Für beide Seiten ein Gewinn
11.09.2020 MuriBerufe Muri+ ist ein Erfolgsmodell – auch wenn das Coronavirus auch hier seinen Einfluss hatte
Gut über 50 Betriebe aus Muri, Boswil und Merenschwand gewährten Jugendlichen Einblick in ihre Berufsfelder. Am beliebtesten sind nach wie vor das KV, Piege- und Autoberufe.
Annemarie Keusch
Gestern Donnerstag und vorgestern Mittwoch waren die Achtklässler von Boswil, Merenschwand und Muri nicht in ihren Schulzimmern. Vielmehr sind sie unterwegs in verschiedenen Betrieben in Muri, Merenschwand und Boswil. «Das ist eine einzigartige Gelegenheit für die Schülerinnen und Schüler der achten Klasse», sagt Beat Huber. Er arbeitet als Vertreter der Schule bei der Organisation von Berufe Muri+ mit. Auch der Gewerbeverein und die Industrievereinigung engagieren sich.
Für Huber ist klar, dass nicht nur die Jugendlichen profitieren, die erste Kontakte zur Berufswelt knüpfen können, sondern auch die Betriebe. «Werbung hilft auch bei der Suche nach geeigneten Lehrlingen.»
«Es lohnt sich»
Es ist die siebte Auflage von Berufe Muri+, die gestern und vorgestern stattfand. Und es war infolge des Coronavirus keine einfache. «Es war schwieriger, Unternehmen zu finden, die mitmachen. Absagen kamen bis letzte Woche», weiss Beat Huber. Doch erfolgreichen zwei Berufswahltagen stand trotzdem nichts im Weg. Das KV, Pflegeberufe und Autoberufe stehen laut Beat Huber ganz oben auf der Präferenzenliste der Schülerinnen und Schüler.
Aber auch andere Berufe sind beliebt. Bei Haute Coiffure Armida schnupperten 32 Jugendliche Luft als Coiffeur oder Coiffeuse. «Hier mitzumachen lohnt sich», sagt Inhaberin Armida Serratore. Die Erfahrungen seien rundum positiv.
Für Nachwuchs ist gesorgt
Berufe Muri+ hilft Betrieben, ihre Lehrstellen zu besetzen und Jugendlichen, eine zu finden
Von Automatikmonteur bis Zimmermann. Von A bis Z gehören die unterschiedlichsten Berufe zur Palette, die im Rahmen von Berufe Muri+ kennengelernt werden kann. Ein Einblick bei womöglich zukünftigen Coiffeuren, Landschaftsgärtnerinnen und Detailhandelsfachleuten im Sportgeschäft.
Annemarie Keusch
«Achtung, 200 Grad.» Armida Serratore ist im Element. «Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Locken, grössere, kleinere», erklärt sie. Zwei Jugendliche hören ihr gebannt zu. Sie sind im neuen, im April erst eröffneten Salon der Haute Coiffure Armida GmbH. Mehrere Puppen sind vor den Spiegeln aufgestellt, damit sich die Jugendlichen im Frisieren üben können. «Den Lockenstab brauchen wir oft», sagt Serratore. Die Jugendlichen nicken. «Und eben, aufpassen, 200 Grad.» Sacht wickelt eine Achtklässlerin eine Haarsträhne rund um den Lockenstab. «Ausprobieren», sagt eine von Serratores Mitarbeiterinnen. Es ist ihr Credo für die zwei Tage Berufe Muri+.
An den Puppen machen die einen Hochsteckfrisuren, andere Locken, andere strecken die Haare wieder oder föhnen sie. In kleine Gruppen aufgeteilt geht es im grosszügigen Salon von Posten zu Posten. «Es ist wichtig, dass wir unser Handwerk den Jugendlichen zeigen», weiss Armida Serratore. Sie ist nicht zum ersten Mal dabei bei Berufe Muri+. «Es lohnt sich», sagt sie. Die Zahl der Bewerbungen für Lehrstellen sei infolge dieses Projekts stark angestiegen. «Wir können wieder auswählen.»
Auch Löhne sind ein Thema
Die vielen Jugendlichen – 32 sind es über die zwei Tage verteilt – experimentieren aber nicht nur selber. Ob der Ablauf an der Rezeption und der richtigen Begrüssung der Kundinnen und Kunden, «möglichst mit Namen», oder die schulischen Anforderungen, auch theoretische Informationen gibts. Und Serratore gewährt auch Einblick ins Labor, wo etwa Farben gemischt werden. «Hier sprechen wir auch über Löhne und mögliche Weiterbildungen.»
Deutlich weniger junge Leute interessieren sich für den Beruf des Landschaftsgärtners. Bruno Haas, Inhaber von Haas Gartengestaltung, spricht von einem Trend. «Gross auswählen können wir bei der Besetzung der Lehrstellen nicht mehr. Vor zehn Jahren noch bewarben sich jeweils rund 30 Interessierte.» Für die Lehrstelle vom nächsten Jahr sei noch keine einzige Bewerbung eingegangen.
Viel Abwechslung
Haas machte den jungen Frauen und Männern entsprechend schmackhaft, diese Lehre zu absolvieren. «Es ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf.» Zwar weniger Gartenneuanlagen, dafür viele Abänderungen und Gartenunterhalt zählen zu den Aufträgen von Haas Gartengestaltung. Die Arbeitsmaterialien seien vielfältig – von Holz über Stahl und Wasser oder Natursteine bis zu Erde und Pflanzen. «Rasen mähen, Hecken schneiden, düngen, Gärten neu gestalten, Brunnen anlegen», zählt Bruno Haas nur einen kleinen Teil der vielfältigen Tätigkeit auf. Komme hinzu: «Jeder Garten ist anders. Langweilig wird es bei uns nicht.» Mit den Jugendlichen ging es denn auch zu einigen Baustellen, die Haas und sein Team in den letzten Wochen und Monaten betreuten.
Socken sortieren
Weniger körperliche Arbeit, dafür Verkaufsgeschick ist als Detailhandelsfachperson bei Huwiler Sport Muri gefragt. Das zeigte Lehrlingsausbildnerin Melanie Süess anhand eines Verkaufsgesprächs, das sie mit einem anderen Mitarbeiter simulierte. Dabei erkannten die Jugendlichen, dass es nicht nur auf die Fachkompetenz und das Wissen ankommt, sondern dass auch das Zwischenmenschliche und die Offenheit gegenüber den Kunden sehr wichtig sind.
Ihr Geschick mussten die jungen Leute aber auch im Sportgeschäft unter Beweis stellen. Es galt angelieferte Socken zu sortieren, nach Grösse, Marke, Modell und Farbe. Und die Socken mussten in einem nicht ganz einfach handzuhabenden Gestell schön präsentiert werden. «Sortieren, einordnen, kontrollieren – das machen wir viel, gerade bei neuen Bestellungen», betont Melanie Süess. Aber später gehört es auch zum Fachwissen, dass Lederfussballschuhe beispielsweise mit Lederbalsam regelmässig eingestrichen werden müssen.
Während nur eineinhalb Stunden Zeit lernten die Jugendlichen so von ihren möglichen Berufswünschen ganz viele Facetten kennen und sind hoffentlich einen Schritt weiter bei ihrer Berufswahl.