Von Halle zu Halle, von Party zu Party
03.06.2020 Region Oberfreiamt«Zeitgeschichte Aargau» blickt mit dem Boswiler Erich Barmettler in die 80er-Jahre
«Trouvaillen» heisst die Sparte. Archivmaterial, oft von Privaten, wird darin öffentlich zugänglich gemacht. Projekt-Koordinatorin Nina Kohler stattete dafür Erich Barmettler einen Besuch ab. Er führte jahrelang eine Wanderdisco, bevor er im «Adler» in Muri regelmässig Partys veranstaltete. Ein Blick in die Geschichte.
Annemarie Keusch
Erich Barmettler muss selber lachen. «Super», sagt er beim Anblick der alten Plakate. «Wee Papa Girl Rappers», Dan Harrow, Linda Jo Rizzo. Was jüngeren Leuten gar nichts mehr sagt, löst bei Erich Barmettler ein Strahlen in den Augen aus. «Was für tolle Jahre das waren.» Die damaligen Musikstars, er engagierte sie alle in seiner Disco. «Die ‹Wee Papa Girl Rappers› waren die teuerste Band, die ich je ins Freiamt holte», sagt Erich Barmettler. 11 000 Franken musste er damals in den 80er-Jahren für das britische Hip-Hop-Duo hinblättern. Warum er das noch so genau weiss? «Gewisse Dinge vergisst man eben nicht.»
Zehn Stunden Party
Erlebt hat Barmettler mit seinem Disco-Club «White Horse» so einiges. Und vieles davon ist ihm in Erinnerung geblieben, ganz speziell die Silvester-Partys. «Zu Spitzenzeiten kamen 800 Leute.» Zehn Stunden Party mit Musik und Darbietungen boten Barmettler und sein Team. Einmal habe er einen Hypnotiseur engagiert, am Schluss sei das ganze Publikum am Boden gelegen. «Rentiert hat das nicht oft und wenn, haben wir das Geld sofort wieder in Equipment investiert.»
Von Zürich mit dem Töffli angereist
Auch wenn er von Anfang an wusste, dass das grosse Geld mit der Disco nicht herausschauen würde, legte sich Erich Barmettler, der das «White Horse» 1981 zusammen mit einem Freund gründete und wenige Jahre später das Ruder alleine führte, ganz schön ins Zeug. «In den 1990er-Jahren warb ich mit der Präsentation der grössten Rauchmaschine, die es gab», erinnert sich Barmettler. Wieder schmunzelt er. Die Werbeplakate für seine Anlässe hat er alle im Original abgelegt.
Oder er veranstaltete eine Party in der Murianer Bachmattenhalle, damals schon eine Dreifachhalle. «Ein Drittel bebauten wir mit der Bühne. Das war ein gigantisches Werk.» Und die Veranstaltungen, sie waren damals im Freiamt richtiggehende Highlights. «An die grossen Partys kamen viele Leute aus dem Kanton Zürich mit dem Töffi angereist.» Barmettler sagt es nicht ohne Stolz, auch weil er weiss, dass diese Zeiten vorbei sind.
Es gab auch defizitäre Abende
Seine Zeit als Disco-Betreiber endete mit dem Abriss des «Adler»-Saals in Muri. 1990 war das. Dort veranstaltete er vorher während vier Jahren Feiern. «Ich bin im ‹Adler› sesshaft geworden», sagt Erich Barmettler. Vorher tourte er mit seinem Equipment im ganzen Aargau umher, organisierte in der einen Dorfhalle eine Party und steuerte am nächsten Wochenende eine neue Gemeinde an. «Das waren intensive Jahre», sagt Barmettler. Werbung machte er vor Ort immer selber. «Im Freiamt kannten mich die Leute und ich kannte die Gemeinden, weiter weg war es schwieriger.» Installieren, Kasse betreuen, nach der Party putzen – alles musste gemacht sein. Bis zu 15 Angestellte hatte das Unternehmen zu Spitzenzeiten.
«Vieles war anders – nicht nur die Frisuren und die Mode», sagt Erich Barmettler. Er kannte die Bedürfnisse der Jugend, stimmte seine Partys auf sie ab. Aber nicht immer traf er den Nerv der Zeit. Als er zum 10-Jahr-Jubiläum Mädchen-Schwarm Dan Harrow engagierte, mit rund tausend Leuten rechnete und nur 350 kamen, resultierte ein happiges Minus. «Verunsichern liess ich mich dadurch aber nicht.»
Trouvaillen veröffentlichen
Partys und Discoabende organisiert Erich Barmettler nicht mehr. Der Name «White Horse» ist aber geblieben und steht heute für Eventtechnik. «Das mit den Partys würde heute nicht mehr funktionieren.» Das Angebot für die Jungen sei viel breiter und vielfältiger. «Und, das Publikum wird immer jünger, was auch nicht ganz einfach ist.» Einfach war es auch früher nicht. «Aber ich liebe die Musik und habe mir darum diesen Traum erfüllt.»
Darum schwelgt er gerne in Erinnerungen. Er holt alte Zeitungsartikel und Eintrittskarten hervor. Alles wird von Nina Kohler eingescannt. Für die Rubrik «Trouvaillen» von Zeitgeschichte Aargau tritt sie mit verschiedenen Personen in Kontakt und schaut mit ihnen in ihr Archiv. Barmettler meldete sich, nachdem er in dieser Zeitung über einen Auftritt Dieter Bohlens in Wohlen las. «Da habe ich auch einiges zu bieten.» Und natürlich liess sich Projekt-Koordinatorin Nina Kohler das nicht entgehen. «Solche Fundstücke wollen wir nicht in den Archivkeller bringen, ohne sie zu veröffentlichen. Das wäre schade.» Alleine schon der Frisuren und der Musik der 80er-Jahre wegen.