Auf internationalem Terrain

  20.07.2021 Bettwil

Serie «Zwei Welten»: Familie Thiel aus Bettwil

Dorota Thiel stammt aus Polen. Ihr Mann Carsten hat seine Herkunft in Deutschland. Gelebt haben beide schon rund um den Globus. Zusammen mit ihren Söhnen sehen sie ihre Zukunft in der Schweiz.

Australien, USA, Belgien, Österreich. Die Destinationen, in denen sowohl Carsten Thiel als auch Dorota Thiel unabhängig voneinander gelebt haben, sind vielfältig und auf der ganzen Welt verteilt. Sie wurde in Warschau geboren. Er in Berlin. Vor zehn Jahren kamen sie nach Bettwil, ziehen hier ihre drei Kinder, Leon (17) Julian (16) und Filip (16), gross und leben mit Hund Frodo und drei Katzen. Im Freiamt fühlt sich die internationale Familie wohl. Neue Leute kennenlernen fällt den offenen Weltenbummlern leicht. «In der Schweiz dauert es jedoch für richtige Freundschaften etwas länger», berichtet Dorota Thiel und gibt einen bildlichen Vergleich preis: «Schweizer sind wie Kokosnüsse. Bis man die harte Schale durchbrochen hat, braucht man Zeit. Hat man es geschafft, spürt man die wahre, volle Herzlichkeit.» --sab


«Es hat gleich gefunkt»

Serie «Zwei Welten» – Die Familie Thiel verbindet Polen, Deutschland und die Schweiz in Bettwil

Dorota Thiel ist in Warschau aufgewachsen. Ihr Mann Carsten ist in Berlin geboren. Ihre drei Söhne erblickten in Luzern das Licht der Welt. In Bettwil sei ihre Zukunft. Deshalb liessen sie sich einbürgern.

Sabrina Salm

«Currywurst», das antwortet Carsten Thiel wie aus der Pistole geschossen auf die Frage, was er aus seinem Heimatland am meisten vermisse. Er und seine Frau Dorota schauen sich an und lachen. Dann fügt die 50-Jährige hinzu: «Ja, auch bei mir sind es die kulinarischen Genüsse, die ich aus Polen sehr vermisse.» Es gebe zum Glück einige Supermärkte mit polnischen Spezialitäten, «so bekomme ich doch noch ab und zu die Süssigkeiten aus meiner Kindheit.» Die seien zwar gut und wecken Erinnerungen, doch nichts schmecke besser als Schweizer Schokolade.

Internationales Flair

Ansonsten ist die Familie Thiel bezüglich Kochtopf weltoffen. Das mag daran liegen, dass man sie als regelrechte Weltenbummler bezeichnen könnte. Sowohl der 58-jährige Carsten Thiel als auch seine Frau haben schon in einigen Ländern gelebt. Er stammt ursprünglich aus Berlin. «Meine Eltern waren beide Mediziner. Deshalb sind wir oft umgezogen.» Er hat Biochemie studiert in Marburg, Bristol (UK) und Göttingen und ist CEO eines Biotech-Unternehmens in London. Carsten Thiel hat berufsbedingt schon in Belgien, England, Österreich oder in den USA gelebt. Dort hat auch schon Dorota Thiel gelebt, ebenso in Luxemburg oder Australien. Carsten und Dorota Thiel haben sich übers Internet kennengelernt. «Damals habe ich in Slowenien gearbeitet. Dorota kam gerade aus Australien zurück. Laut den Suchkriterien galten wir als ein Favoritenpaar.» Also haben sie sich zum ersten Mal in München getroffen. «Und es hat gleich gefunkt.»

Haben sich sofort ins Haus verliebt

Funken sprangen bei beiden auch, als sie 2011 zum ersten Mal in ihrem heutigen Haus in Bettwil waren. «Wir haben uns gleich in das Anwesen verliebt, besonders in die Sonnenuntergänge, die man von hier aus sehen kann», erzählt das Ehepaar. «Wir haben noch am gleichen Tag den Kaufvertrag unterschrieben.» Bettwil findet Carsten Thiel, der gerade seinen Pilotenschein in Buttwil macht, charmant. «In einem kleinen Dorf ist es einfacher, die Leute kennenzulernen.» Es sei eine überschaubare, spannende Gemeinde mit einer langen Geschichte. Für ihn war es immer ein Traum, im Grünen zu leben und trotzdem leichten Zugang zu einer Stadt zu haben. Diese Gegensätze zu verbinden, schätzt er sehr. Hier im Freiamt fühlen sie sich wohl. Auch ihre Söhne Leon (17) und die Zwillinge Julian und Filip (16). Auch sie sind bereits international. Die Kinder sind mehrsprachig aufgewachsen. Die Mutter sprach mit ihnen immer polnisch, der Vater deutsch. «Meine Frau und ich unterhalten uns auf Englisch, deshalb können das die Kinder auch.» Die drei Sprachen beherrschen sie heute nahezu perfekt.

Wunsch nach Stabilität

Bei der Frage, was denn typisch deutsch an Carsten Thiel sei, überlegt er lange. «Ich plane sehr gerne und bin sehr ordnungsliebend. Vielleicht ist meine direkte Art das Deutscheste an mir», schmunzelt er und meint dann augenzwinkernd: «Aber dies habe ich mir inzwischen etwas abgewöhnt.» Ausser sehr familienverbunden und offen sei Dorota eigentlich keine typische Polin. «Wir müssen Sie enttäuschen, bei uns im Haus gibt es keine Wodkaflaschen», lachen beide, die vor einiger Zeit im Golfspielen ihr neues gemeinsames Hobby gefunden haben.

Der Wunsch nach dem Schweizer Pass kam mit den Jahren. «Ich wollte eine langfristige Grundlage haben. Und mental hat man mit der Einbürgerung die Verwurzelung noch stärker vollzogen.» Man bewege sich weg vom Gefühl eines Gastes und wird Teil einer Gesellschaft. «Es ist mehr als ein Ausweisdokument für mich.» Auch der politische Aspekt bewegte ihn dazu, den Antrag zu stellen. «Jetzt habe ich die Möglichkeit, meine Stimme abzugeben, und nehme diese auch wahr. Es bedeutet mir viel, dass ich bei der politischen Meinungsbildung mitgestalten kann.»

Nachdem Carsten Thiel das Bürgerrecht zugesprochen erhalten hatte, liessen sich auch seine Frau und die drei Kinder einbürgern. «Mit dem Alter verschieben sich die Prioritäten», sagt Dorota Thiel. Sie habe in vielen Ländern gelebt. Heute sei ihr die Stabilität wichtig. «Auch bei mir spielte die politische Seite eine grosse Rolle. In den meisten Ländern herrscht nur eine Fast-Demokratie. Hier nicht, hier kann man mitreden.» Das sei für sie besonders wichtig, da sie bis 19 Jahre in einem kommunistischen Land lebte. Für sie ist es eine Sicherheit, dass sie als Bürgerin etwas sagen darf und Einfluss nehmen kann. «Es ist hier ein kleines Paradies für uns. Die Schweiz, Bettwil, ist jetzt meine Heimat. Mit vollem Herzen», sagt sie.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote