in Grenzen halten.»

Schäden auf heutigem Niveau halten

Dass das auch in Zukunft so bleibt, hofft Urs Huber, Förster des Forstbetriebs Kelleramt. «Die künftigen Auswirkungen des Rothirsches auf den Wald sind ungewiss», erklärt er. «Die Verbisse haben in den letzten Jahren zugenommen. Zudem nützen die Baumschütze gegen Rehe beim Rothirsch nichts, da sie einfach die Triebe darüber abknipsen.» Auf dem jetzigen Niveau seien aber die Schäden tragbar. Für den Forst habe der Rothirsch aber auch Vorteile: «Er hält sich oft in dichtem Bewuchs auf, wo er alles runtertritt. Dadurch schmälert er die Konkurrenz der Dornpflanzen, was den Bäumen hilft.» Seit einigen Jahren stellt Huber zudem Stellen im Wald fest, wo sich die Hirsche suhlen, wie es auch Wildschweine tun.

Das Forschungsprojekt der ZHAW dauert jetzt noch zwei weitere Jahre. Forscher, Jäger, Förster und Verwaltung sind gespannt, wie sich die Rothirschbestände in dieser Zeit entwickeln werden.


542 Fotos von Rothirschen

Studie soll mit GPS-Telemtriesendern ergänzt werden

Für das «Monitoring Rothirschbestände in der Region Albiskette / Reusstal in den Kantonen Zürich und Aargau» wurden zwischen Mai und September 2020 95 Wildkameras aufgestellt. 50 Kameras nahmen dabei 542 Bildsequenzen mit total 851 Rothirschen auf. Daneben wurden auch 8366 Rehe, 644 Dachse und 752 Füchse gezählt. Der Projektperimeter des Zwischenberichts 2020 umfasst eine Fläche von 450 Quadratkilometern und reicht vom südlichen Badener Stadtrand über den Lindenberg, das Kelleramt bis zur Albiskette. Im Aargau gab es 204 Rothirschnachweise.

Vertiefte Kenntnisse gewinnen

Mit 73 gab es die grösste Häufung im Jagdrevier Jonen. Auch in den Revieren Oberwil-Lieli und Unterlunkhofen wurden die Geweihträger häufiger erfasst. Wiederholte Nachweise gab es zudem um Muri, im Reusstal, Baden-Süd und Friedlisberg. Eher selten kamen sie sonst westlich der Reuss vor. Am Wagenrain gab es eine Sichtbeobachtung.

Über die kommenden zwei Jahre sollen nicht nur Fotofallen aufgestellt werden, sondern auch einzelne Rothirsche mit GPS-Telemetriesendern ausgestattet werden. Die Wissenschaftler der Forschungsgruppe Wildtiermanagement erhoffen sich dadurch Erkenntnisse über die detaillierte saisonale Raumnutzung, die Zusammensetzung der Bestände und die Rothirschdichte. --rwi


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