Abgabe sorgt für Unmut
05.04.2024 MuriMehrwertabgabe erhitzt Gemüter
Seit Mitte März ist bekannt, dass die Gemeinde Muri auf Geheiss des Kantons die Mehrwertabgabe einführen muss. Direkt davon betroffen sind 77 Grund- und Stockwerkeigentümer. Am Informationsanlass, der von der Gemeinde ...
Mehrwertabgabe erhitzt Gemüter
Seit Mitte März ist bekannt, dass die Gemeinde Muri auf Geheiss des Kantons die Mehrwertabgabe einführen muss. Direkt davon betroffen sind 77 Grund- und Stockwerkeigentümer. Am Informationsanlass, der von der Gemeinde organisiert wurde, zeigte sich, dass die Einführung teilweise unvorhergesehene finanzielle Konsequenzen hat. --cbl
Die Gemeinde nahm an einem Informationsanlass Stellung zur Einführung der Mehrwertabgaben
Mit dem neuen Bauzonenplan haben sich für die Eigentümer von Grund- und Stockwerkeigentum signifikante Änderungen ergeben: Jene, deren Landwert durch die gesetzliche Änderung gestiegen ist, sind mehrwertabgabepflichtig. Unvorhergesehene finanzielle Konsequenzen hat dies in Muri für Betroffene, deren Land an ein Gewässer grenzt. Entsprechend gross ist deren Verärgerung.
Celeste Blanc
2019 ist die BNO-Revision der Gemeinde Muri in Rechtskraft erwachsen. Der Änderung des nationalen Raumplanungsgesetzes 2013 zugrundeliegend, weisen Grundstücke durch das Um-, Ein- oder Aufzonen zu Bauland respektive durch deren Vergrösserung nun einen Mehrwert auf. 2017 verfügte der Kanton Aargau, dass Betroffene zu einer Mehrwertabgabe verpflichtet sind, die im Sinne der gerechten Verteilung für die Allgemeinheit beispielsweise durch Förderungsprojekte der Biodiversität zugute kommen. So weit die rechtliche Grundlage.
Dass Muri als eine der ersten Gemeinden die BNO-Revision 2018 durch den Souverän angenommen hat und diese gut ein Jahr später durch den Regierungsrat genehmigt wurde, hat nun für die Eigentümer von Grund- und Stockwerkeigentum unvorhergesehene Konsequenzen: War damals bei der Abnahme der neuen BNO die Mehrwertabgabe aufgrund fehlender Stellen und Ausführungsbestimmungen noch kein Thema seitens des Kantons gewesen, sind derweil die nötigen Anpassungen erfolgt und seit 2021 in Kraft. Seither macht der Kanton Druck auf die Gemeinde Muri, die Mehrwertabgabe einzufordern. Konkret betrifft dies 77 Grundeigentümer, die rückwirkend zu einer Leistung verpflichtet werden. Die entsprechenden Verfügungen werden bis spätestens Ende April eröffnet.
Zusätzliche Bauzone nur faktisch bebaubar
Hauptsächlich betrifft die Mehrwertabgabe in Muri Eigentümerinnen und Eigentümer, deren Land an ein Gewässer angrenzen. Denn durch die Verkleinerung der Uferschutzzone bekommen diese nun mehr verwendbares Bauland zugesprochen, wo vorher ein absolutes Bauverbot herrschte. Dabei liegt die Summe der Mehrwertabgabe teilweise im fünfstelligen Bereich. An der von der Gemeinde organisierten Informationsveranstaltung zeigten sich die Betroffenen empört. Viele empfinden es «das Geschenk, das man ungefragt bekommen hat und wofür man nun bezahlen muss», wie es der zuständige Gemeinderat Beat Küng zu Beginn des Anlasses formulierte, als grobe Benachteiligung. So sei etwa die grössere Bauzone nur «theoretisch» nutzbar, könne faktisch aufgrund der geografischen Verhältnisse aber nicht genutzt werden, argumentiert ein Anwesender. «Undurchsichtig und unverständlich» seien auch die Berechnungen der Mehrwertabgaben durch das Kantonale Steueramt, bemängelt ein anderer.
Für die Anwesenden ist deshalb klar: Die Kosten der Mehrwertabgabe müssen von einer Stelle getragen werden, die der Informationspflicht nicht nachgekommen ist. Gefordert wurde dies vom Kanton – oder der Gemeinde Muri selbst. «Damals bei der BNO-Revision haben wir als Souverän aufgrund fehlender Informationen entschieden. Nun tragen wir die Konsequenzen, weil die Gemeinde ihre Arbeit nicht richtig gemacht hat», äussert ein Eigentümer seinen Unmut.
Informationspflicht wurde nicht verletzt
Den Vertretern der Gemeinde, von denen nebst Beat Küng auch Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger und Cynthia Heule, Leiterin Baubewilligungen, anwesend war, sind in dieser äusserst komplizierten baurechtlichen Angelegenheit in vielerlei Hinsicht die Hände gebunden.
Seit der Eröffnung durch den Kanton 2021, dass die Gemeinde die Mehrwertabgabe nun einzufordern habe, habe man durch juristische Hilfe und die Konsultation von namhaften Baujuristen versucht, das Diktat durch den Kanton zurückzuweisen. Dies, weil eben die Mehrwertabgabepflicht für die betroffenen Besitzer von Liegenschaften an Gewässerzonen auch für den Gemeinderat und die entsprechenden kommunalen Fachkommissionen eine unvorhergesehene und unnachvollziehbare Forderung des Kantons gewesen sei, so Hans-Peter Budmiger. «Als wir die BNO ausarbeiteten, hat man hauptsächlich an die Bauern und Landwirtschaftsflächen gedacht, die von einer hektarweisen Einzonung profitiert hätten. Keiner, aber wirklich gar keiner hat jemals daran gedacht, dass eine Änderung der Uferschutzzone in die übergelagerte Gewässerzone mehrwertabgabepflichtig würde.» Als im Nachhinein der Kanton diese gefordert habe, sei man aus allen Wolken gefallen. «Vorher galt bei Uferschutzzonen Bauverbot, nun kann man auch nicht gross bauen, lediglich die Ausnutzung steigt. Wir haben alles versucht und wirklich mit dem Kanton gestritten – und sind auf die Nase gefallen.»
Dieser Umstand hält eine doppelte Bitterkeit bereit, denn: Weil man von grossflächigen Umzonungen von Landwirtschafts- in Bauzonen ausging, hat man die Mehrwertabgabe nicht beim Minimum von 20 Prozent, sondern bei 30 Prozent festgelegt, was vom Souverän 2018 angenommen wurde. Dadurch hätte die Gemeinde profitieren sollen. Kommt hinzu, dass der definitive Entscheid durch den Regierungsrat erst im November 2023 eröffnet wurde. Dies birgt vor allem für jene einen grossen Nachteil, die zwischen 2019 und 2023 ihr Grundstück verkauft haben: Da der Kanton rückwirkend die Mehrwertabgabepflicht auf die Inkrafttretung der neuen BNO verfügt, sind jene Personen zahlungspflichtig, die zu diesem Zeitpunkt Grundeigentümer waren. Diese müssen die Mehrwertabgabe nun aus eigener Tasche bezahlen. «Ich zahle für etwas, das ich nicht mehr habe. Es ist äusserst dilettantisch, dass der Gemeinderat nicht rechtzeitig seiner Informationspflicht nachgekommen ist», meint ein Anwesender und fordert, dass die Gemeinde dafür aufkommt – was rechtlich nicht möglich ist, wie Cynthia Heule erklärt. Auch hier sei die einzige Möglichkeit, sich über die Anfechtung der Verfügung rechtlich Gehör zu verschaffen. «Auch kann man zu diesem Zeitpunkt der Gemeinde Muri keinen Vorwurf machen», so Heule weiter. «Da der Gemeinderat mit bestem Wissen und Gewissen handelte und trotz mehrmaligem Nachfragen beim Kanton selbst nicht entsprechend informiert wurde.»
Gewisse Umstände sind zu beachten
Hans-Peter Budmiger und Beat Küng zeigten für den Unmut der Betroffenen vollstes Verständnis. Vor allem für jene, die ihr Eigentum verkauft haben, nun aber trotzdem Mehrwertabgaben zu leisten haben, sei die verfehlte Kommunikation durch den Kanton ein besonders herber Schlag.
Dass eine Mehrwertabgabe noch nicht bei allen Grundeigentümern gefordert wurde, hat damit zu tun, das eine solche erst ausgelöst wird, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, so etwa beim Einreichen eines Baugesuchs, dem Verkauf der Liegenschaft oder deren vertraglicher Weitergabe. Nur beim regulären Erbgang sei diese ausgenommen. Heule gab deshalb noch gewisse beachtenswerte Informationen mit, etwa bei einer Baubewilligung, die nicht die Ausnutzung der ganzen Bauzone, sondern lediglich kleinere Änderungen am Haus selbst betreffen, beim Gemeinderat ein Gesuch um Stundung einzureichen, welche die Auslösung der Mehrwertabgabe verhindert. «Sollte man jetzt sein Grundstück verkaufen, ist man abgabepflichtig. Doch da rät es sich, die Mehrwertabgabe auf den Kaufpreis zu verrechnen», so Heule weiter.
Auch wenn am Informationsabend viele Fragen geklärt werden konnten, bleibt ein mühseliger Umstand bestehen: dass durch das Versäumnis der richtigen Kommunikation seitens des Kantons und den zeitnahen Ausbau von Instanzen nun Grundeigentümer für dessen Versäumnis bezahlen müssen. Als Ultima Ratio empfahl Beat Küng allen Betroffenen, gegen die bald eintreffende Verfügung Einsprache zu erheben und besondere Umstände geltend zu machen. Oder aber die Verfügungen zu akzeptieren, denn so «günstig werden Sie niemals mehr zu zusätzlichem Bauland kommen.»