Des Sammlers grösster Schatz
01.12.2020 MuriMit einer Vernissage wurde die neue Weihnachtsausstellung im Museum Kloster Muri eröffnet
Die Königsberger Krippe ist sehr selten. Bei der Ausschaffung der Sudetendeutschen in den 1940er-Jahren überlebten nur wenige. Eine hat Alfred Dünnenberger und er leiht sie dem Museum Kloster Muri aus.
Annemarie Keusch
Die Miniaturfiguren sind teilweise nur wenige Millimeter gross. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Tradition gepflegt im Raum Königsberg. Vor allem waren es ursprüngliche Deutsche, die die Königsberger Krippen, die Miniaturfiguren auf glitzerndem Untergrund, anfertigten. «Oft waren es Polizisten, Bäcker oder Tischler, die die Figuren schnitzten», weiss Sammler Alfred Dünnenberger. Selbst die Werkzeuge zum Schnitzen fertigten sie selber an – so kleine Werkzeuge gab es schlicht nicht.
Die Königsberger Krippen sind immer genau gleich aufgebaut, mit dem Stall im Zentrum, links davon ein Durchblick in die Eremitenhöhle, wo etwa fromme Männer bei der Bibellektüre gezeigt werden. Rechts vom Stall ist die Paradieshöhle, links führt eine steile Treppe auf die mittlere Ebene, mit dem Königszug mit den drei Weisen, die vor den Toren Jerusalems stehen. Es sind wenige Beispiele für die vielen Darstellungen.
Verkäuferin bekniet
Dass Königsberger Krippen selten sind, hat mit der Ausschaffung der Sudetendeutschen zu tun. Nur wenige Krippen überlebten diese Nachkriegszeit. Auch jene von Dünnenberger war nicht komplett, als er sie teuer kaufte und nicht alle Lose erwerben konnte. «Ausgerechnet Maria, Josef und der Verkündungsengel fehlten», sagt er. Bekniet habe er die Verkäuferin, dass die Krippe nicht auseinandergerissen werden dürfe. Der glitzernde Untergrund aus zerbrochenem Glas fehlte komplett. Als «Coronaprojekt» fertigte Dünnenberger diesen aufwendig nach.
Die Königsberger Krippe ist eines der Highlights der neuen Weihnachtsausstellung unter dem Titel «Von Königsberg bis London», die am Samstag eröffnet wurde.
Zwei Museen feiern gemeinsam
Das Weihnachtsfest ist bei Murikultur heuer ein Spezielles – mit vielen auserlesenen Sammlerstücken
Seit 45 Jahren sammelt Alfred Dünnenberger. Eine kleine Auswahl seiner riesigen Sammlung bildet die diesjährige Weihnachtsausstellung. Im Zentrum steht Weihnachtsschmuck ursprünglicher Art, wie es ihn von 1850 bis 1950 gab. Da hängt durchaus auch mal ein Grammofon am Baum.
Annemarie Keusch
Sein Sammlerherz schlage höher. Dass Alfred Dünnenberger seine Sammlung im Museum Kloster Muri zeigen darf, freut ihn. Das Sammlerherz vieler Besucherinnen und Besucher dürfte aber noch höher schlagen. Viele zücken das Handy und fotografieren den üppig geschmückten Weihnachtsbaum. Auch die Krippen sind ein beliebtes Fotosujet. Begeistert sind alle, die an der Vernissage zur neuen Weihnachtsausstellung dabei waren.
Coronabedingt fand die Eröffnung draussen statt. Murikultur-Geschäftsführerin Heidi Holdener erzählte dabei vom ersten Besuch bei Alfred Dünnenberger. «Uns tat sich eine Schatzkammer auf. Das war unglaublich eindrücklich.» Dass die Ausstellung im Rahmen der mittlerweile schon drei Jahre stattfindenden Serie «Wunderbare Weihnachtsbräuche aus aller Welt» heuer eine klassische Inszenierung umfasse, sei ein bewusster Entscheid gewesen. Nach dem Einblick in Alfred Dünnenbergers Schatz erst recht.
Seit 45 Jahren Sammler
Geduld, Ausdauer, Sammlerglück und bisweilen auch Hartnäckigkeit hätten dafür gesorgt, dass Dünnenbergers Sammlung in den letzten 45 Jahren stetig anstieg. «Das, was wir in unseren Räumlichkeiten sehen, ist ein kleiner Bestandteil des Ganzen.» Kuratiert ist die Ausstellung von Rudolf Velhagen. Und dieser hatte dabei die Qual der Wahl. Mit dem Resultat sind er und Sammler Dünnenberger zufrieden. «Hier wird das lebendig, was mein Leben seit 45 Jahren prägt», sagt der Chamer Sammler. Es ist die wahre, ursprüngliche Weihnacht, die ihn verzaubert. «Die Ausstellung zeigt, wie sich die Leute früher mit viel Herzblut auf Weihnachten vorbereitet haben.»
Spricht Dünnenberger über Weihnachten in der heutigen Zeit, bezeichnet er diese als «sinnentleerter Konsum». Darum ist es sein Ziel, das Bewusstsein, das früher Weihnachten und speziell dem Weihnachtsbaum galt, zu erhalten und zu fördern.
Dünnenbergers Weihnachtsbaum im Äbtekeller
Auch Andrea Portmann, Direktorin von Aargau Tourismus, liess sich von den vielen kleinen und grösseren Sammelobjekten Dünnenbergers verzaubern. «Dass dieses grosse Projekt trotz der unsicheren Zeiten durchgeführt wurde, verdient viel Anerkennung und Dank», betonte sie. Portmann erinnerte sich an Weihnachten in ihren Kindertagen, an die verschlossenen Türen, an das Glöcklein, das klingelte, und die Türen zum Baum, die dann aufgingen. «Der Christbaum spielte in meiner Kindheit und er spielt jetzt in meiner eigenen kleinen Familie die zentrale Rolle.»
So ist es auch bei den Dünnenbergers. Der Weihnachtsbaum, der eigentlich normal in ihrer Stube steht, steht nun im Äbtekeller des Museums Kloster Muri. Diesen üppiger zu schmücken, ist wohl kaum möglich. Er leuchtet in allen Farben und ist ein Sammelsurium dessen, was zwischen 1850 und 1950 an den Weihnachtsbäumen hing. «Der Schmuck war immer topaktuell. Da hing auch ein Auto am Baum, wenn dieses neu erfunden wurde.» Auch Schmuck aus der viktorianischen Zeit – etwa eine Jazzband – ziert Dünnenbergers Weihnachtsbaum. «Die grössten Produktionen hierfür gab es im Erzgebirge.» Wie er selber zu all den Stücken kam? «Auf Reisen besuche ich Antikgeschäfte, mittlerweile sind Händler und Auktionen die besten Quellen.» Aber Dünnenberger warnt: «Der Schrott, der teilweise verkauft wird, ist bedenklich.»
Aus allen möglichen Materialien
Kurator Velhagen gab den Vernissagen-Besuchern einen Einblick in die Räume des Singisen-Forums, die mit Dünnenbergers Objekten gefüllt wurden. Fünf historische Krippen im Gang machen den Auftakt. «Sie zeigen, wie die Krippen in unterschiedlichen Schichten anders waren», führte Velhagen aus. Von der «Arme-Leute-Krippe» bis zur «Faulenzer-Krippe» erhalten die Besucher einen spannenden Einblick. Ein Ausstellungsraum steht im Zeichen der vorweihnachtlichen Zeit. Historische Adventskalender, Wunschbriefe oder alttestamentarische «Verheissungskarten» verweisen auf vergangene Zeiten. «Damals war die Adventszeit noch Buss- und Fastenzeit.»
Im mittleren Raum ist Christbaumschmuck aus verschiedenen Materialien zu sehen. Von Eisenblech über Rauschgold, aber auch umhäkelte kaputte Glühbirnen oder Schmuck aus Karton und Alu sind zu sehen. Oder ein Pfau aus blossem Glas. «Handwerker, die das machen können, gibt es kaum mehr.» Das Handwerk zurückzugewinnen ist eines von Sammler Dünnenbergers Zielen. Im dritten Raum erhalten die Besucher Einblick in eine weihnachtliche Stube.
Brücke zu Charles Darwin
Erstmals Teil der Weihnachtsausstellung ist auch das Museum für medizinhistorische Bücher, das Privatmuseum von Doktor Franz Käppeli, unter der Leiterung von Beatrice Green-Pedrazzini. Mit einem viktorianischen Seitenblick werden die Besucherinnen und Besucher im Besucherzentrum auf die Weihnachtsausstellung eingestimmt. Dabei wird eine Brücke zu Charles Darwin geschlagen. «Was Weihnachten mit Darwin zu tun hat? Er studierte Theologie», erklärte Green. Und doch ist es Darwin, der mit seiner Evolutionstheorie Adam und Eva «abschafft». «Verbinden lassen sich die beiden Themen trotzdem.» Eigens dazu hat sie eine Broschüre zusammengestellt, die sich bei einem englischen Tee im Besucherzentrum unter den aufgehängten Tannenbäumen und neben den Tapeten von William Morris geniessen lässt.
Öffentliche Führungen durch die Ausstellung mit Sammler Alfred Dünnenberger jeweils dienstags, donnerstags und sonntags um 14 Uhr.