Atemberaubende Lichter

  19.01.2021 Muri

Eine spannende Reise in den Hohen Norden mit dem Meteorologen Christoph Siegrist

Polarlichter faszinierten schon die Wikinger und die Samen. In einem Online-Kurs der Volkshochschule Oberes Freiamt erhielt man einen Einblick in die Entstehung der Himmelserscheinungen, hörte Mythen, die über sie erzählt werden, und bekam Tipps, wo und wie man sie am besten fotografieren kann.

Susanne Schild

Polarlichter üben auf Millionen von Menschen einen besonderen Reiz aus. In den letzten Jahren sind Skandinavien-Reisen im Winter immer beliebter geworden, denn die Chancen, die Nordlichter dort mit eigenen Augen am Himmel zu sehen, sind gross.

Die Naturerscheinungen sind auch die grosse Passion von Christoph Siegrist. Er ist Meteorologe bei SRF. An der ETH hat er ein Studium in Erdwissenschaften mit Vertiefung in Atmosphärenphysik und Klimatologie abgeschlossen. Für Kontiki-Reisen entwickelte er das private Polarlichtkameranetz. Schon lange hat er sich mit den nächtlichen Erscheinungen auseinandergesetzt. Und jeden Winter ist er im Hohen Norden anzutreffen.

Häufig in den Polargebieten zu beobachten

Die atemberaubenden Lichter tauchen sowohl auf der Nordhalbkugel als «Aurora borealis» auf als auch auf der Südhalbkugel als «Aurora australis». Sie erscheinen vorrangig in den Polargebieten, meistens in 60 Grad nördlicher Breite und in 60 Grad südlicher Breite.

Island, Finnland und Schweden, Norwegen mit Svalbard (Spitzbergen), Grönland, Kanada und Russland eignen sich für Polarlichtjäger. Für die «Aurora australis», also die Südlichter, muss man allerdings schon sehr weit ins Eis der Antarktis reisen. Daher sind die Polarlichter dort natürlich sehr viel schwieriger einzufangen als die Nordlichter. Oftmals kommen deshalb dort nur Polarforscher in den Genuss.

Aufzeichnungen über Polarlicht in der Schweiz

Auch auf anderen Planeten wie beispielsweise dem Saturn konnten schon Polarlichter gesichtet werden. Äusserst selten sind sie sogar in der Schweiz zu sehen. Einem Bericht vom 28. Dezember 1563 zufolge färbte sich der Himmel über Zürich am Morgen ungewöhnlich rot. Zuerst dachte man, dass es brennt. Doch dem war nicht so. Es waren Polarlichter. Die Himmelserscheinung konnte damals nur noch nicht eingeordnet werden und so sah man es als göttliches Zeichen an.

Heute ist ihre Entstehung weitgehend erforscht. Polarlichter entstehen auf der Sonne. Dort ereignen sich Eruptionen. Die Sonnenaktivität kann man anhand von Sonnenflecken feststellen. Alle elf Jahre erreichen die Sonnenflecken ihr Maximum. Das letzte wurde 2015 erreicht. Das Minimum wurde im Dezember 2019 aufgezeichnet. Laut Prognose findet das nächste Maximum am 25. Juli 2025 statt. «Die beste Zeit, um Nordlichter beobachten zu können, ist demnach von Herbst 2023 bis Frühling 2031», gab Siegrist als Tipp.

Überschüssige Energie wird als Licht abgegeben

Für die Entstehung der Polarlichter sind Sonnenwinde verantwortlich, die hauptsächlich aus Ionen und Elektronen bestehen. Die Sonne verteilt ungefähr eine Million Tonnen Plasma pro Sekunde in unserem Sonnensystem und erreicht damit nach zwei Tagen auch die Erde. Dort trifft der Sonnenwind auf das Magnetfeld des Planeten und drückt es ein wenig zusammen, ohne jedoch die Atmosphäre erreichen zu können. Stattdessen wandern die Teilchen entlang der Feldlinien des Erdmagnetfeldes zu den Polarkreisen, da die Linien dort senkrecht zur Erdoberfläche stehen. Dort gelingt es den aufgespaltenen Atomen, in die Atmosphäre einzudringen, wo sie auf die Sauerstoffund Stickstoffatome der Luft treffen. Bei dem Zusammenstoss der Atome wird das Energieniveau der Sauerstoff- und Stickstoffatome angehoben. Das bedeutet, dass die Teilchen mehr Energie haben als nötig. Diese überschüssige Energie wird in Form von Licht abgegeben. Je nach Stärke der Sonnenwinde erscheinen die Lichter in verschiedenen Formen.

Diese Reaktion findet in 100 Kilometern Höhe statt, also weit oberhalb der Wolkendecke. Deshalb benötigt man, um Polarlichter sehen zu können, einen dunklen und klaren Himmel. Die beste Reisezeit, um Nordlichter beobachten zu können, liegt daher zwischen dem 20. August und dem 20. April, weiss der Experte.

Unterschiedliche Farben

Ein Polarlicht kann unterschiedliche Farben annehmen, was von der Höhe der Entstehung und dem betroffenen Atom abhängt, auf das das Plasma trifft. Die Sauerstoffatome, die in einer Höhe von 100 Kilometern angeregt werden, strahlen grünes Licht ab und sind am besten mit dem menschlichen Auge zu erfassen. Die Sauerstoffatome, die ab einer Höhe von 200 Kilometern auf das Plasma treffen, geben rotes Licht ab. Stickstoffatome hingegen lassen sich nur sehr schwer von Plasma anregen. Die blauen oder violetten Leuchterscheinungen, die von dieser Verbindung ausgehen, sind daher eher selten.

Seelen der Verstorbenen

So unterschiedlich die Farben eines Nordlichtes, so unterschiedlich sind auch die Mythen, die über die Naturerscheinung erzählt werden. In Schweden und Norwegen gibt es den Mythos, dass «Aurora borealis» riesige Heringsschwärme in den Meeren widerspiegeln. Ebenso wurde das Naturphänomen aufgrund der sanften Bewegungen oft mit tanzenden Frauen verglichen.

Bis heute behandeln die Ureinwohner Lapplands, die Samen, das tanzende Licht am Nachthimmel mit grösstem Respekt. Schon den Kindern wird beigebracht, dass man es nicht anschreien oder pfeifen darf, da es sich um die Seelen der Verstorbenen handelt.

Wertvolle Foto-Tipps vom Experten

«Ich selbst konnte Polarlichter nur grau sehen», mit dieser Feststellung wird Christoph Siegrist häufig konfrontiert. Die Ursache dafür liegt im menschlichen Auge. Erst auf der Kamera werden Polarlichter farbig, ein wirklich witziges Phänomen. Schwache Polarlichter ergeben selbst auf dem Foto häufig nur einen Grünmatsch, erst bei stärkeren Polarlichtern sind richtige Farben zu erkennen.

Anders als noch vor ein paar Jahren kann man heutzutage sogar schon mit dem Handy relativ gute Bilder produzieren. Dennoch werden die besten Ergebnisse mit einer Spiegelreflexkamera erzielt. Wichtig ist, dass man sich zu Hause mit der Kamera vertraut macht. «Denn es gibt nichts Ärgerlicheres, als wenn man vor lauter Herumprobieren an der Kamera das Nordlicht am Schluss noch verpasst.»


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