Aufwärmen mit dem Sprint-Profi
29.10.2024 KelleramtWilliam Reais machte den Jubiläums-Kellerämterlauf zum besonderen Erlebnis
Er hat sich als sympathisch-familiärer Anlass etabliert, sowohl in der Region als auch beim Leichtathletik-Nachwuchs darüber hinaus. Zur 15. Austragung des Kellerämterlaufs ...
William Reais machte den Jubiläums-Kellerämterlauf zum besonderen Erlebnis
Er hat sich als sympathisch-familiärer Anlass etabliert, sowohl in der Region als auch beim Leichtathletik-Nachwuchs darüber hinaus. Zur 15. Austragung des Kellerämterlaufs haben die Organisatoren das Bewährte beibehalten und doch einiges mehr geboten.
Thomas Stöckli
«Seid ihr schon müde?», fragt William Reais in die Runde. «Nein!», schallt es ihm stimmgewaltig entgegen. Die Aufwärm-Sessions mit dem diesjährigen EM-Bronzemedaillengewinner über 200 Meter kommen bei den jungen Läuferinnen und Läufern offensichtlich gut an. Gegen 40 Kinder und Jugendliche drängen sich im Festzelt jeweils um den Sprint-Star. «Ihr seid schon richtige Profis», spornt er sie an, wenn die Übungen koordinativ schwieriger werden. Und bei den Dehnübungen heisst es immer wieder: «Schön wippen.»
Training mit den Kambundjis
Für den Kellerämterlauf ist der Bündner extra aus Bern angereist. Dort wohnt er, seit er sich der Trainingsgruppe von Mujinga Kambundji angeschlossen hat. Nach einem hervorragenden Saisonstart konnte er in der diesjährigen Saison zum Höhepunkt an den Olympischen Spielen in Paris sein Potenzial nicht ausschöpfen. Rückblickend beschreibt er die Saison als Achterbahnfahrt. Die Olympia-Enttäuschung habe er inzwischen abhaken können.
Reais versteht es offensichtlich, mit Kindern umzugehen. «Ich mache immer wieder Trainings für die Jungen», verrät er. «Sonst allerdings eher auf der Bahn und nicht im Festzelt», fügt er an und lacht. Wichtig sei es, den Puls hochzubringen und die verschiedenen Muskelgruppen zu aktivieren, sagt er. Und an erster Stelle steht der Spassfaktor. Von einem Jungen herausgefordert, legt der Sprinter kurzerhand eine Liegestütz-Session ein. Dann lässt er die Jugendlichen in die andere Richtung blicken und testet ihr Reaktionsvermögen auf akustische Reize: Wenn er klatscht, sollen sie das auch tun. Ein Steigerungslauf rundet die Session ab. An Ort trabend, sollen sie immer schneller werden, instruiert der Top-Sprinter, zeigt es vor – und hat dazu noch Luft, die Jugend lautstark anzufeuern: «Go, go, go …!»
Rennen im Wald
Vom Festzelt beim Schützenhaus dislozieren die Läuferinnen und Läufer dann zum einige hundert Meter entfernten Start- und Zielbereich im Joner Wald. «Ich wünsche euch ganz viel Erfolg», hat ihnen Reais noch mit auf den Weg gegeben. Und vor allem: «Ganz viel Spass!»
Am Start ist von diesem Spass noch nicht viel zu sehen. Stattdessen zeichnet Anspannung die Gesichter. Nach dem Startschuss werden die Läuferinnen und Läufer lautstark angefeuert, eine Leichtathletikgruppe formiert sogar ein Spalier. Auf dem Hauptteil der Strecke durch den Wald sind die Läuferinnen und Läufer dann unter sich. Erst zum Ziel hin wird es wieder deutlich lauter, «Hopp!»-Rufe motivieren dazu, die letzten Kraftreserven in den Schlussspurt zu mobilisieren.
Rund 425 Kinder und Jugendliche haben sich zur Jubiläumsausgabe des Traditionslaufs angemeldet. Für sie haben die Organisatoren um 7.30 Uhr angefangen, das Wettkampfgelände einzurichten. «Die Fundamente für den Start- und den Zielbogen sind bereits im Boden, wir müssen sie jeweils nur noch freilegen», so OK-Präsident Anthony Paine. Die Zeittechnik überlassen die Veranstalter einem Profi. «Die Zeitmessung muss stimmen», sagt Paine, entsprechend lasse man sich das auch etwas kosten. Der Verein ist auch so gefordert, vom Laufbetrieb mit Starter und Streckensicherung bis hin zur Festwirtschaft, die Saisongerecht auch Kürbissuppe anbietet.
Zum Jubiläums-Extra gehört nebst den Aufwärmübungen mit William Reais auch ein Kinderschminken. Vor diesem bilden sich zuweilen längere Warteschlangen. Umso mehr werden die Kunstwerke anschliessend gefeiert. Das Gesicht von Melina aus Bremgarten etwa ziert ein Delfin, von der Wange bis zur Stirn. «Delfine sind meine Lieblingstiere», begründet sie, die bereits zum zweiten Mal am Kellerämterlauf teilgenommen hat, ihre Motivwahl. Ihre Mutter schwärmt derweil von der Herbststimmung im Wald. «Und die Kinder haben Freude, dass es Medaillen gibt», fügt sie an. Und die Besten durften darüber hinaus einmal mehr auch Pokale entgegennehmen.
William Reais ist bei der Siegerehrung nicht mehr mit dabei. Nach sechs Wochen Pause, in denen er sich gut erholen konnte, startet er diese Woche wieder ins Training. Nächste Saison will er zum Höhepunkt in Form sein: Die Leichtathletik-WM findet im September in Tokio statt. «Schnell laufen», nennt er da als Ziel. Konkreter will er nicht werden, da das Abschneiden auch von der Konkurrenz abhänge. «In der Leichtathletik kann alles anders kommen als gedacht», weiss er aus Erfahrung, «negativ wie positiv.»
Nie zu spät
Ausschliesslich positiv dürfte dem hiesigen Lauf-Nachwuchs die Begegnung mit dem Star in Erinnerung bleiben. Zumal dieser erst im Alter von 16 Jahren vom Fussball zur Leichtathletik gewechselt hat. «Es ist nie zu spät, um anzufangen», gibt er den Laufbegeisterten mit auf den Weg. Dies nebst seinen begehrten Autogrammkarten und der Erfahrung, dass auch Profisportler ganz normale Menschen sind.