AUS DEM GROSSEN RAT

  18.09.2020 Muri

Franziska Stenico, Beinwil CVP.

Langer Titel kurzer Sinn

Am vergangenen Dienstag im Grossen Rat stand ein weitreichendes Traktandum zur Diskussion. Unter Geschäft 20.199 ging es um eine Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB); Totalrevision; Beitritt Kanton Aargau; Dekret über das öffentliche Beschaffungswesen (DöB). Langer Titel, kurzer Sinn.

Im Dekret über das öffentliche Beschaffungswesen soll ein neuer Paragraf 1 eingeführt werden. In diesem zusätzlichen Art. 29 Abs. 1 IVöB sind die Zuschlagskriterien aufgeführt. Die Auftraggeberin (Bund, Kanton) berücksichtigt unter Beachtung der internationalen Verpf lichtungen der Schweiz die unterschiedlichen Preisniveaus in den Ländern, in welchen die Leistung erbracht wird, sowie die Verlässlichkeit des Preises. Nach heutigem Beschaffungsrecht werden in der Schweiz produzierende Unternehmen gegenüber der ausländischen Konkurrenz diskriminiert. Bietet ein ausländisches Unternehmen ein Produkt zu einem tieferen Preis an, erhält es bei sonst gleichen Bewertungen den Zuschlag. Die Folgen: Aufträge müssen ins Ausland vergeben werden. Die heimischen Betriebe werden gezwungen, ihre Produktion einzustellen oder ins Ausland zu verlegen. Bei der Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen im Juni 2019 wurde ein Preisniveau-Zuschlagskriterium aufgenommen. Ist das Preisniveau in einem Land zum Beispiel 20 Prozent tiefer, muss der Anbieter aus diesem Land auch zu einem 20 Prozent tieferen Preis offerieren. So schneidet er beim «Preis/Preisniveau» gleich gut ab wie ein in der Schweiz produzierender Betrieb.

Die Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz der Kantone lehnt nun genau diese, für unsere vielen KMUs im Kanton eine enorm wichtige Bestimmung ab. Die Bundeslösung wurde nicht in die IVöB aufgenommen. Das Gleiche gilt auch für das im rev-BöB verankerte Zuschlagskriterium «Verlässlichkeit des Preises». Mit diesem Kriterium gelingt es, die Preisplausibilität bereits bei der Ausschreibung zu berücksichtigen. Sie bietet dem Kanton zudem die Chance, Tiefpreisangebote, welche teilweise zu hohen Nachtragsforderungen führen, frühzeitig zu erkennen.

Das Eintreten auf die Vorlage war in der Kommission unbestritten. Es kam zur Diskussion, die CVP-Fraktion zeigte auf, dass eine Diskrepanz zwischen nationalem und interkantonalem Recht besteht. Der Beitritt ist verfrüht und nicht sachgerecht, etliche Fragen müssten noch innerhalb der Kommission geklärt werden. Die Vereinbarung wurde mit grosser Mehrheit zurück in die Kommission zur Bearbeitung und Klärung gegeben. Eine zweite Lesung wurde eingeleitet.

Bei Submissionsverfahren auf Gemeindeebene ist es üblich, die Angebote der einheimischen und regionalen KMUs genau zu prüfen, so kann gewährleistet werden, dass diese Unternehmen bestehen können. Lehrlinge werden ausgebildet, Arbeitsplätze bleiben erhalten und die Steuern dieser Betriebe bleiben in der Region. Warum sollte, was für Gemeinden gilt, nicht auch für den Kanton gut sein?


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote