Auf höherer Ebene Gas geben
16.12.2025 Beinwil/Freiamt, Region Oberfreiamt, Politik, Porträt, ParteienÜber den Tellerrand hinaus
Vizeammann Franziska Stenico, Beinwil
Auch wenn Franziska Stenico aus dem Gemeinderat Beinwil zurückgetreten ist, politisiert sie weiter. Künftig macht sie das einfach auf höherer Ebene, wie sie sagt. Im ...
Über den Tellerrand hinaus
Vizeammann Franziska Stenico, Beinwil
Auch wenn Franziska Stenico aus dem Gemeinderat Beinwil zurückgetreten ist, politisiert sie weiter. Künftig macht sie das einfach auf höherer Ebene, wie sie sagt. Im Interview erzählt sie, warum man im Gemeinderat nicht Freunde haben muss. Sie spricht über das Loslassen und worin sie sich als Person zur Politikerin unterscheide. Dazu gibt sie Einblick in ihre Projekte und die neue Freizeit. --red
Nach zwölf Jahren im Gemeinderat Beinwil – acht davon als Vizeammann – tritt Franziska Stenico zurück
Das Kapitel Gemeinderat schliesst sie per Ende Jahr ab, allerdings nicht das Politisieren an sich. Mit noch mehr Energie will sich Franziska Stenico künftig als Präsidentin der Bezirkspartei und Grossrätin der Mitte einbringen.
Thomas Stöckli
Freunde müsse man nicht sein im Gemeinderat, sagt Franziska Stenico. «Aber miteinander klarkommen und Lösungen zum Wohle der Bevölkerung finden.» Hehre Worte, in einer Welt, die vermehrt von Machtmenschen auf Egotrip geprägt ist. «Da zeichnet sich eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung ab, die nicht unbedingt mit unserem Milizsystem in Einklang zu bringen ist», sagt sie. Schon der Start ins Gespräch macht klar: Franziska Stenico-Goldschmid ist nicht der Typ Politikerin, deren Weltbild am eigenen Gartenhag aufhört. Sie ist es sich gewohnt, über den Tellerrand hinauszudenken. Als brückenbauend, pragmatisch und lösungsorientiert beschreibt sie sich als Politikerin. Für die Privatfrau, die sie ebenfalls ist, wählt sie die Adjektive tolerant, wertschätzend und offen.
Mehr Zeit, weniger Verantwortung
Mit gemischten Gefühlen trete sie aus dem Gemeinderat zurück, mit einem lachenden und einem weinenden Auge: «Ich habe die Arbeit als Gemeinderätin zwölf Jahre lang sehr gerne gemacht», betont Franziska Stenico. Besonders vermissen werde sie die Leute im Asylwesen, mit denen sie eng zusammengearbeitet hat, aber auch grundsätzlich die Kontakte mit der Bevölkerung. «Es ist ein Loslassen», sagt sie, «ein neuer Lebensabschnitt mit neuen Aufgaben, mit mehr Zeit und weniger Verantwortung.» Und nach einigen Sekunden: «Die positiven Aspekte überwiegen – im Moment.»
Als «Vernunftlösung im Sinne einer gestaffelten Nachfolgelösung» beschreibt sie das Timing ihres bereits seit dem Frühling aufgegleisten Rücktritts. Eine Planung, die von der Aktualität eingeholt wurde. «In Anbetracht der jetzigen Situation ist es nicht unbedingt glücklich», sagt sie, angesichts des an der letzten «Gmeind» überraschend angekündigten Doppelrücktritts von Guido Wigger, ihrem Nachfolger als Vizeammann, und Jürg Barmettler. Ein Comeback schliesst sie trotzdem kategorisch aus: «Wenn ich eine Entscheidung fälle, dann stehe ich auch dazu und ziehe es durch!», betont sie. «Das ist eine Charakter-Grundhaltung.» Für die frei werdenden Gemeinderatssitze wünscht sie sich, dass junge Neuzuzüger in die Bresche springen: «Da gibt es sicher Leute, welche die Fähigkeiten mitbringen.»
Unbeschwerter Einstieg
Als sie vor über zwölf Jahren erstmals auf eine Gemeinderatskandidatur angesprochen wurde, sei sie «aus allen Wolken gefallen», beschreibt Franziska Stenico. «Ich hatte nie auch nur mit dem Gedanken gespielt.» Den entscheidenden Anstoss, es sich zuzutrauen, haben ihr schliesslich die Töchter gegeben. Und die Führungserfahrung, die sie bei der Spitex Muri sammeln durfte. Beim Start als Gemeinderätin habe sie viel zugehört und sich Zeit genommen, um zu lernen. «Richtig eingearbeitet ist man erst nach zwei Jahren. Und dann kann man anfangen, die eigene Denkweise einzubringen.» Die Anfangszeit habe ihr denn auch besonders gut gefallen: «In den ersten zwei, drei Jahren geht man relativ unbeschwert an die Sache. Später wird die Belastung grösser.»
Von Stefan Zemp übernahm sie die strategische Verantwortung für die Schule. Da war der Schulhaus-Anbau bereits in Planung. Ihre erste grosse Herausforderung war entsprechend, den zu Ende zu führen. Weiter galt es, die Grüngutsammlung neu zu organisieren und dem Friedhof ein neues Konzept zu verpassen. «Die Angehörigen der Verstorbenen sollen sich so wohl wie möglich fühlen», sei dabei ein Leitgedanke gewesen. Will heissen, dass man im Aufbahrungsraum sitzen und bei gedimmtem Licht zur Ruhe kommen kann. Das Bänklein beim Gemeinschaftsgrab hat sie selbst gesponsert, «speziell für die älteren Leute», wie sie betont.
Aufwendige Koordination von Asyl-Wohnraum
Als nach vier Jahren der Vizeammann zurücktrat, stellte sich Franziska Stenico zur Verfügung, diese zusätzliche Verantwortung zu übernehmen. «Und es hat mir Freude gemacht», sagt sie. Als schöne Momente beschreibt sie die Gratulationsbesuche bei den Jubilaren der Gemeinde: «Ich höre gerne ältere Leute von früher erzählen.» In ihrer Rolle als Frau Vizeammann waren auch vermehrt Ansprachen gefragt. «Das hat mich am Anfang viel Überwindung und Vorbereitungszeit gekostet», verrät sie. Dahinter stecken hohe Ansprüche an sich selbst: Schliesslich sollten ihre Worte einen roten Faden und eine kraftvolle Aussage haben.
Dazu gehört dann auch der Mut, diese Worte öffentlich vorzutragen. «Die Chance, diese Erfahrung zu machen, war für mich matchentscheidend, für den Grossrat zu kandidieren.»
Das Feuerwehrlokal und der Werkhof waren zur Amtszeit von Franziska Stenico Themen, der Verkauf des alten Werkhofs und die Asyl-Häuser. «Durch den Krieg hatten wir plötzlich 50 Asylanten aus der Ukraine», beschreibt sie die Herausforderung. Ihre grosse Aufgabe war es da, die Unterbringung zu koordinieren. Keine einfache Sache bei sowieso schon angespannter Wohnungssituation in der Gemeinde. Und wenn eine Familie aus dem Asylstatus herauskommt, wird die Wohnung deswegen nicht frei, trotzdem gilt es, die Aufnahmequote wieder zu erfüllen. «Ich wollte nicht sauer verdientes Steuergeld für Ersatzabgaben abliefern müssen.» Dass sie dieses Jonglieren nun abgeben darf, darüber sei sie erleichtert.
Breites Interessensspektrum
Auch auf überkommunaler Ebene hat sich Franziska Stenico eingebracht, von der Musikschule bis zum Aufbau der Regionalen Integrationsfachstelle (RIF) Oberes Freiamt. «Insbesondere für kleine Gemeinden ist Vernetzung wichtig», hat sie erkannt: «Was man zusammen schafft, das müssen nicht alle selbst erarbeiten.» Der Rucksack an Erfahrungen aus der Gemeinde und der Region hilft ihr in der kantonalen Politik. Anders als bei den meisten ihrer Parlamentskollegen liegt bei ihr der Fokus nicht auf einem einzelnen Thema. In der Geschäftsprüfungskommission bekommt sie es mit einem breiten Spektrum zu tun. Entsprechend schnell kann sie reagieren, wenn sie es für nötig hält. Etwa als es im Hinblick auf die Schliessung der Geburtenabteilung am Spital Muri darum ging, das betroffene Personal zu unterstützen.
Aus dem Gemeinderat tritt Franziska Stenico Ende Jahr zurück. Das gibt ihr mehr Zeit. Zeit für die Pflege sozialer Kontakte und insbesondere für die acht Monate alte Enkeltochter. Zeit, um als Bezirkspräsidentin der Mitte Gas zu geben, auch im Hinblick auf das Grossrats-Präsidium, das turnusgemäss Ralf Bucher 2027 übernehmen dürfte. Und Zeit für das eigene Mandat im Kantonsparlament, an welchem sie ebenfalls festhält. In dieser Rolle will sie sich weiter für die Interessen der Bevölkerung einsetzen, für die Schwächeren der Gesellschaft, für die Bildung, das Gesundheitswesen, nachhaltige Energie. Mit Wärmepumpe und Solaranlage geht sie voran, «und ich würde im Garten auch ein Windrad aufstellen», betont sie.
Das Engagement in Aarau kommt schliesslich auch der Region und Beinwil wieder zugute: «Die Entscheide, die wir im Grossen Rat fällen, dienen als Grundlage für die Arbeit in den Gemeinden.»



