Achterbahnfahrt ohne Spass
03.09.2024 Sport, FussballFussball, 1. Liga classic: FC Wohlen – Grasshopper Club Zürich U21 3:4 (3:3)
Spektakel in der ersten Halbzeit. Der FC Wohlen verpennt den Start komplett und liegt nach acht Minuten mit 0:2 hinten. Unglaublich: Nur 20 Minuten später steht es 3:2 für ...
Fussball, 1. Liga classic: FC Wohlen – Grasshopper Club Zürich U21 3:4 (3:3)
Spektakel in der ersten Halbzeit. Der FC Wohlen verpennt den Start komplett und liegt nach acht Minuten mit 0:2 hinten. Unglaublich: Nur 20 Minuten später steht es 3:2 für Wohlen. «Wir verteidigten sehr billig», sagt Trainer Piu. Deshalb gewinnt man auch trotz drei Toren dieses Heimspiel nicht.
Stefan Sprenger
«Natürlich war ich superhässig», sagt FC-Wohlen-Trainer Piu. In der Halbzeit wurde es richtig laut in der Kabine der Wohler. «Wenn man sich die Gegentore anschaut, dann kann man nur sauer werden. Teilweise laufen die jungen Zürcher seelenruhig durch unsere Abwehr. Und unsere Jungs stehen da, als wären sie Puppen. Ich verstehe es nicht», sagt Piu weiter.
Start schwach, Reaktion stark
Die erste Halbzeit war für den neutralen Zuschauer einfach nur spektakulär. Die Wohler verteidigen dilettantisch, ein Steckpass genügt und Michael Nowak markiert das 0:1 für die Grasshoppers. 8. Minute: Tugra Turhan, eben erst 17 Jahre jung geworden, Nachwuchs-Natispieler und mit einem Profivertrag ausgestattet, zeigt sein riesiges Talent. Er startet von der Eckfahne, lässt drei Wohler stehen und schliesst sehenswert in die nahe Ecke ab. 2:0. Fehlstart perfekt. Oder wie Piu es ausdrückt: «Wir haben den Start total verpennt.» Die jungen Hoppers hätten gar noch höher führen können.
Die Reaktion des FC Wohlen ist aber heftig – und erfreulich. 11. Minute: Nathan Tayey spekuliert richtig, luchst dem Goalie den Ball ab und schiebt ein zum 2:1. 20. Minute: Bijan Dalvand tritt einen Freistoss punktgenau auf Sangoné Sarr. Die beiden besten Wohler an diesem Tag sorgen für das 2:2. Die Partie ist wieder ausgeglichen.
Nur drei Ausländer dürfen ran
Und es kommt noch besser. Justin Pfister wird im Strafraum umgerissen. Penalty. Captain Alban Pnishi schiesst cool und clever in die Mitte. 27. Minute. Der FC Wohlen führt plötzlich mit 3:2. Verrückt. Die 469 Zuschauer reiben sich die Augen über diese Startphase. Kurz vor dem Seitenwechsel ereignet sich wohl die spielentscheidende Szene. Justin Pfister mit einem miserablen Fehlpass. GC schaltet blitzschnell um. Edison Golaj und Alban Pnishi können den Angriff nicht stoppen. In der Mitte steht wieder Tugra Turhan bereit und trifft zum 3:3. «Nach dem 3:2 habe ich gedacht, wir gewinnen das Spiel. Ich dachte, das lassen wir uns nicht mehr nehmen», sagt Trainer Piu und fügt verärgert an: «Das 3:3 kurz vor der Halbzeit war billig. Wenn wir mit einer Führung in die Pause gehen, dann sieht die Fussballwelt anders aus.»
In der Pause ist Piu zu personellen Änderungen gezwungen. Pnishi muss raus (siehe Kasten). Für ihn kommt Neuzugang Amara Cissé in die Innenverteidigung. Weil in der 1. Liga classic nur drei Ausländer auf einmal spielen dürfen, muss für den Franzosen ein anderer Ausländer das Spielfeld verlassen. Sangoné Sarr und Nathan Tayey sind in jenem Moment zu wichtig und besser drauf. Also trifft es Stürmer Nathan Kisisa, der durch Luca Nascimento ersetzt wird. Der FCW spielt ohne klassischen Stürmer, denn diese Rolle erfüllt nun Javi Gabathuler.
«Personelle Konsequenzen»
Die laute Pausenansprache von Piu scheint erst ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Wohlen kommt ordentlich in die zweite Halbzeit rein. Allerdings nur bis zur 59. Minute. Ein weiter Ball und ein Stockfehler von Justin Pfister genügen, um die FCW-Abwehr auszutricksen. Tariq Blake erzielt das 3:4. Die jungen Hoppers sind eiskalt. «Dieses Tor hat uns kaputtgemacht», sagt Piu. Den Wohlern fehlt fortan die Kraft, um zu reagieren. Die Einwechslungen bringen keine Besserung. Der FC Wohlen kommt kaum noch vors Tor. Einzig Noel Romano hat nach 76 Minuten eine gute Gelegenheit per Kopf. Das wars. 3:4-Niederlage. Die Achterbahnfahrt in diesem Spiel macht für die Wohler keinen Spass. Die Zürcher jubeln über einen verdienten Sieg.
Nach der 0:3-Pleite in der Vorwoche ist es der nächste Nackenschlag. Sieben Gegentore in zwei Spielen, da muss man kein Fussballexperte sein, um zu erkennen, dass dies viel zu viel ist. «Weihnachten ist erst im Dezember. Aber wir verteilen jetzt schon Geschenke. Wenn drei Tore nicht für einen Punktgewinn reichen, dann ist das sehr bitter», sagt Piu. Es erinnert ein wenig an letzte Saison, als die FCW-Abwehr phasenweise dilettantisch auftrat. Piu: «Wenn ich mir die Partie nochmals am Bildschirm anschaue, dann nerve ich mich nur noch mehr. Das wird personelle Konsequenzen haben.» Noah Jappert und Alban Pnishi (die letzte Woche krank waren) werden nächsten Samstag (17 Uhr) auswärts in Bassecourt wieder topfit sein. «Dann werden sich einige andere Spieler auf dem Feld beweisen dürfen.»
Krank, Penalty – und Loch im Fuss
Mit Lockerheit chippt er den Penalty ins Tor und setzt an zur Jubelrunde. In der 27. Minute trifft Alban Pnishi zum 3:2. Zu diesem Zeitpunkt ist die Welt des FC Wohlen wieder in Ordnung. Der 0:2-Rückstand gegen die Grasshoppers ist gedreht. Alles sieht so aus, als würden die Wohler diese Partie fortan beherrschen. Für Captain Pnishi, der vor einer Woche mit Grippe und Fieber im Bett lag, war die ganze Woche nicht einfach. «Ich war nicht fit, konnte nicht trainieren», sagt er. Lediglich das Abschlusstraining am Freitag absolvierte der Bremgarter. Zur Halbzeit muss er raus. Nicht nur, weil seine Kräfte schwinden, sondern weil er sich verletzte. Bei einer Abwehraktion drischt er den Ball weg, der Gegenspieler geht mit offener Sohle rein und erwischt Pnishi am Fuss. Die Aktion des Zürchers blieb ungeahnt. Das Resultat für Pnishi: ein Loch im Fuss. «Die offene Wunde wurde zugeklebt, jetzt braucht es ein paar Tage», erklärt er. Auch erklären kann er die 3:4-Pleite gegen die U21 von GC. «Unglaubliche Gegentore», sagt er. «Die ersten 15 Minuten haben wir komplett verschlafen. Wir waren nicht aggressiv, haben nur zugeschaut und zum Glück nur zwei Gegentore kassiert.» Danach sei die Reaktion «toll» gewesen. 2:1 durch Tayey. 2:2 durch Sarr. 3:2 durch Pnishis Penalty. «Alles lief für uns. Und wir kriegen dieses total unnötige Tor zum 3:3 vor der Pause.» Die Wohler nehmen sich für die zweite Halbzeit viel vor. Pnishi wird ausgewechselt, schaut von der Bank aus zu und meint: «Wir waren im zweiten Durchgang nicht mehr gefährlich.» Und so gibt es die zweite Saisonpleite. «Wir haben einiges zu tun. Es gilt, Probleme zu lösen», so Pnishi. --spr