Mit vielen Emotionen dabei

  05.02.2021 Muri

Die aktuelle Lage sorgt vor allem bei kleineren Läden für grosse Schwierigkeiten

Fünf Murianer Geschäftsleute öffnen ihre Türen und geben Einblick in ihre Gefühlslage.

Annemarie Keusch

Die einen mussten ihren Laden ganz schliessen, andere dürfen ein beschränktes Sortiment verkaufen. Die Geschäftsschliessung traf sie alle: Käppeli Mode, Gut Shoes, Mini-Mus Babycenter, Papeterie O. Huber & Sohn AG und R. Schriber Bernina-Nähworld.

Die Fachgeschäfte – es gibt sie noch in Muri. Aber sie werden von der Pandemie besonders hart getroffen. Stellvertretend für das gesamte Kleingewerbe in Muri geben die fünf Geschäftsleute Auskunft. Sie sagen, wie es ihnen geht, wie sie die aktuelle Situation versuchen zu meistern, und blicken hoffnungsvoll oder skeptisch in die Zukunft.

Benno Käppeli etwa sagt: «Das ganze Weihnachts- und Ausverkaufsgeschäft fiel aus, null Umsatz. Wie soll es uns da gehen?» Er steht vor den Wintermänteln im Verkaufsladen von Käppeli Mode. «Die kauft niemand mehr.» Die Lage nur sachlich zu betrachten, fällt den betroffenen Ladenbesitzern nicht leicht. «Wer ein Fachgeschäft führt, macht das mit Herzblut und ganz viel Emotionen», sagt Eveline Ritter vom Mini-Mus Babycenter.


Jeder weitere Tag ist einer zu viel

Das Murianer Kleingewerbe leidet unter den Coronamassnahmen

Einige Läden sind ganz geschlossen. In anderen sind viele Regale mit Bändern abgesperrt. Nur Güter des täglichen Bedarfs dürfen verkauft werden. Das bringt viele Kleinunternehmen in Gefahr. Auch in Muri hofft das Gewerbe auf möglichst baldige Lockerungen.

Annemarie Keusch

«Angespannt», sagt Susanne Gut und beschreibt damit die Lage ihres Geschäfts «Gut Shoes». Seit dem 21. Dezember ist der Laden geschlossen. Gut hadert. «Im Frühjahr bestes Wetter und wir mussten schliessen. Im Herbst Maskenpflicht und die Kauflaune deshalb im Keller. In den schneereichen Wintermonaten bleiben die warmen Schuhe im Regal stehen und der Ausverkauf findet nicht statt.» In einem Jahr musste sie über 80 zusätzliche Tage notieren, an denen ihr Laden an der Luzernerstrasse geschlossen war. «Es ist schwierig zu verstehen», sagt sie. Das Schutzkonzept erlaube maximal fünf Personen auf mehr als hundert Quadratmetern Verkaufsfläche. «In grossen Läden sind es viel mehr.»

Den Online-Shop hat Gut im Frühling frisch aufgebaut. Auch einen Abhol-, Liefer- und Versanddienst bietet sie aktuell an. «Die Rückmeldungen der Kunden sind durchwegs positiv.» Überhaupt sei es schön zu wissen und zu spüren, wie die Kundschaft hinter ihr stehe. «Viele unterstützen uns und andere lokale Unternehmen. Treue und Solidarität waren nach dem ersten Lockdown überwältigend.» Trotzdem hofft Susanne Gut, dass sie ihre Kundinnen und Kunden bald wieder persönlich im Laden begrüssen kann. «Jeder weitere Tag, an dem der Laden geschlossen ist, ist einer zu viel.» Modische, bequeme Schuhe in frischen Farben seien bereits eingetroffen und werden für den Frühlingsverkauf vorbereitet.

«Die Verantwortung wahrnehmen»

Die gleiche Hoffnung hegt Kathia Schacher, Mitinhaberin der R. Schriber Elektro-Stoffe AG, die neben anderen Filialen einen Laden an der Kirchbühlstrasse betreibt. «Wir hoffen, dass alle am gleichen Strick ziehen und bald wieder etwas Normalität eintrifft», schreibt sie. Die Filialleiterin in Muri Alicia Staub und die Mitarbeiterin Doris Gratwohl dürfen zwar Kundschaft im Laden begrüssen. Ihr Sortiment ist aber deutlich eingeschränkt. «Die Situation ist nicht einfach», sagt Schacher. «Wir möchten unsere Kunden persönlich beraten, sie sollen die Produkte sehen, anfassen können.» Man versuche diesem Bedürfnis den Umständen entsprechend gerecht zu werden.

Sich beklagen über die Situation will Kathia Schacher nicht. «Wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber der Bevölkerung und unseren Mitarbeitenden während dieser Pandemie wahr.» Bestellungen vor Ort abholen, im Webshop, in dem schon länger ein kleines Sortiment der Produkte zu finden ist, einkaufen – diese Möglichkeiten haben Kundinnen und Kunden der R. Schriber Elektro-Stoffe AG. Kathia Schacher weiss, dass ihre Kunden froh sind, trotz der schwierigen Lage bei ihnen einkaufen zu können. «Das Nähen als Hobby ist sehr gut für die Entspannung und für das Gemüt.»

Schliessung sei eine Willkür

Auch die Türen des Verkaufsladens Käppeli Mode sind seit dem 21. Dezember zu. «Eine unglaublich wettbewerbsverzerrende Situation», sagt Benno Käppeli. Primär meint er damit die Tatsache, dass die Aargauer Kleinunternehmen ihre Türen noch vor Weihnachten schliessen mussten, während die Läden in den vom Freiamt nicht weit weg gelegenen Kantonen Zürich, Zug oder Luzern weiterhin offen hatten. Überhaupt sieht Käppeli für die Schliessung der kleinen Läden nur vage Begründungen. «Die Grossen dürfen offen haben und dort sieht man immer wieder Gedränge.» Bei ihm im Laden komme das nie vor. «Deshalb sind diese Schliessungen eine Willkür. Es gab keine Ansteckungsnachweise in Kleiderläden.»

Auf einen Online-Verkauf verzichtet Käppeli. Nur Kleidungsstücke, die geändert wurden, können abgeholt werden. «Das Online-Geschäft für Kleiderhändler ist defizitär, muss doch alles 14 Tage lang zurückgenommen werden.» Er glaube nicht, dass ihre Kunden Kleider kaufen wollen, die irgendwo allenfalls eine Woche lang in der Küche lagen. «Wir sind nicht für Online-Verkauf eingerichtet, haben wir doch auch nur kleine Serien an Lager. Er hoffe, dass nicht alle Kundinnen und Kunden auswärts oder online einkaufen. Mut machen ihm Zuschriften von Kunden. «Sie sagen, dass sie warten, bis wir wieder offen haben.» Benno Käppeli spricht Klartext: «Wenn der Staat oder die Politiker nicht Wort halten und uns angemessen entschädigen, haben wir Existenzprobleme.»

Kunden sind verunsichert

Weniger Umsatz macht auch die Papeterie O. Huber & Sohn AG an der Aarauerstrasse. «Ein beschränktes Sortiment bringt weniger ein, das ist logisch», sagt Beda Huber. Trotzdem, sie seien froh, die Papeterie offen haben zu dürfen. Stifte, Papier, Karten – das darf verkauft werden, Spiele oder Bastelutensilien nicht. «Das alles, samt Schutzmassnahmen, umzusetzen, ist nicht immer einfach», sagt er. Ganz viele Regale im Laden sind abgesperrt. Schwer verständlich sei das auch für die Kundinnen und Kunden. «Viele sind verunsichert, wissen nicht, ob wir offen haben und was sie kaufen dürfen und was nicht.» Es sei allgemein schwierig, den Überblick zu behalten.

Einen Online-Shop betreibt die Papeterie nicht. Dafür bieten sie telefonische Beratungen an. Auch per Mail kann Ware bestellt und dann im Laden abgeholt werden. Wie bei allen anderen kleinen Geschäften hat auch die O. Huber & Sohn AG Kurzarbeit angemeldet. Die Mitarbeiterinnen Erika Marti und Gaby Müller wechseln sich ab. «Natürlich, es ist unser aller Wunsch, dass so schnell wie möglich wieder normale Arbeitsbedingungen möglich sind», sagt Beda Huber. Und je schneller er in seinem Laden wieder das ganze Sortiment verkaufen könne, desto besser sei es.

Zehrt an den Kräften

Ihren Laden offen haben darf auch Eveline Ritter vom Mini-Mus Babycenter. Aber auch ihr Sortiment, das sie vor Ort verkaufen kann, ist beschränkt. «Das führt manchmal zu sehr eigenartigen Situationen im Laden», sagt Ritter. «Wenn beispielsweise eine Kunden einen ‹erlaubten› und einen ‹verbotenen› Artikel kaufen möchte, muss ich sie darum bitten, den ‹verbotenen Artikel› zuerst zu bestellen, bevor sie dann beide Sachen bei mir abholen darf.» Allgemein stelle sie jedoch fest, dass sich die Lage etwas normalisiert habe. «Direkt nach dem neuerlichen Lockdown blieb die Kundschaft aus, weil viele dachten, dass der Laden geschlossen ist.» Die Umsätze seien stark eingebrochen. Und ganz schlimm sei die Situation im Dezember gewesen, als die Läden nur im Aargau geschlossen waren.

Eveline Ritter ist froh, auf ihren gut funktionierenden und etablierten Online-Shop zurückgreifen zu können. «Wir stellen erfreut fest, dass dieser während der Lockdowns vermehrt besucht wird.» Und auch die Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden machen Mut. «Wir spüren eine grosse Solidarität und viele bedauern, dass wir so viel zusätzlichen Aufwand betreiben müssen, um alle Auflagen und Verordnungen des Bundes korrekt erfüllen zu können.»

Es gehe momentan gerade so auf, sagt Eveline Ritter zur finanziellen Situation. «Noch sind wir in der Lage, allen unseren Verpflichtungen nachzukommen.» Sie sagt aber auch, dass es anders aussehen würde, würden die Massnahmen verstärkt oder die Dauer verlängert. Und dann gebe es natürlich noch die emotionale Ebene. «Die zusätzlichen Hürden, die wir durch die Coronamassnahmen nehmen müssen, zehren schon sehr an den Kräften.» Wer ein kleines Detailhandelsgeschäft führe, sei sowieso schon im ewigen Kampf gegen den immer stärker werdenden Online-Handel. «Irgendwann sind auch unsere Energiereserven erschöpft.» Kraft und Mut geben die Treue und die aufbauenden Worte der Kundschaft. «Hoffentlich wird bald alles besser.»


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