Der Vater war ein Bestseller

  22.01.2021 Sport

Regionalfussball-Helden: Franz und Raphael Peterhans aus Niederwil

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Vater Franz Peterhans und Sohn Raphael Peterhans sind zwei bekannte Namen im Freiämter Fussball. Der eine war Schweizer Meister mit Servette. Der andere hat das Trikot von fünf verschiedenen Teams aus der Region getragen.

Josip Lasic

«Ich habe das schnellste Tor in einem Saisoneröffnungsspiel erzielt. Doch es wurde leider aberkannt», erzählt Franz Peterhans. 1984 brachte er zum Meisterschaftsauftakt der Nationalliga A den FC Wettingen in der ersten Minute gegen den SC Zug in Führung. Wettingen gewann damals mit 3:2. «Zug hatte aber einen nicht qualifizierten Spieler eingesetzt. Die Partie wurde 3:0 Forfait für uns gewertet und mein Tor aus der Wertung genommen.» Solche spannenden Anekdoten aus seiner Karriere hat Franz Peterhans viele.

Er sitzt in der Wohnung seines Sohnes Raphael in Niederwil. Auch sein Junior ist Fussballer geworden. Aktuell ist er Captain des FC Niederwil. Auch sein Sohn hört gespannt den Geschichten des Vaters zu.

Geschichten aus jener Zeit bei Servette Genf in den Jahren 1978 und 1979. Er wird mit Servette zweimal Cupsieger, einmal Meister, einmal Ligacupsieger, einmal Alpencupsieger. «In dieser Zeit habe ich national wirklich alles geholt, was möglich war», sagt Franz Peterhans stolz. Sein Sohn sagt etwas enttäuscht: «Ich hätte ihn gern zu Aktivzeiten erlebt.» Doch dazu kommt es nicht, weil Raphael Peterhans 1988 zur Welt kommt. Der Vater ist da bereits 33 Jahre alt und beendet zwei Jahre später seine Profikarriere beim FC Wettingen und engagiert sich danach als Spielertrainer und Funktionär im Amateurfussball.

Kaffee mit Karl-Heinz Rummenigge

«Ich kann deine Leistungen besser bewerten als du meine», lacht der Vater. Der 65-jährige Franz Peterhans holt sich in der Wohnung seines Sohnes einen Kaffee. Dass die Wohnung einem Fussballer gehört, merkt man schnell. Auf der Türmatte prangt das Logo des FC Bayern. Auf dem Arm hat er ein Tattoo. «Mia san mia», der Slogan des FC Bayern. Sofort haut Franz Peterhans wieder eine Geschichte raus. «Bei einem Besuch in München habe ich Karl-Heinz Rummenigge gesehen. Ich rief sofort rüber ‹Kalle, wir haben mal beim gleichen Verein gespielt.› Während sich Rummenigge noch gefragt hat, was ich für ein Vogel bin, habe ich ihm erzählt, dass ich einige Jahre vor ihm auch bei Servette gespielt habe. Er nahm mich dann in den Arm und hat mich auf einen Kaffee eingeladen.»

Ein blitzschneller Aufstieg

Vater und Sohn – sie sind gleichermassen begeistert voneinander. «Es erfüllt mich mit Stolz, wenn ich so Geschichten über meinen Vater höre. Er wird auch häufig wiedererkannt», so Raphael Peterhans. «Oft kommen aber dann die Sprüche, wieso ich nicht auch so eine Karriere hingelegt habe.»

Die fussballerischen Lebensläufe der beiden haben grosse Unterschiede. Franz Peterhans war ein Spätzünder. Mit 14 Jahren fing er bei den B2-Junioren des FC Tägerig an. Innerhalb eines Jahres kam der Transfer zu den A-Inter-Junioren des FC Wettingen, wo er es zwei Jahre später in die erste Mannschaft schafft. 35 Kisten erzielt er in der 1. Liga. Das Team steigt auf. Mit 17 Jahren gelingt das erste NLB-Tor gegen Mendrisio. Die ganze Fussballschweiz war hinter ihm her. Am Ende entschied er sich für Servette. Der richtige Schritt. «Bis heute gibt es einen Fanclub aus Muri, der regelmässig an Servette-Spiele geht. Ursprünglich haben sie wegen mir mit diesen Reisen angefangen.»

Franz Peterhans spielt anschliessend beim FC Zürich und bei den Young Boys, bevor er wieder zu Wettingen geht. Nach 15 Jahren als Profi ist Schluss. Während seiner Zeit in der höchsten Schweizer Liga war Franz Peterhans ein Blockbuster, ein Bestseller, ein Strassenfeger in Niederwil. Die Leute gingen nach Hause, um die Spiele mit «ihrem Franz» zu sehen.

Sein grösstes Erlebnis war ein Turnier mit dem FC Zürich im Camp Nou in Barcelona. «Wir haben gegen Anderlecht und Barcelona gespielt. 90 000 Zuschauer waren vor Ort. Das war unglaublich.» Der Tiefpunkt: Wie zwei andere Freiämter – Bruno Hüsser und Rainer Stutz – stand er im Kader des FC Wettingen im ominösen Spiel gegen den SSC Neapel und Diego Maradona. Und wie Hüsser und Stutz wurde er nicht eingesetzt. «Sonst hätten wir gewonnen», sagt der Goalgetter von damals. Auch mit der Nationalmannschaft sollte es nichts werden. Einmal stand der Niederwiler im Aufgebot. Eine Verletzung verhinderte den Einsatz. «Mit Claudio Sulser, Rudolf Elsener oder Fritz Künzli hatte ich auch starke Konkurrenz in der Offensive.»

Einmal quer durch das Freiamt

Es erstaunt nicht, dass die Söhne Benjamin und Raphael auch dem runden Leder gefolgt sind. Der vier Jahre jüngere Benjamin hört nach der U15 beim FC Baden mit dem Fussball auf und entdeckt seine Leidenschaft fürs Schwyzerörgeli-Spielen. «Natürlich hatte ich Freude als Vater, dass die Söhne Fussball spielen. Aber ich habe sie nie zu etwas gezwungen und Benjamins Entscheidung respektiert. Fussball ist eine gute Lebensschule. Doch er ist jetzt so mit Leib und Seele bei der Musik – das ist das Richtige für ihn.»

Raphael bleibt beim Fussball dran. Er besucht eine Fussballschule in Frauenfeld. Dort lernt er den jetzigen FC-Basel-Spieler Fabian Frei kennen. Und plötzlich hat auch er eine Anekdote bereit. «Fabian und ich waren während der Fussballschule beste Freunde. Vor einigen Jahren habe ich in Manchester das Champions-League-Spiel zwischen United und Basel besucht und zu Fabian gerufen, dass er mir nach dem Spiel sein Trikot bringen soll. – Er hat es getan.»

Raphael Peterhans spielt im Nachwuchs des FC Baden und des FC Aarau. Der Durchbruch will nicht gelingen. Es beginnt eine fussballerische Odyssee durch das Freiamt. FC Muri, FC Sarmenstorf, FC Wohlen U23, FC Mutschellen und dazwischen immer wieder «sein» FC Niederwil, wo er jetzt seit rund sechs Jahren wieder spielt und Captain ist. In den Jahren bei den diversen Vereinen aus der Region spielt er häufig in der 1. Liga classic und der 2. Liga interregional und kratzt an höheren Gefilden. «Ich war immer der Bessere, darum habe ich es auch weiter geschafft», neckt Franz Peterhans seinen Sohn. «Im Ernst. Du warst schneller als ich. Obwohl du Mittelfeldspieler bist, triffst du ähnlich häufig per Kopf wie ich. Mit etwas mehr Biss hätte es nach oben gereicht.» Raphael denkt kurz nach. «Vielleicht. Aber irgendwann wollte ich mir den Stress nicht mehr antun. Obwohl ich sagen muss, dass ich in der 2. Liga interregional teilweise nicht mehr trainiert habe als jetzt in Niederwil und der Aufwand nicht zwingend viel grösser gewesen wäre.»

Unglücklich ist er mit seinen Stationen jedenfalls nicht. «Es gab überall sehr schöne Momente und jetzt habe ich in der Meisterschaft mehrere Derbys gegen meine Ex-Vereine. Es könnte schlimmer sein.» Er konnte auch bei den meisten Vereinen einen positiven Eindruck hinterlassen. «In Sarmenstorf und auf dem Mutschellen wurde ich auch angefragt, ob ich dort Teamcaptain sein will. Bei solchen Clubs finde ich, sollte es aber ein Einheimischer sein. Ich brauche das nicht. Wenn ich dem Team etwas geben kann, gebe ich es auf dem Fussballplatz. Ich weiss, was ich kann.» Er ergänzt augenzwinkernd: «Mittlerweile bin ich ja schon einer der älteren im Team. Da kann ich mir den Luxus rausnehmen, das Spiel zu organisieren und die Jüngeren etwas mehr laufen zu lassen.»

Die ersten Fussballschuhe

Mittlerweile ist Franz Peterhans seit zehn Jahren Spielertrainer der Veteranen des FC Niederwil. Mit 32 Jahren ist Raphael auch nicht mehr weit weg vom Alter der Senioren. «Vielleicht spielen du und Benjamin ja noch einmal mit mir bei den Senioren», sagt der Vater. Der Sohn nickt. «Wer weiss.»

Dann steht Raphael Peterhans auf und geht in sein Schlafzimmer. Er kramt zwei Fussballschuhe der Grösse 24 hervor. «Das sind die ersten Töggelischuhe, die du mir gekauft hast», sagt er zu seinem Vater. «Die hast du noch?» Der Vater hält den einen Schuh in der Hand, der Sohn den anderen. Sie lachen.


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