Luftgitarre und Jamaika-Pin

  05.02.2021 Sport

Serie «Freiämter Olympioniken»: Dimitri Isler aus Fahrwangen – Olympia 2018 in Pyeongchang

Der 27-jährige Dimitri Isler ist vor zwei Jahren vom Profisport zurückgetreten. Vor dem Rücktritt konnte er an den Olympischen Spielen in Pyeongchang teilnehmen. Er erzählt, wieso ein Pin ein für ihn wertvolles Mitbringsel aus Südkorea ist, weshalb er das Land gern wieder besuchen würde und wieso er nur mit Mikaela Shiffrin ein Selfie gemacht hätte.

Josip Lasic

Die Kameras des Schweizer Fernsehens halten voll auf Dimitri Isler. Der Freestyle-Skifahrer hat gerade seinen ersten Sprung an den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang vollendet. Cool blick er in die Kameras und beginnt Luftgitarre zu spielen.

Der damals 24-Jährige hat allen Grund, zufrieden zu sein. 123,98 Punkte gibt es für diesen Sprung. Rang 7 im ersten Qualifikationsdurchgang der Aerials. Die ersten sechs ziehen direkt in den Final ein. Das hat der in Fahrwangen und Meisterschwanden aufgewachsene Athlet nicht geschafft. Egal. Im zweiten Qualifikationsdurchgang erreicht er den dritten Platz und qualifiziert sich für den Final. «Ich wollte in den Final kommen und dann in die Endrunde. Das erste Ziel habe ich erreicht», sagt Isler damals gegenüber dem «Wohler Anzeiger». Im Final sollte es nicht sein. Der Sportler landet auf dem 12. Rang. «Ich wollte unbedingt ein olympisches Diplom holen», sagt er. «Das habe ich nicht geschafft. Gemessen am starken Teilnehmerfeld kann ich trotzdem zufrieden sein.»

Rücktritt mit nur 25 Jahren

Drei Jahre später sitzt der Olympionike in seinem Wohnzimmer in Seengen. Dort wohnt der Sportler, dessen Heimatort Wohlen ist, mittlerweile mit seiner Partnerin. «Die Olympischen Spiele sind der grösste sportliche Erfolg in meiner Karriere», sagt er. Dabei ist es nicht so, als hätte der mittlerweile 27-Jährige sonst nichts erreicht. Diverse Siege und Podestplätze an Europacups sowie Top-10-Platzierungen an Weltcups und anderen Wettkämpfen schmücken seinen Lebenslauf. Trotzdem: «Die Olympischen Spiele sind etwas ganz Besonderes für einen Sportler.»

In der Zwischenzeit ist Dimitri Isler vom Spitzensport zurückgetreten. Das war 2019, im Alter von 25 Jahren. «Das klingt extrem jung für einen Sportler. Ich habe aber seit meinem 16. Lebensjahr Freestyle-Skiing betrieben. Davor war ich Kunstturner. Damit habe ich mit sechs Jahren begonnen und ebenfalls enorm viel trainiert. 20 Jahre lang Spitzensport zu betreiben, ist eine sehr lange Zeit.»

Sportlicher Leiter des «Swiss Bike Cup»

Während er erzählt, wirkt der Olympiateilnehmer von 2018 sehr ruhig, ausgeglichen und reflektiert. «Diese Eigenschaften habe ich aus dem Sport mitnehmen können», erklärt er. Das Leben als Skiakrobat hat ihn geprägt. Deswegen möchte er dem Sport etwas zurückgeben. Isler arbeitet bei «Human Sports Management», einer Agentur, die auf die Organisation von Sport-Events spezialisiert ist. Seit Januar 2020 ist er Sportlicher Leiter des «Swiss Bike Cup». «Ich finde die Aufgabe enorm spannend. Früher war ich selbst Spitzensportler. Jetzt bin ich auf der anderen Seite und kann meine Erfahrungen einbringen und mit Sportlern zusammenarbeiten.»

Daneben studiert der Olympionike Tourismus. Er möchte aber längerfristig im Sport-Eventmanagement bleiben. «Es gefällt mir sehr gut und war länger mein berufliches Ziel. Ich habe immer gewusst, wie mein Leben in etwa aussehen soll. Bisher ist der Plan gut aufgegangen.»

Vom Kunstturnen zur Skiakrobatik

Anhand seiner Planungen war es auch der richtige Schritt, 2019 den Rücktritt zu erklären. «In einer Randsportart wie Aerials denkt man in olympischen Zyklen», erklärt Isler. «Hätte ich weitergemacht, wäre es nur sinnvoll gewesen, wenn ich den Zyklus bis Peking 2022 gemacht hätte. Nach vielen Verletzungen und einer so langen Zeit im Spitzensport war es richtig, zurückzutreten.»

Dass er überhaupt in der Randsportart Aerials gelandet ist, hat er seiner Kunstturnvergangenheit zu verdanken. In Mettmenstetten steht die Trainingsanlage «Jumpin». Der Ort gilt als das Schweizer «Freestyle-Mekka», wo alle Disziplinen trainiert werden. In erster Linie werden Kunstturner und andere Sportler mit akrobatischen Fähigkeiten gescoutet, um in die Freestyle-Disziplinen zu wechseln, da sie die erforderliche Grundausbildung mitbringen. Durch die geografische Nähe des Seetals, wo Isler aufgewachsen ist, zu Mettmenstetten, war er bei den Verantwortlichen schnell auf dem Radar. Da er wegen einer Handgelenkverletzung mit dem Kunstturnen aufhören musste, war der Wechsel naheliegend.

Zwischen Exoten und Weltstars

Ein Wechsel, der sich lohnen sollte. Er hat es dem Fahrwanger ermöglicht, an den Olympischen Spielen zu starten. Zwischen Athleten aus diversen Nationen, zwischen Superstars und Exoten. «Vor den Exoten habe ich allergrössten Respekt», sagt Isler. «Diese haben teilweise nicht mal im Ansatz die Trainingsbedingungen, die wir beispielsweise in der Schweiz haben. Oft ja nicht einmal Schnee. Dennoch nehmen sie grösste Mühen auf sich für ihren Sport. Und auch sie müssen Leistungen zeigen, um sich für Olympia zu qualifizieren.»

Von den Superstars hat er nicht viel mitbekommen vor Ort. «Wir haben beim Einmarsch beispielsweise Lindsey Vonn gesehen. Das war es aber schon», erzählt der Freestyle-Skifahrer. «Die absoluten Weltstars sind meist abgeschottet. Und wenn sie mal im olympischen Dorf sind, dann steht meist eine Menschenmenge um sie, um Selfies zu machen und Autogramme zu holen.»

Für Dimitri Isler ist diese «Jagd» nach den Superstars nichts. Für ihn waren die Momente wertvoller, wo er «Stars» von Randsportarten wie den Aerials getroffen hat, die der breiten Masse nicht bekannt sind. «Mit ihnen kann man sich in aller Ruhe unterhalten und etwas mitnehmen. Das bringt mir mehr als die Massenabfertigung bei den Selfies.»

Auch dafür war er nicht zu haben. Er hat es bevorzugt, Fotos mit seinen Teamkameraden und Kollegen zu machen, um gemeinsame Erinnerungen zu haben. Für eine Athletin hätte er seine Selfie-Regel aber gebrochen. «Für Mikaela Shiffrin. Sie ist eine enorm gute Sportlerin, hat aber dennoch eine extrem bodenständige Art. Das sagt mir zu. Leider kam es während der Zeit in Pyeongchang nie zu einem Treffen», sagt er lachend.

Der Pin im Geheimversteck

Worauf der Skiakrobat stattdessen Jagd gemacht hat, waren Pins der verschiedenen Nationen. «Diese sind enorm beliebt unter den Athleten. Vor allem jene der exotischen Nationen, von denen es nicht so viele gibt.» Am letzten Abend, bevor das Schweizer Aerials-Team aus Südkorea abgereist ist, konnte er einen Pin von Jamaika ergattern. «Kein olympisches Diplom, keine Selfies, aber dafür habe ich diesen Pin, den ich mitnehmen konnte. Ich hüte ihn wie meinen Augapfel. Der ist hier in meiner Wohnung in einem Geheimversteck.»

Das Aerials-Team ist nach den Wettkämpfen schnell abgereist. Zu schnell für Islers Geschmack. Gerne hätte er mehr von Südkorea gesehen. «Es ist ein faszinierendes Land. Einerseits historisch, wegen dem Korea-Konflikt. Dann ist es topografisch und von der Wirtschaftskraft mit der Schweiz vergleichbar und kulturell doch wieder etwas völlig anderes. Ich glaube, ich muss eines Tages wieder zurückkehren, um das Land zu besuchen», sagt er.

Sport immer noch wichtig

Dimitri Isler betreibt Sport nur noch als Hobby. Wandern, Rad fahren oder Ski fahren, ohne dabei Leistungsdruck zu haben. Und natürlich bei seiner Arbeit im Eventmanagement.

Den Übergang in die Berufswelt hat er laut eigener Aussage gut geschafft. Der Rücktritt ist ihm sicher leichter gefallen, da er seinen Bubentraum von der Teilnahme an den Olympischen Spielen leben konnte. Jetzt hat er mehr Zeit für sich, seine Partnerin, seine Familie und seine Kollegen. Und er hat angefangen Gitarre zu spielen – und nicht mehr nur Luftgitarre. Das dürfen jetzt andere, unter anderem an den Sportanlässen, die er organisiert.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote