Der italienische Strolch

  12.02.2021 Sport

Serie «Unsere Regionalfussballstars von früher»: Luca Iodice aus Villmergen startete beim FC Wohlen seine Profikarriere

Wohlens Trainerlegende Jacky Sauter entdeckt ihn auf einem Spielplatz in Villmergen. Als 15-Jähriger spielt Luca Iodice mit dem FC Wohlen um den Aufstieg in die 1. Liga und nimmt Anlauf für eine starke Profikarriere. Sein grösster Fehler: Er wurde nie Schweizer Bürger.

Stefan Sprenger

Juni 1995. Der FC Wohlen steht in den Aufstiegsspielen zur 1. Liga. Im zentralen Mittelfeld stellt Trainer Hanjo Weller einen blutjungen Villmerger auf: Luca Iodice. «Zwischen all den gestandenen Männern wie Schibi Roth, Tschadi Meyer oder Claudio Lo Nigro war ich ein kleiner Strolch», blickt Luca Iodice lachend zurück. Das 2:2 gegen Beringen und das 1:1 gegen Rorschach reicht nicht zum Aufstieg. Aber: Das Team holt den Sieg im Aargauer Cup. «Eine geniale Zeit.»

Von der Zinsmatten in die Champions League

Heute ist Luca Iodice 42 Jahre alt. Mit seiner Frau Moira und den beiden Kindern Alice (9) und Lian (15) lebt er in seinem Eigenheim in Villmergen. Der AXA-Kundenberater sagt selbst: «Ich bin, war und bleibe ein Villmerger.» Dort hat er auch angefangen mit dem Fussballspielen. Aber nicht für lange. Auf dem Spielplatz wurde er im Alter von 7 Jahren von der FCW-Trainerlegende Jacky Sauter entdeckt und zum FC Wohlen geholt. Als 12-Jähriger geht er zu Juventus Zürich, die damals eine hervorragende Juniorenabteilung hatten. 1994 kehrt er zurück auf die Paul-Walser-Stiftung. In der Vorrunde unter Trainer Hanjo Weller kommt er nicht zum Einsatz. In der Rückrunde steht der Mittelfeldspieler aber regelmässig auf dem Platz.

Seine Leistungen lassen auf horchen. «An einem Sonntagmorgen rief GC-Manager Erich Vogel bei uns zu Hause an. Er wollte mich verpflichten.» Der 15-jährige Iodice geht gemeinsam mit Trainer Hanjo Weller und dem damaligen FCW-Präsidenten Ruedi Kuhn zum Treffen mit Vogel in den Hardturm. Weller habe eine hohe fünfstellige Ablösesumme ausgehandelt. «Und ich war plötzlich beim Rekordmeister», erzählt Iodice. Im Mai kickt er noch im Derby gegen Hägglingen auf der Zinsmatten, im September ist er beim historischen Champions-League-Sieg der Grasshoppers gegen Ajax Amsterdam im Aufgebot. 43 000 Zuschauer, Murat Yakin trifft zum 0:1-Erfolg. «So ein raketenhafter Aufstieg wäre heute undenkbar.»

Marcel Koller und Schibi Roth trennte nur das Tempo

Sein Debüt in der Nationalliga A gab er im Juli 1995 – nur einen Monat nach dem Aufstiegsspiel mit dem FC Wohlen. GC spielte gegen Servette (1:1). Iodice kam fünf Minuten zum Einsatz. «Ich habe keinen einzigen Ball gesehen. Einen Einwurf habe ich ausgeführt, sonst nichts», erzählt er lachend. Aus dem Freiamt auf die grosse Fussballbühne. Hanjo Weller, Schibi Roth, Tschadi Meyer und Claudio Lo Nigro wurden ausgetauscht mit schillernden Namen wie Christian Gross (Trainer), Johann Vogel, Ramon Vega, Alain Geiger, Pascal Zuberbühler, Mats Gren oder Marcel Koller. «Eine krasse Zeit, alles ging so schnell.» Iodice sagt, dass es zwischen GC-Legende Marcel Koller und FCW-Ikone Schibi Roth nur einen Unterschied gab: «Das Tempo. Schibi Roth war technisch genauso gut.»

Einmaliges Kunststück: Dreimal Meister in einer Saison

Iodice erzählt eine Anekdote aus seinem ersten FC-Training. «Ich lief Richtung Trainingsgelände. Alain Geiger stieg aus dem Taxi aus. Und ich bin ihm einfach hinterhergelaufen, ich wusste ja nicht genau, wo ich hinmusste. Geiger schaute immer wieder zurück und fühlte sich verfolgt. In der Kabine hat er mich dann freundlich begrüsst.»

In dieser Saison 1995/96 schafft der Freiämter ein kleines Kunststück. Er wird als Captain der U18-Mannschaft, als Spieler der U21 und 1. Mannschaft total dreimal Schweizer Meister.

Die Karriere von Luca Iodice spült ihn anschliessend an viele Orte. FC Zürich, Schaff hausen, Bellinzona, Aarau, Baden, Winterthur. Die beste Zeit erlebt er beim FC Zürich. Dort spielt er im UEFA-Cup, erlebt Trainergrössen wie Lucien Favre, Gilbert Gress oder Georges Bregy. «Es war nicht immer einfach, das Fussballgeschäft ist knallhart.»

Immer ein hohes Credo: Der Respekt und die Demut. Etwas, was er nun seinen Kindern weitergeben will. Sein Sohn Lian ist ebenfalls ein talentierter Fussballer, kickte schon für GC und im Team Aargau. Ganz aktuell: Der 15-jährige Lian Iodice wechselt zurück zum FC Wohlen. «Zuerst die Lehre, dann der Fussball», sagt der Vater. Er beginnt im Sommer bei der Cellpack eine Lehre als Polymechaniker. «Auf die Karte Fussball zu setzen, ist eine Lotterie. Ich hatte damals riesiges Glück.»

Luca Iodice beendet 2008 seine Profikarriere. «Das Ende kam schnell», meint er dazu. Eine Knieverletzung zwingt ihn dazu. Danach peilte er eine Trainerkarriere an. «Aber nicht professionell. Ich verbringe viel zu gerne Zeit mit meiner Familie und ganz ehrlich, der schnelllebige Profifussball muss es für mich als Familienvater nicht mehr sein.»

Trainer beim FC Bremgarten

Den Einstieg ins Trainermetier macht er beim FC Bremgarten. Zwischen 2009 und 2011 führt er die Reussstädter an die Spitze der 2. Liga. Weitere Trainerstationen: FC Meisterschwanden (2. Liga), FC Zürich (Assistent U16), FC Oftringen (2. Liga), FC Wohlen (U17), Team Aargau (U21) und bis im Sommer 2019 bei Kriens in der U16. Seit einem Jahr macht er nun fussballerisch nichts mehr. «Die Pause hat gutgetan. Die Zeit mit der Familie ist mir sehr wichtig. Ich wäre aber wieder offen für ein Engagement, mal schauen, was kommt.»

Rückblickend auf seine Karriere hat Luca Iodice einen grossen Fehler gemacht. Als 15-Jähriger wurde er von GC-Präsident Erich Vogel angefragt, ob er sich nicht einbürgern lassen wolle. Es war die Zeit, als der Aargauer Roberto Di Matteo sich einen Stammplatz in der italienischen Nationalmannschaft erkämpfte. «Davon träumte ich auch. Ich wollte für Italien spielen», so Iodice. Jahre später erhält er von der Schweizer U21-Nati ein Aufgebot. Fälschlicherweise. Die Einbürgerung wird wieder ein Thema. Iodice wollte immer noch nicht. «Ein Fehler. Wenn ich in einer Schweizer Auswahl gespielt hätte, dann wäre meine Karriere vielleicht anders, noch besser verlaufen. Wer weiss, vielleicht hätte ich den Sprung ins Ausland geschafft.»

«Harte Zeit» nach Tod des Vaters

Beim Treffen erzählt Iodice, dass er vor einem Jahr dem Güüggi-Jahrgängerverein in Villmergen beigetreten ist. «Einfach eine geile Sache. Und auch als Nichtfasnächtler muss ich da als Villmerger einfach dabei sein.» Er sagt zudem, dass im letzten Dezember sein Vater überraschend verstorben ist. «Eine harte Zeit», sei das gewesen.

Für Ablenkung sorgt der Fussball. Sein Neffe Kevin Iodice hat aktuell den Sprung zum FC Vaduz in die Super League geschafft (siehe Bericht unten) und sein Sohn entwickelt sich ebenfalls gut. «Unsere Kinder sollen es besser machen», meint Iodice. Die nächsten Iodice-«Mascalzoni» (zu Deutsch: Strolche) sind also in den Startlöchern.


Iodice-Neffe wechselt in Super League

Kevin Iodice auf den Spuren seines Onkels Luca

Kevin Iodice ist der Sohn von Paolo Iodice. Dieser war in den 90er-Jahren Torhüter des FC Wohlen unter Trainer Hanjo Weller. Kevin Iodice spielt, seit er elf Jahre alt ist bei den Grasshoppers Zürich. Der 20-jährige Neffe von Luca Iodice wechselte vor wenigen Tagen in die höchste Schweizer Spielklasse.

Im Juli 2020 gab er sein Debüt in der Challenge League. Damals, in der entscheidenden Phase der Saison – als es für GC um den Aufstieg ging – wurde er ins kalte Wasser geworfen. Gegen Aarau (2:2) und Winterthur (0:6) stand Iodice in der Grasshoppers-Abwehr auf dem Platz. Nach Saisonende (und verpasstem Aufstieg) ging Kevin Iodice zurück in die U21 der Zürcher in der 1. Liga classic. Dort durchlief er schon sämtliche Juniorenstufen.

Für ihn geht es jetzt einen gehörigen Schritt aufwärts. Der FC Vaduz aus der Super League vermeldet den Transfer des Abwehrspielers. Er unterzeichnet einen Vertrag über 2,5 Jahre bis im Sommer 2023. «Mit Kevin erhalten wir einen sehr gut ausgebildeten Spieler, welcher grosses Potenzial mitbringt. Er ist jung, Linksfüsser und bringt uns zusätzliche Optionen in der Defensive. Ein Transfer für die Zukunft», kommentierte der Vaduzer Sportchef Franz Burgmeier diesen Transfer.

Vater und früherer FCW-Goalie geht auf Jakobsweg

Der 20-jährige Kevin Iodice ist kein waschechter Freiämter, hat aber eine sehr starke Bindung in die Region. Sein Vater Paolo, früherer FC Wohlen-Goalie in den 90er-Jahren, wohnt nach wie vor in Villmergen. Randnotiz: Paolo Iodice begibt sich jedes Jahr auf den Camino de Santiago (Jakobsweg) und bewandert diesen bis zu 700 Kilometer.

Kevin Iodice ist auf den Spuren seines Onkels Luca. «Ich bin sehr stolz auf ihn. Er hat nie aufgegeben und immer an seinen Traum geglaubt. Schön, hat er jetzt diesen Schritt nach Vaduz geschafft», sagt der Onkel und frühere Profifussballer Luca Iodice. --spr


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