Wieder ein Extremereignis

  26.01.2021 Region Bremgarten

Der grosse Schneefall hinterlässt auch in den Freiämter Wäldern deutliche Spuren

Das Ausmass der Schäden ist zwar deutlich kleiner als einst beim Sturm Lothar im Winter des Jahres 1999. Doch das Aufräumen gestaltet sich trotzdem aufwendig.

Annemarie Keusch, André Widmer

Leonz Küng, Revierförster und Leiter des Forstbetriebs Wagenrain, muss nicht weit vom Betriebsgebäude am Bremgarter Waldrand weg in den Wald fahren, um die ersten Schäden zu sehen. Entlang der Bahnstrecke haben die Schneemassen viele Bäume geknickt, weshalb die Züge einige Tage ausfiel. Der grosse Schneefall von vorletzter Woche hat über das ganze Gebiet des Betriebes, insbesondere in Wohlen und Bremgarten, aber auch zu einem etwas geringeren Masse in Hägglingen, Dottikon und Waltenschwil seine Schäden am Wald hinterlassen.

Einzeln verstreut

Früher schon Stürme, dann die Trockenheit, nun der Schnee: Der Wald muss einiges aushalten. «Es war ein Extremereignis», sagt Leonz Küng. Noch hat man nicht alle Areale gesichtet, doch er rechnet mit 2000 Kubik Schadholz auf dem Waldgebiet des Forstbetriebs Wagenrain. Zwar kaum ein Vergleich mit den 80 000 Kubik vom Sturm Lothar, aber immerhin wird der jetzige Schaden den Forstbetrieb für zwei bis drei Monate voll beschäftigen. Gemäss Küng ist es aufwendig, weil viele einzelne Bäume weit verstreut herumliegen und nicht ganze Areale betroffen sind. Das macht die Aufräumarbeiten personalund materialintensiv.

«Solche Schneefälle habe ich letztmals vor fünfzehn Jahren erlebt», sagt Tobias Wiss. Der Förster leitet seit 2016 den Forstbetrieb Reuss-Lindenberg, der die Wälder der Gemeinden Merenschwand, Mühlau, Beinwil, Buttwil und Geltwil bewirtschaftet. Wiss weiss also, wie viel Arbeit auf die Forstleute zukommt. Einen ersten Überblick über die in seinem Forstbetrieb entstandenen Schäden hat er sich gemacht, das ganze Ausmass sei aber schwierig abzuschätzen. «Es liegt noch zu viel Schnee, vor allem in den höheren Gebieten, um alle entstandenen Schäden zu sehen», sagt er. Was er weiss: Die Schneemassen zwingen den Forst zu Holzschlägen, die nicht geplant waren.


Ein Fünftel der Jahresnutzung

Forstbetrieb Wagenrain: Nach dem grossen Schneefall ist nun das grosse Aufräumen bei den Waldschäden angesagt

Umgefallene oder abgeknickte Bäume, viel abgebrochenes Geäst: In den Wäldern von Bremgarten, Wohlen, Hägglingen, Dottikon und Waltenschwil haben die Forstleute derzeit viel zu tun.

André Widmer

Rund anderthalb Wochen nach dem grossen Schneefall in der Region, wo über 30 Zentimeter der weissen Pracht fielen, wird nicht nur in den Gärten und in den Dörfern, sondern insbesondere auch im Wald aufgeräumt. Viele Sträucher und Bäume haben Schaden erlitten. Das schiere Gewicht des insbesondere in tieferen Lagen sehr feuchten Schnees hat das Gehölz geknickt, teilweise ganze Bäume zum Umfallen gebracht. Die Hauptverbindungsstrassen in der Region und mittlerweile auch die Bahn zwischen Bremgarten und Wohlen sind wieder befahrbar und in Betrieb. Doch wer einen Blick in den Wald wagt, sieht: Der Schaden ist beachtlich. Einige der kleinere Waldstrassen sind nach wie vor unpassierbar.

Kaum ein Vergleich mit Lothar

Leonz Küng, Revierförster und Betriebsleiter des Forstbetriebs Wagenrain, schätzt die neue Menge des Fallholzes auf dem Gebiet der fünf angeschlossenen Gemeinden total auf rund 2000 Kubik. Das ist rund das Doppelte vom Forstbetrieb Reuss-Lindenberg (siehe unten). Gewisse Stellen konnten jedoch noch nicht überprüft werden, erklärt er.

«Es war ein Extremereignis», klassifiziert Leonz Küng den Schaden von diesem Januarschneefall. Doch es lasse sich niemals mit den immensen Schäden vom Sturm Lothar im Jahr 1999 vergleichen, wo rund 80 000 Kubik Holz anfielen. Bei den Fichten ist oft der «Kopf» abgeknickt, Eichen und Buchen habe es gespalten. Die Esche zudem sei sonst schon geschwächt, seit vielen Jahren gibt es in unseren Breitengraden das Eschensterben aufgrund eines Pilzbefalls.

Kommt hinzu, dass viele Bäume auch unter der Trockenheit und tieferen Grundwasserständen, welche der Klimawandel verursacht hat, leiden und ihnen der Borkenkäfer zusetzt.

Die 2000 Kubik Holz jetzt entsprächen etwa einem Fünftel einer normalen Jahresnutzung. Für den Forstbetrieb Wagenrain bedeutet der Winterschaden einen Arbeitsaufwand von zwei bis drei Monaten. Bis der Wald wieder durchgängig passierbar ist, wird es allerdings dauern. Entlang der grösseren Strassen hat man das Holz zur Seite geschoben, vielfach wird das Wegräumen erst noch kommen. Etliche kleinere Waldwege aber sind weiterhin schwerlich zu passieren und müssen noch geräumt werden. «Wir haben 100 Kilometer Waldstrassen», gibt Revierförster Leonz Küng zu bedenken, teilweise habe es alle 20 Meter etwas wegzuräumen. Die Forstarbeiter sind im Stress: Nachdem nun praktisch alle Borkenkäferschäden durch die Trockenheit vom Forstbetrieb aufgeräumt worden sind, gelte es nun das Fallholz von diesen Schneeschäden relativ schnell wegzuräumen. «Sonst kommt der Käfer», warnt Küng. «Ich hoffe, es kommt nicht noch ein Sturm.» Der Aufwand für die Aufräumarbeiten gestaltet sich zudem auch personalmässig und technisch gross, weil es viele vereinzelte Bäume über ein grosses Gebiet verteilt sind und nicht ein ganzes zusammenhängendes Areal betroffen ist. Leonz Küng schätzt die Schäden in Wohlen und Bremgarten grösser als in Dottikon und Hägglingen. In tieferen Lagen war der Schnee nasser und drückte deshalb schwerer auf die Gehölze.

Nicht Strassen zuparkieren

Für die Forstarbeiter wäre es in den nächsten Wochen wichtig, dass Waldbesucher nicht an Waldkreuzungen und Waldrändern vor den Fahrverboten ihre Autos parkieren würden und damit den Zugang des Forstbetriebes mit grösseren Gerätschaften und Lastwagen noch zusätzlich erschweren. «Waldstrassen sind Strassen und keine Parkplätze», so Leonz Küng. Wichtig ist der Zugang nicht nur für die Räumungsarbeiten, sondern auch für den Abtransport von den Holzsammelstellen für die Schnitzelheizanlagen.

Etwas Positives kann Forstchef Leonz Küng dem vielen Schnee dennoch abgewinnen: «Im Boden hat es kaum noch Wasser gehabt.» Die Jahre 2018 und 2019 seien besonders trocken gewesen, 2020 nur etwas besser, es habe aber kaum in die Wurzeln und das Grundwasser gereicht. Vielleicht hilft nun die Schneeschmelze etwas.


Der Natur ausgeliefert

Auch im Forstbetrieb Reuss-Lindenberg fielen einige Bäume dem Schnee zum Opfer

Bei einigen Fichten ist die Spitze geknickt, Buchen, Schwarzerlen und Eschen sind ganz umgefallen. Die grossen Schneemassen sorgten im Wald für einige Schäden. «Das ist die Natur», sagt Tobias Wiss, Leiter des Forstbetriebs Reuss-Lindenberg.

Wie gross der Schaden ist, kann Tobias Wiss nicht beziffern. Er spricht von Streuschäden, immer wieder sind einzelne Bäume umgefallen, anderen knickten die Spitze oder einzelne Äste ab. «Wie viel wirklich kaputt ist, wird sich erst zeigen, wenn aller Schnee geschmolzen ist», sagt Tobias Wiss. Der Forstbetrieb Reuss-Lindenberg ist für die Wälder der Gemeinden Merenschwand, Mühlau, Geltwil, Buttwil und Beinwil verantwortlich. 500 Hektaren gross ist die totale Fläche, inklusive Privatwald.

Während die meisten Leute ihre helle Freude an der grossen Schneemenge hatten, blickte Förster Wiss an besagtem Donnerstag bangen Blickes nach draussen. «Ich befürchtete, dass es zu massiven Schäden kommt im Wald.» Tage nach dem Schnee fuhr er das ganze Gebiet ab, schaute sich die Situation an, entschied, wo aufgerüstet werden muss, wo Bäume gefällt werden müssen und ob die Arbeiten von Hand – mit Motorsäge und Seilwinde – oder mit dem Vollernter ausgeführt werden können. «In den höheren Lagen in Buttwil, Geltwil oder Beinwil ist gar noch nicht an Aufräumen zu denken. Es liegt noch zu viel Schnee.» Zudem sei der Waldboden an einigen Orten viel zu nass, um mit den schweren Maschinen befahren zu werden. Wiss sagt aber auch, dass die Schäden auf über 700 Metern über Meer weniger gross seien. «Dort ist es kälter, der Schnee leichter.»

Geplante Holzschläge unterbrochen

Unter der Last des Schnees umgekippt oder grossen Schaden genommen haben laut Tobias Wiss in erster Linie Eschen. «Wegen der Pilzkrankheit Eschenwelke sind sie schon geschwächt und konnten dem Druck nicht standhalten», erklärt er. Auch Buchen mit relativ grosser Krone hat es einige erwischt.

Der Schnee hat die Arbeit im Forstbetrieb die letzten Tage und Wochen bestimmt. Strassen sperren, aufräumen. «Die geplanten Holzschläge sind vorläufig unterbrochen», sagt Wiss. Erst gelte es die Schneedruck-Schäden aufzuräumen. Auf ungefähr tausend Kubik schätzt der Förster den Schaden, ein Viertel des jährlichen Hiebsatzes im Gebiet. Seit Jahren sei wirklicher Waldbau, mit geplanten Holzschlägen anstatt Sicherheitsholzschlägen nach Stürmen, wegen Krankheiten oder dem Borkenkäfer, nicht mehr möglich, sagt Tobias Wiss. Fünf Jahre ist er Leiter des Forstbetriebs Reuss-Lindenberg. Seit fünf Jahren bearbeiten er und sein Team Sicherheitsholzschläge. «Das könnte einem schon verleiden, aber es ist unser Job», sagt Wiss.

Kleine Fichten befreit

Als Förster müsse man lernen, damit zu leben, dass die Natur den Alltag bestimmt. «Gegen Naturereignisse, ob Sturm oder Schnee oder Hitze, können wir schlichtweg nichts machen.» Vereinzelt seien sie zwar mannshohen Fichten nachgegangen, um sie vom Schnee zu befreien. «Bei grossen Bäumen ist das natürlich unmöglich. Wir sind den schönen und weniger schönen Launen der Natur ausgeliefert.» --ake


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