Anzuginnovation aus dem Freiamt
05.07.2024 Region OberfreiamtMit seinem Start-up Adretto hat Lorenz Pöhlmann aus Auw eine Marktlücke geschlossen
Für den aussergewöhnlichen Anlass einen Anzug online mieten statt kaufen. Das ist die Idee hinter «Adretto». Nun plant das Jungunternehmen die weitere ...
Mit seinem Start-up Adretto hat Lorenz Pöhlmann aus Auw eine Marktlücke geschlossen
Für den aussergewöhnlichen Anlass einen Anzug online mieten statt kaufen. Das ist die Idee hinter «Adretto». Nun plant das Jungunternehmen die weitere Entwicklung. Das Crowdinvestment dazu soll im August anlaufen.
Thomas Stöckli
Was tun, wenn man an eine Hochzeit eingeladen wird, man sich festlich kleiden soll, aber keinen Anzug hat? Mit dieser Herausforderung sah sich Lorenz Pöhlmann, der aus Auw stammt, vor einigen Jahren selbst konfrontiert. Damals musste er an einem heissen Sommertag von Laden zu Laden und hat schliesslich über 1000 Franken ausgegeben. «Das war frustrierend», blickt er zurück. Und er dachte sich, dass es da ja eine bessere Lösung geben müsste.
In den USA stiess Pöhlmann auf diverse Anbieter, bei denen man sich einen Anzug online mieten kann. In Europa hatte das allerdings noch niemand umgesetzt. So entstand die Idee, das Problem, das er selbst hatte, für andere zu lösen. Mit einem Kollegen gründete er das Start-up Adretto und baute eine Website auf. Zum Kernteam gehört Marketingchefin Andrea Oldani aus Hermetschwil-Staffeln. Die gelernte Schneiderin Melanie Vidovic aus Muri kümmert sich am Standort Rotkreuz derweil um die Anproben. «In Deutschland ist das null Thema, aber in der Schweiz sehr gefragt», sagt Pöhlmann. Rund 18 Prozent machen hierzulande vom Angebot Gebrauch.
Einfluss der Frauen unterschätzt
Die Zielgruppe waren beim Start klar Männer, der erste Auftrag kam dann 2020 allerdings von einer Frau, für ihren Mann. «Das war für uns schon mal das erste Learning», so der 39-jährige Auwer, der mittlerweile in Oberwil-Lieli lebt. Zwar machen Bestellungen von Frauen aktuell rund vier bis fünf Prozent aus, allerdings hat sich gezeigt, dass die Frauen ihre Männer im Stile von Influencern beeinflussen. Entsprechend hat Adretto seine Werbestrategie inzwischen auch auf Frauen ausgerichtet.
Eine Vermietung für Events hat es schwer, wenn – wie im Coronajahr 2020 – gar keine Events stattfinden dürfen. Bei Adretto liess man sich davon allerdings nicht entmutigen. Und mit ihrem Konzept stiessen die Jungunternehmer 2021 in der TV-Finanzierungsshow «Höhle der Löwen» auf grosses Vertrauen: «Wir bekamen drei Angebote und haben zwei davon auch genutzt», so Pöhlmann. Seither ist das Geschäft im ganzen deutschsprachigen Raum gewachsen. Die Märkte Deutschland und Österreich werden vom Zweitstandort in Hannover bedient, die Schweiz aus Rotkreuz.
Die Hochsaison läuft
Aktuell ist Hochsaison in der Vermietung von Anzügen: «Über 70 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit Hochzeiten», verrät Lorenz Pöhlmann. Besonders gefragt sind komplette Outfits inklusive Schuhe, Hosenträger, Einstecktuch und Uhr. In zwei Minuten habe man dies zusammengestellt, verspricht Pöhlmann. «So bleibt mehr Zeit zum Biertrinken und EM-Fussballschauen.»
Rechtzeitig bestellt, kommt das bestellte Outfit zehn Tage vor dem Anlass beim Kunden an. So kann man den Anzug noch probieren und – falls notwendig – etwas austauschen. Obwohl die meisten Kunden ihre Anzuggrösse nicht teilen, reichen der jungen Firma mit ihren doch schon beeindruckenden Erfahrungswerten wenige Angaben, um die richtige Grösse zu bestimmen. «Wir haben eine Treffergenauigkeit von 91 Prozent», verrät der Jungunternehmer stolz. Reinigung und Versand sind kostenlos.
Verschiedene Kundengruppen
Für die Schweiz sind rund 700, 800 Anzüge verfügbar, in Deutschland sind es weitere 1000. Dabei wird die Auswahl bewusst schlank gehalten. Das wird von der männlichen Kundschaft geschätzt und erleichtert auch die Logistik. Verfügbar sind Anzüge in Dunkelblau – «unser Topseller», so Pöhlmann –, in Anthrazit und in Schwarz, sowie ein Smoking. Als Alternativen werden derzeit Dunkelgrün und Hellblau getestet. Bei Trendfarben sei allerdings im Mietgeschäft Zurückhaltung angesagt: «Trends sind vergänglich und wir sind kein Modelabel, sondern bieten unseren Kunden eine einfache, hochwertige und supersmarte Dienstleistung.»
Wer ist denn der typische Kunde? «Männer zwischen 30 und 40 Jahren», verrät Pöhlmann und liefert auch gleich die Begründung: «Das ist das Alter, in dem man die meisten Hochzeitseinladungen bekommt.» Denn selbst der grösste Adretto-Fan bestellt nur dann einen Anzug, wenn er auch einen Anlass hat, ihn zu tragen. Weiter seien die Mieter online-affin und tragen im Alltag keinen Anzug. Eine kleinere Gruppe machen die Bis-28-Jährigen aus, die für ihren Ausbildungsabschluss einen Anzug brauchen. Die 50-Plus-Kunden seien dann eher an Smokings interessiert, für die Oper oder an eine Gala. So habe auch schon Nati-Torwarttrainer Patrick Foletti einen Adretto-Frack gemietet.
Entwicklung geht weiter
Um die saisonalen Schwankungen abfedern zu können, will das Start-up künftig neue Kundensegmente erschliessen. Eines davon sind Businesspartner für Arbeitskleidung. So läuft im August ein Pilotprojekt mit der Hotelfachschule Luzern an. Vorerst darf Adretto je fünf männliche und weibliche angehende Studierende ausstatten. Wenn es sich bewährt, dann künftig alle 160 eines Jahrgangs. Bereits in der Testphase mit ausgesuchten Kunden ist ein Abo-Modell. Es richtet sich an Leute, die den Anzug im Arbeitsalltag brauchen. «Die Fachhochschule Nordwestschweiz hat dazu eine Marktstudie gemacht», sagt Pöhlmann: «Gerade im Bank- und im Versicherungswesen ist das Interesse demnach gross.» Das Anzug-Abo ermöglicht es, hochwertige Anzüge aus 100 Prozent Schurwolle zu geniessen, ohne sich langfristig an spezifische Modelle binden zu müssen. Das bringt Flexibilität bezüglich Grösse und Saison und schont darüber hinaus auch die Ressourcen.
Um die neuen Modelle umsetzen zu können, geht Adretto derzeit in eine neue Investierungsrunde. Im Crowdinvesting hat ab August jeder und jede Gelegenheit, das innovative Geschäftsmodell ab 500 Franken zu unterstützen. Als Anreiz dürfte dann eine Naturaldividende winken, verrät Pöhlmann: «Im Sinne von: Investiere bei uns und du musst dich nie mehr um einen Anzugkauf kümmern.»