Weltreisender «Schmidu»

  29.01.2021 Sport

Regionalfussballheld Stephan Schmid (FC Muri)

Mit ihm könnte man stundenlang diskutieren. Über Gott und die Welt – vor allem über die Welt. Stephan Schmid, der Bauernsohn aus Birri, ist schon seit 40 Jahren gerne auf Reisen. Schon damals, als er für den FC Muri als Stürmer auf Torejagd ging, hat er Spiele verpasst, weil es ihn in die Ferne zog. «So bin ich eben. Die Freiheit ist mir wichtig», so der 58-Jährige. Heute ist er nur in den warmen Monaten im Freiamt und arbeitet als Lehrer – und sonst ist er irgendwo in Südamerika oder Südostasien. Die Verbindung zu seinem FC Muri blieb immer bestehen. --spr


Der Reisende

Fussballserie: «Unsere Regionalfussballhelden»: Stephan Schmid aus Muri (aber in der Welt zu Hause)

Laos, Vietnam, Costa Rica. Stephan Schmid ist überall auf der Welt zu Hause. Doch am schönsten ist es im Stadion Brühl in Muri. Deshalb trifft ihn diese Zeitung genau dort, wo «Schmidu» viele Tore schoss und noch mehr Freunde gefunden hat.

Stefan Sprenger

Irgendwann vor einem halben Jahrhundert an einem Samstagmorgen: Auf einem Bauernhof in Birri ist ein kleiner Junge am «Heuen». Sein Name: Stephan Schmid. «Schon morgens habe ich 15 Kilometer mit der Heugabel zurückgelegt. Dann gings am Nachmittag ans Spiel.» Und dort spult er nochmals 15 Kilometer ab. Und erzielt meistens ein Tor.

Ein «Reisefüdli» war er schon immer

Heute ist Stephan Schmid 58 Jahre alt. Er sitzt auf der Tribüne im Stadion Brühl in Muri. Er trägt farbige Sneakers und einen luftigen Pullover – und das bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. «Bald gehe ich wieder in die Wärme», sagt der Lehrer, der nur temporär eine Schulklasse übernimmt. Er will sich gar nicht erst an die kalten Temperaturen gewöhnen. Denn nur wegen Corona ist er in dieser Jahreszeit überhaupt in der Schweiz. «In den kalten Monaten bin ich auf Reisen – schon immer.»

Laos, China, Myanmar, Indonesien, Vietnam, Kambodscha, die Philippinen, Argentinien, Costa Rica: Die Liste seiner Lieblingsdestinationen ist lang. Er besuchte schon alle fünf Kontinente. Am liebsten ist er in Südamerika und Südostasien. «Dort ist es noch möglich, mit wenig Geld zu reisen und viele nette Menschen kennenzulernen.» Oft ist er mit dem Töff unterwegs. Im letzten Jahr vier Wochen durch Vietnam. Manchmal ist er alleine unterwegs, manchmal kriegt er Besuch von Freunden und spielt dann den Reiseleiter. Und immer lernt er unterwegs freundliche Einheimische kennen. «Ich bin eigentlich nie alleine.»

Ein «Reisefüdli», wie er es nennt, war er schon zu seiner Aktivzeit als Fussballer. Entdeckt wurde er an einem Grümpelturnier von FC-Muri- «Scout» Bizzotto. Mit zwölf Jahren fing er bei den C-Junioren an. «Die Noten mussten stimmen. Und ich musste auf dem Bauernhof mithelfen. Wenn ich dies gut machte, durfte ich Fussball spielen gehen», erzählt er.

Stellvertretungen als Lehrer

Stephan Schmid verlässt in seiner Karriere den FC Muri nie. In den Glanzzeiten kickt er in der 1. Liga. «Wir waren eine Truppe aus lauter Einheimischen. Wir alle waren gute Freunde. Und sind das teilweise bis heute geblieben.» Samstags treffen sich die «alten Muri-Haudegen» zu einem Bier und Fussballspiel im «Wave». «Bundesligabierli» nennt Schmid das.

Oft ist er nicht dabei. Schmid machte als junger Mann die KV-Lehre auf der Gemeinde in Merenschwand. Auf dem zweiten Ausbildungsweg wurde er Lehrer. Heute übernimmt er nur Stellvertretungen an den Schulen. Denn er will sich nicht binden und weiterhin auf Reisen gehen. Sein Leben hat er auf diesen Lebensstil ausgerichtet. Er wohnt in einer 1-Zimmer-Wohnung in Muri, dort hat es wenig Platz – genauso wie für eine Freundin. «Dem Reisen ordne ich alles unter. Dementsprechend ist mein Lebensstil in der Schweiz wenig luxuriös.» Dafür geht er zufrieden durchs Leben. «Ich kenne schöne Orte und tolle Menschen auf der ganzen Welt. Das Reisen ist mein Weg des Lebens. Das Gen der Freiheit meine Berufung», sagt er fast schon ein wenig philosophisch.

Das Freiamt ist und bleibt aber seine Heimat. Hier hat er seine Anker gesetzt. Seine Mutter und seine Geschwister, seine Kumpels – und natürlich der FC Muri, wo er immer gerne an den Heimspielen ist, wenn er nicht gerade irgendwo im Dschungel in Vietnam mit dem Töff durchbrettert.

«Wenn das Urs Bächer liest»

Seine Erinnerungen an die fussballerische Lauf bahn beinhalten viele Tore. Der Stürmer war immer für eine Kiste gut. «Das wichtigste Tor meiner Karriere war beim Ehemaligen-Spiel bei der Eröffnung der Niedermatten in Wohlen. Wir haben gewonnen», erzählt Schmid und schiebt lachend nach: «Wenn das Urs Bächer liest.»

Und da drückt die wahre Errungenschaft durch, die Schmid viel wichtiger war als seine Erfolge: die Kameradschaft. «Wir sind um die Clubhäuser der Fussballplätze gezogen», so Schmid. Ob Zinsmatten, Bärenmatten, Bühlmoos, Paul-Walser-Stiftung oder auf der Brühl, «nach den Spielen sind wir zusammengesessen und haben die Zeit mit einem Bier genossen». Schmid schiebt nach: «Menschen sind wichtiger als Tore.» Dann erzählt er, wie unsäglich er es findet, dass im heutigen Amateurfussball die Kicker schon viel Geld kassieren, «nur damit sie dem Ball nachrennen». Früher sei dies anders gewesen.

Er erzählt, wie dankbar er den drei Menschen noch ist, die ihm einst in seinen Juniorenzeiten Fussballschuhe gekauft haben, weil er selbst kein Geld dafür hatte. FC-Muri-Platzwart «Shorty», seine Schwester und ein Ex-Präsident des FC Muri (Name unbekannt) waren die drei Gönner. «Das vergesse ich ihnen nie.»

Auch heute noch schätzt er die «alten Haudegen» von damals, wie er sie immer wieder nennt. Im letzten Herbst ging er ans Spiel des FC Wohlen gegen den FC Baden. «Es war wunderbar zu sehen, wie viele von früher noch als Zuschauer an den Spielen dabei sind.»

Schmid hat viele Fussballer beim FC Muri erlebt. «Tolle Typen.» Namen will er keine nennen. Ausser eine Person möchte er herausheben: Hans Hübscher. «Was er geleistet hat für den FC Muri ist riesig.»

In Hägglingen «ausgewechselt»

Stephan Schmid ist auch heute noch mit dem Fussball verbunden. Mit 32 Jahren liess er sich zum Trainer ausbilden. Bei Eschenbach (3. Liga) und eine halbe Saison beim FC Hägglingen stand er an der Seitenlinie. In Hägglingen wurde er damals entlassen. «Ich wurde ausgewechselt», wie er lachend sagt. Der Grund: Spielmacher Roger Geissmann kickte in der Vorrunde bei den Senioren und wir waren schlecht dran. In der Rückrunde gab Geissmann sein Comeback, Hägglingen schaffte den Klassenerhalt. «Wenn ich Geissmann schon im Team gehabt hätte, dann hätte ich den Klassenerhalt auch geschafft.»

Schmid definiert: «Ein guter Trainer braucht Erfahrung. Damals war ich kein guter Coach, heute wäre das anders.» Doch mittlerweile ist er Instruktor beim Fussballverband und er ist verantwortlich, dass weitere Trainer ihr Diplom erhalten. Spannender Fakt: Damals, vor rund 25 Jahren, macht er zusammen mit den Nati-Legenden Karl Engel und Köbi Kuhn das Instruktoren-Diplom.

Schmid sitzt lässig auf der Tribüne im Stadion Brühl. Er erzählt, dass er auch mal gerne einen Kampf der Ringerstaffel Freiamt anschaut oder momentan die Handball-WM mitverfolgt. «Ich bin ein Sportfan», meint er.

Seinen letzten Einsatz als Aktivspieler hatte Stephan Schmid eigentlich nach seinem Rücktritt. Als er Trainer des FC Muri II war, war das «Eis» in der 1. Liga gerade dünn besetzt. Schmid half aus – und erzielte auswärts in Ascona sein letztes Tor der Karriere – und das mit 36 Jahren.

Bald wieder in Costa Rica

Stephan Schmid, der von sich selbst sagt, eine hervorragende «Work-Life-Balance» zu besitzen, ist momentan als Aushilfslehrer tätig. «Nicht mehr lange», sagt er und erzählt, dass er in wenigen Wochen wieder nach Costa Rica geht. Dort war er schon den ganzen Dezember. Schmid kennt in Costa Rica die Murianer Geschwister Alice und Berni Iten, die vor über 25 Jahren auswanderten. «Ich freue mich. Sonne, Strand, tolle Menschen – und ein wenig arbeiten.» Und wenn er mit der Badehose am Pool in Costa Rica liegt, erinnert er sich nochmals an die Zeit als kleiner Junge auf dem elterlichen Bauernhof, als er vor dem Torjubel am Nachmittag zuerst das Heu zusammenkratzte.


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