Theater ohne Drehbuch

  08.09.2020 Muri

«OhneWiederholung» zu Gast in Muri

Spontan, lustig, lebensnah: Das Improvisationstheater ist der rebellische Bruder des klassischen Theaters. Was «Impro» ausmacht und was es dazu braucht, zeigte «OhneWiederholung» bei «The Beiz».

«OhneWiederholung» hielt, was der Name verspricht: Es gab keine vorgegebenen Texte oder vordefinierte Handlung. Jede Vorstellung ist einmalig. Und so durfte man in Muri eine Uraufführung erleben, die nicht wiederholbar ist. Das Publikum war hier nicht nur Zuschauer, sondern lieferte Inputs, durch die spontane Geschichten auf der Bühne entstanden. Ein zentraler Bestandteil war dabei Humor in jeder Form. Die satirischen Bemerkungen von Benny, Lars und Rachel verpackten Ernstes, wie beispielsweise das Fischsterben, humorvoll. Alles entstand an diesem Abend spontan. --sus


Ohne Plan vor dem Publikum

Improtheater mit finaler Krönungszeremonie bei «The Beiz» begeisterte die Zuschauer

«OhneWiederholung» improvisierte am Samstagabend auf der Bühne von «The Beiz». Thematisiert wurden unter anderem Aktuelles und Altbekanntes wie das Fischsterben, der Weltfrieden und Mohrenköpfe. Eine Uraufführung, die eben nicht wiederholbar ist, mit dem Publikum als Impulsgeber.

Susanne Schild

Ob Bergler oder Chanel-Tussi, Banker oder hinterlistige Mörderin, Rennfahrer oder Dressurreiterin, Macho oder biedere Tante – sie schlüpfen in jede noch so schräge Rolle. Sie stehen auf der Bühne und wissen selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was sie in den nächsten Minuten spielen werden. Mit Humor, Charme und unbezähmbarem Mundwerk wickelte «OhneWiederholung» das Publikum ruckzuck um den Finger. Lars, Rachel und Benny waren an diesem Abend viel, nur nie sprachlos. «Wenn euch vor Emotionen die Tränen runterlaufen, haben wir unser Ziel erreicht», begrüsste Rachel Röthlin die Gäste. Wer von den drei Künstlern an diesem Abend zum Improvisationskönig gekrönt werden sollte, lag einzig und allein an der Entscheidung des Publikums. Die Zuschauer konnten mittels unterschiedlichen Farbkarten jeweils für ihren Favoriten abstimmen. Lars Bianchi durfte sich am Ende der Veranstaltung verdient die Krone auf sein Künstlerhaupt setzen.

Das Publikum als Drehbuchautor

Nicht nur den König des Abends durften die Zuschauer bestimmen, sie selbst wurden zu Drehbuchautoren. Rachel, Lars und Benny standen ohne Plan auf der Bühne, denn improvisieren bedeutet: kein Text, keine feste Rolle, kein vorgegebener Ablauf, keine abgesprochenen Handlungen.

Wer Theater spielt, kann als Rettungsanker im Notfall meistens noch auf einen Souffleur zählen, der verloren gegangene Sätze bei Bedarf zuflüstert. Improvisationstheater dagegen funktioniert nach ganz anderen, eigenen Regeln. Ein Souffleur ist hier völlig nutzlos, denn es existiert kein Drehbuch. Das Publikum spielt hier die entscheidende Rolle. Es wirft ein paar Stichworte, Ideen in den Raum und die Schauspieler «basteln» daraus eine mehr oder weniger kuriose Geschichte.

Über den Weltfrieden und das Fischesterben

So musste sich das Publikum beispielsweise einen nicht geografischen Ort ausdenken. «Starbucks», rief ein Zuschauer. Aus diesem Wortfetzen entstand eine Kaffeebestellung der besonderen Art: «Ich tröste mich mit einer Kaffeeoccasion. Eine Kaffeeoccasion ist ein Kaffee, den ein anderer schon einmal getrunken hat. Diese hätte ich gerne geschüttelt, gerührt und vom Boden aufgeschleckt.»

Auch Themen wie der Weltfrieden, die Familie, das Fischsterben oder wie man denn nun Mohrenköpfe zukünftig nennen sollte wurden angesprochen. «Diese Schokoküsse sind mega fein. Nur dumm, dass ich gerade bei den Weightwatchers bin. Dann esse ich eben einen Weightkopf. Dieser besteht aus Schoggi, hat aber keinen Inhalt.» Der «All-in-one-Rollator» wurde erfunden. «Dieser Rollator ist alles, ob Badewanne oder Küche, da braucht man die Spitex nicht mehr anzurufen. Das könnte das Pflegekonzept in Zukunft revolutionieren.» Auch klassische Themen wie die Familie kamen an diesem Abend nicht zu kurz. «Wo ist Mama?» «Papa, du bist seit fünf Jahren geschieden.»

Erwarte das Unerwartete

«OhneWiederholung» hat an diesem Abend die Erwartungen des Publikums mehr als erfüllt. Erwartet wurde das Unerwartete. Alles war offen, vom Anfang bis zum Ende. Just diese Ungewissheit hat den Abend auch so spannend gemacht. Denn: Das Leben ist eine einzige improvisierte Szene, in der man ständig mit neuen Entscheidungen konfrontiert wird, ohne zu wissen, wohin der Weg führt.


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