Sie gefallen sich immer noch
08.09.2020 MuriErwin und Berteli Müller-Müller feiern übermorgen ihre diamantene Hochzeit
Sie war noch keine 19 Jahre alt, er 22, als sie heirateten. Am 10. September 1960, also übermorgen vor 60 Jahren. «Es war ein schönes Fest», erinnern sich die beiden. Ein weiteres schönes Fest mit der gesamten Familie folgt zum hohen Jubiläum.
Annemarie Keusch
Erwin Müller weiss es noch genau. «Auf der Ofenbank sassen sie, Berteli und ihre Schwester. Ihre langen, dunklen Haare sind mir sofort aufgefallen. Sie gefiel mir auf Anhieb.» Er lacht. Denn eigentlich war er mit einer anderen Frau zu Besuch bei Berteli Müller, einer Frau, die er erst kurz vorher kennengelernt hatte und mit der er ihre Kollegin besuchen wollte. «Da entschied ich mich schnell um», sagt Erwin Müller. Darüber lachen können sie seit über 60 Jahren. Mit der anderen Frau hatten sie ihr Leben lang Kontakt.
An einer Chilbi in Merenschwand war es, als er die andere Frau kennenlernte. Und auch Berteli lernte dort Männer kennen, Erwins Bruder und einen Kollegen. Es sind komplizierte Begebenheiten, die dazu führten, dass die zwei sich fanden. «Ja, er gefiel mir auch von Anfang an», sagt Berteli Müller. «Immer noch?», neckt ihr Mann. «Ja.» Sie lächeln einander an. «Ich bin zwar kein junger, kräftiger Bursche mehr, wie ich es einmal war», sagt Erwin Müller und holt alte Fotos. «So schön waren wir einmal.»
Mit dem Car unterwegs
Heimatort beider ist Boswil, aufgewachsen ist Erwin Müller aber im zürcherischen Hauptikon, Berteli Müller in Muri. Geheiratet haben sie ein Jahr nach dem ersten Zusammentreffen. «Ich war schon im fünften Monat schwanger», erinnert sich Berteli Müller. Es sei ein schönes Fest gewesen. Geheiratet haben sie in der Klosterkirche. «Ich habe extra nicht sofort Ja gesagt, als der Pfarrer fragte, ob ich sie heiraten will», sagt Erwin Müller. Er mache eben gerne ab und zu einen «Gspass». Das Mittagessen gabs im «Widder» in Zug, das Nachtessen in der «Linde» in Muri. «Cordon bleu», sagt Berteli Müller. Zwischendurch folgte ein Abstecher nach Sarnen, wo ihre Mutter aufwuchs. Mit dem Car sei die Gesellschaft unterwegs gewesen. 60 Jahre später sind sie immer noch glücklich.
Ein Leben lang zusammen
Seit 60 Jahren sind Berteli und Erwin Müller-Müller verheiratet – sie haben viel erlebt
Schicksalsschläge, aber auch viele schöne Momente. Die Ferien, die Reisen mit den Kindern. Die ruhigere Zeit jetzt in der Wohnung in der Klosterfeldstrasse. Erwin und Berteli Müller-Müller haben alles miteinander erlebt und durchgestanden. «Wünsche? Gesund bleiben», sagen sie.
Annemarie Keusch
Die Familie, sie ist ihr grosser Stolz, so wie es bei allen älteren Leuten ist. Ihre Kinder, ihre Enkel und ihr Urenkel. «Das wird schön, wenn wieder einmal alle beisammen sind», freut sich Berteli Müller. Lange muss sie nicht mehr warten. Übermorgen Donnerstag, 10. September, feiern sie und ihr Mann Erwin die diamantene Hochzeit. Wenig später feiert Berteli Geburtstag, ihren 79. «Das feiern wir gemeinsam, im ‹Gottschalkenberg›. Wir freuen uns.»
60 Jahre Ehe. Erwin und Berteli Müller-Müller haben einiges erlebt. Im fünften Monat schwanger war sie, als sie heirateten. «Wir fingen früh an», lacht Erwin Müller-Müller. Drei weitere Kinder folgten, auf die Tochter drei Söhne. «Das war eine schöne Zeit», sagen beide. Im Elternhaus von Berteli Müller in Muri-Dorf richteten sie ihr Zuhause ein. «Wir hatten es gut», sagen die beiden immer wieder. Beklagen wollen sie sich nicht, Probleme und Unstimmigkeiten gebe es schliesslich überall ab und zu.
Söhne leben in Muri, Tochter ist zurück
Über 30 Jahre ist es her, dass das Schicksal wie ein Blitz in das Leben der Familie Müller einschlug. Im Alter von 27 Jahren starb einer ihrer Söhne. «Das vergisst man nie, in all den Jahren nicht.» Schwer krank sei er gewesen, hinterliess ein kleines Kind. «Das waren die allerschwersten Zeiten», sagt Erwin Müller. Doch auch diese haben sie gemeistert, gemeinsam. Ein Bild des Sohnes steht in der Mitte der Kommode, ein Ehrenplatz.
Überhaupt, ihre ganze Familie ist in der kleinen Wohnung an der Klosterfeldstrasse, in die das Paar vor über 15 Jahren zog, vertreten. Die Kinder, die Enkel, der Urenkel, aber auch die Vorfahren. «Wir hielten als Geschwister zusammen in der Jugend und tun es heute als Familie», sagt Erwin Müller-Müller. Umso mehr freut es sie, dass ihre beiden Söhne in Muri selber leben und ihre Tochter nach Jahren auf einem Segelschiff in der Karibik diesen Frühling zurückgekehrt ist.
Treue zu den Feriendestinationen
Viele Erinnerungen haben die bald 79-Jährige und der bald 82-Jährige an gemeinsame Ferien. Seit ihrem zehnten Hochzeitstag, also seit fünfzig Jahren gehen sie Jahr für Jahr ins gleiche Hotel in Italien. «Albatros, in der Nähe von Rimini», sagt Berteli Müller. Ganz nah am Meer sei das Hotel, «wunderbar». Nur dieses Jahr sei es wegen dem Coronavirus unmöglich für sie gewesen zu reisen. «Und nur gute Erinnerungen haben wir nicht», sagt Erwin Müller schmunzelnd. Es war am ersten Ferientag im letzten Frühling, als seine Frau stürzte und sich den Oberschenkelhals brach. «Das waren äusserst kurze Ferien.»
Seit über 30 Jahren gehört zudem die jährliche Reise nach Mallorca dazu. Treue erweisen die beiden auch ihrem Winterferienort. An der Wand hängt die Treueurkunde aus dem Stubaital. Ausgestellt wurde sie 1999, für zehn Jahre Treue. «Mittlerweile wären es viel mehr», sagt Erwin Müller-Müller, auch wenn die beiden das Skifahren im fortgeschrittenen Alter aufgegeben haben.
«Chiquita-Reifeexperte»
Viel Zeit investierten die Eheleute in das Hobby zweier Söhne: Motorsport. Einer ihrer Söhne ist Daniel Müller, der 34 Jahre lang Motorradrennen fuhr und in der internationalen Szene hohen Bekanntheitsgrad hat. Am Anfang seiner Karriere waren die Eltern immer dabei. «Jeden Sonntag fuhren wir an ein Rennen, nicht nur in der Schweiz, auch in Frankreich, Deutschland oder Belgien», erinnert sich Erwin Müller. «Das gefiel mir jeweils besonders gut.»
Was tönt, als hätten Berteli und Erwin Müller Freizeit en masse gehabt, war in Tat und Wahrheit anders. «Wir haben hart gearbeitet, um uns dieses Leben zu ermöglichen», betont Erwin Müller. Eine Lehre absolvierten beide nicht. Es galt, Geld zu verdienen, besonders als Berteli schwanger wurde und sie für ihre Kinder aufkommen mussten. In der Gemüsebranche sei er tätig gewesen, sagt Erwin Müller-Müller. Was nach einem herkömmlichen Beruf tönt, entpuppt sich beim Blick an die Wand des Wohnzimmers als total aussergewöhnlich. «Chiquita-Reifeexperte» steht darauf. «Bei einem Grossverteiler war ich zuständig für die Bananen, die grasgrün geliefert wurden. Ich schaute dafür, dass sie reifen und zum richtigen Zeitpunkt in den Regalen landen. Eine heikle Sache», erklärt Erwin Müller. Seine Frau steuerte von ihrer Heimarbeit-Tätigkeit, etwa für die Wohler Strohindustrie und zeitweise als Aushilfsverkäuferin bei der damaligen Papeterie Stenz in Muri, einen Beitrag zum Familienbudget bei. «Irgendwie ging es immer.»
Früher gerne «z Tanz»
Gestritten haben sie in den 60 Jahren nicht oft. «Ich mag das nicht», sagt Erwin Müller. Vielmehr haben sie sich immer mehr schätzen gelernt – er etwa, dass sie eine so gute Köchin ist, sie, dass er mittlerweile öfters «brav bei mir zu Hause bleibt». Erwin Müller lacht. «Ja, früher ging ich gerne tanzen. Alkohol habe ich aber nie viel getrunken.» «Ausser an der Hochzeit, da hast dus gespürt», entgegnet Berteli Müller.
Grosse Wünsche für die Zukunft haben sie nicht. «Gesund noch ein paar Jahre miteinander geniessen und zueinander schauen.»