«Pfupfi» on Tour
04.09.2020 MuriBis am Sonntag ist «Pfupfi», die mobile Militärbäckerei, bei der Bäckerei Kreyenbühl in Muri zu Gast. Hier kann man vor Ort miterleben, wie früher für die Armee und die Bevölkerung die Brotversorgung sichergestellt wurde. Wie damals wird an diesem Wochenende in Muri unter anderem ein aus Ruchmehl bestehendes Formenbrot gebacken.
20 000 «Atombrote» täglich
Mobile Militärbäckerei «Pfupfi» vom 4. bis 6. September on tour
Während zwei Tagen kann man bei der Bäckerei Kreyenbühl an der Zürcherstrasse in Muri miterleben, wie früher für die Armee und die Bevölkerung in der Schweiz die Brotversorgung sichergestellt wurde.
Susanne Schild
«Ja, es sind zwar im Moment schwierige Zeiten, die Versorgung mit dem Grundnahrungsmittel Brot ist aber zum Glück nicht in Gefahr», meint der Murianer Bäckermeister Buki Kreyenbühl. Dies war nicht immer so: In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Schweiz ein Kernwaffenprogramm, welches sich mit der Entwicklung von Atomwaffen beschäftigte. Bundesrat und Vorsteher des EMD war damals Paul Chaudet (FDP). Es waren überhitzte, düsengetriebene Zeiten mitten im Kalten Krieg.
11 Minuten, um die Schweiz zu erreichen
Eine Zeit stand damals im Zentrum: elf Minuten. Elf Minuten brauchten die MIG-Kampfflugzeuge, um vom «Eisernen Vorhang» die Schweiz zu erreichen. Es war Kalter Krieg. Zwar ging keiner hin, doch alle hielten ihre Atomwaffen bereit. Damals lief auch das Kernwaffenprogramm der Schweiz, und man beschäftigte sich mit der eigenständigen Herstellung von Atomwaffen für die Schweizer Armee. Im Zentrum der Entwicklung stand auch die schweizerische Eigenentwicklung des Atomkraftwerks Lucens in einer Kaverne im waadtländischen Sandstein. Das brachten bisher nur die Schweden und die Schweizer fertig, in einer Höhle ein Atomkraftwerk zu errichten. 1969 setzte eine Kernschmelze dem Werk ein jähes Ende. Im selben Jahr wurde auch der internationale Atomsperrwaffenvertrag in Kraft gesetzt.
Das damalige eidgenössische Militärdepartement (EMD), heute VBS, suchte aber auch nach einer Möglichkeit, im Fall einer Bedrohungssituation die Armee und die Bevölkerung mit Brot versorgen zu können. Dies sollte dezentral und mobil möglich sein, je nach strategischer Notwendigkeit.
Der «Bäckergeneral»
Das Oberkriegskommissariat verpflichtete im Jahr 1958 den Bäckermeister Walter Kuchen, um die Idee einer mobilen Militärbäckerei umzusetzen. Der Instruktions-Offizier Adj Uof Walter Kuchen war somit zuständig für die Brotversorgung der damals 600 000 Mann starken Schweizer Armee.
So kamen ungefähr ab 1960 die ersten mobilen Bäckereien in den Einsatz. Von diesen «mob BK 60», auch liebevoll «Pfupfi» genannt, wurden in den folgenden Jahren 168 Stück gebaut. Walter Kuchen bildete während seiner Zeit fast 25 000 Bäckerkader und -soldaten aus, Kuchen galt als der «Bäckergeneral». Mit der Armeereform 1995 wurde die Armee stark verkleinert und im Zuge dieser Reformen auch die Bäckereinheiten aufgelöst. Ein grosser Teil dieser «mob BK 60» wurde in den Osten verkauft, einige wenige blieben in der Schweiz.
Der Mühlauer Käsermeister Josef Schmidli führte in seiner Militärzeit als Leutnant einen Bäckerzug. Sein Interesse für die Technik und die Lebensmittelversorgung motivierte Schmidli, im Jahr 1994 eine mobile Bäckerei zu kaufen. Eine weitere glückliche Fügung war, dass der Murianer Bäcker Buki Kreyenbühl auf einer «Pfupfi» seine Rekrutenschule absolvierte. «Für mich ist es ein spannendes und zugleich nostalgisches Gefühl, wieder in einer ‹Pfupfi› stehen zu dürfen und Brot zu backen», so Buki Kreyenbühl. Nach einer guten halben Stunde Fahrt von Mühlau nach Muri erreichte die mobile Bäckerei am Mittwochabend ihr Ziel in der Zürcherstrasse. «Das richtige Parkieren und Montieren der ‹Pfupfi› war dann noch eine weitere Herausforderung, die wir aber gut gemeistert haben», so Kreyenbühl weiter.
Besatzung auf einer «Pfupfi»
Ein «Bäckerzug» war mit zwei «Pfupfis» unterwegs. Zwei Unteroffiziere führten und unterstützten die Produktion. Zu den fünf Bäckersoldaten zählten der Teigmacher und der Abwäger. Auch der Wirker, also jener, der den Teig formte, und der Schiesser, der Ofen-Chef war, und sein Gehilfe waren Bäckersoldaten. Zwei Magaziner stellten die Rohstoffe bereit und siebten das Mehl mit einer Siebmaschine ab. Weiter kümmerten sie sich um die Wasserversorgung und waren für die Lagerung und Verteilung des Brotes zuständig. Der Bäckereimechaniker stellte den Betrieb sicher und hatte die technische Kontolle unter sich. Ausserdem war er für die Öl- und Holzfeuerung zuständig sowie für den Unterhalt und anfallende Reparaturen.
Besser als das Dosenbrot der Deutschen
In der mobilen «Pfupfi» wurde vor allem aus Ruchmehl ein Formenbrot gebacken. Dies zur täglichen Verpflegung der Soldaten. Die Bäckersoldaten wurden auch geschult, ein Brot ohne Hefe backen zu können, nur mit einer selber gezüchteten Sauerteig-Kultur. Eine grosse Herausforderung, wenn die «Pfupfi» bei Wind und Wetter getarnt im Freien stand.
Die Armee dachte aber auch daran, dass die Verpflegung mit Brot das Notwendigste war und funktionieren musste, wenn die mobilen Bäckereien ausfielen. Brot war damals das Grundnahrungsmittel Nummer eins.
Somit war der Auftrag klar: Ein Brot, das haltbar ist, jedoch qualitativ besser sein musste als das Dosenbrot der Deutschen und Franzosen. Der Bäckergeneral Walter Kuchen entwickelte ein Brot, das in frischem Zustand lange haltbar war. Ein kompaktes Kastenbrot konnte auch als Früchtebrot gebacken werden. Um Keime und Pilze abzutöten, wurde dieses mit alkoholhaltiger Lösung behandelt und keimfrei verpackt – ohne chemische Zusätze. Die offizielle Haltbarkeit war zwei Jahre.
Dieses haltbare Brot, unter den Soldaten auch «Atombrot» genannt, wurde grösstenteils in Boltigen, Kanton Bern, gebacken. Dort wurde eine stationäre Militärbackstube eingerichtet, welche auf die Produktion dieses haltbaren «Atombrots» eingerichtet war. Die maximale Produktionskapazität pro Tag betrug 20 000 Brote.
Weitere Pläne mit der «Pfupfi»
20 000 Brote wird Buki Kreyenbühl an diesem Wochenende in der «Pfupfi» wahrscheinlich nicht backen. «Ich bin gespannt auf die heutige Premiere. Wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle, habe ich noch weitere Pläne mit der ‹Pfupfi›», so der Bäckermeister. Geplant ist beispielsweise, an der Gewerbeausstellung mit der «Pfupfi» dabei zu sein.
Ebenfalls kann er sich vorstellen, wenn die Premiere erfolgreich ist, an verschiedenen Orten im Freiamt eine Woche lang das «Atombrot» zu verkaufen.