Bald ohne Schulpflege?

  21.08.2020 Bremgarten

Am 27. September wird über die Neuorganisation der Führungsstrukturen der Aargauer Volksschule abgestimmt. Es geht um nichts weniger als die Zukunft der Schulpflegen. Die Meinungen, ob es in den Gemeinden und Städten noch eine Schulpflege braucht, sind in den verschiedenen politischen Lagern gespalten. Das zeigte sich auch an einer hochkarätig besetzten Podiumsveranstaltung im Bremgarter Casino: «Doppelspurigkeiten entfallen. Die Entwicklung der Schule und die strategische und finanzielle Führung erfolgen aus einer Hand», erklärte Regierungsrat Alex Hürzeler (SVP) vor den rund 70 Besucherinnen und Besuchern im Casino. «Die Lobby der Schule geht verloren», erklärte hingegen Franco Corsiglia, Präsident des Verbandes Aargauer Schulpflegepräsidenten. --aw


Machtkonzentration wird befürchtet

Casino Bremgarten: Podiumsanlass zur Zukunft der Schulpflege im Kanton Aargau

Ende September wird über die Neuorganisation der Führungsstrukturen der Aargauer Volksschule abgestimmt. Es geht um nichts weniger als die Zukunft der Schulpflegen.

André Widmer

Es ist kein Klacks. Es geht um einen Eingriff in bestehende demokratische Strukturen im Aargau – die allfällige Abschaffung der Schulpflege. Am 27. September wird in zwei Vorlagen über die Neuorganisation der Führungsstrukturen der Aargauer Volksschule abgestimmt, wofür sowohl eine Verfassungsänderung als auch eine Schulgesetzänderung nötig wären.

«Doppelspurigkeiten entfallen»

Die Meinungen, ob es im Kanton Aargau in den Gemeinden und Städten noch eine Schulpflege braucht, sind in den verschiedenen politischen Lagern gespalten. Dies zeigte sich auch an der hochkarätig besetzten Podiumsveranstaltung im Casino. Stefan Ulrich, Moderator der Diskussion, bezeichnete Gemeindeammann, Pfarrer und Schulpflegepräsidenten als «heilige Dreifaltigkeit», wollte wohl damit die Dimension einer Abschaffung vor Augen führen. Vor rund 70 Interessierten führte zunächst Regierungsrat und Bildungsdirektor Alex Hürzeler die Argumente der Befürworter ins Feld. Es sei Zeit, dass diese Vorlage zur Abstimmung gelange. Die Einführung der Schulleitung vor rund 15 Jahren sei der erste Schritt der Strukturanpassungen gewesen, liess er verstehen. Dass auf kommunaler Ebene die Gemeinderäte über die finanziellen Belange entscheiden, die Schulpflege hingegen über die strategischen, könne zu Schnittstellenproblemen führen. Ein Argument also zur Abschaffung der Schulpflege. Denn: «Doppelspurigkeiten entfallen. Die Entwicklung der Schule und die strategische und finanzielle Führung erfolgen aus einer Hand», erklärte Regierungsrat Hürzeler.

«Teurer kann es nicht werden»

Die Einbindung näher an die Strukturen der Gemeinde und ihrer Verwaltung sei eine grosse Chance. Von der Nähe zur Verwaltung der Gemeinde könnte die Schulleitung wiederum profitieren, so Hürzeler. Und: «Die demokratische Mitwirkung wird erhöht.» Das ganze Dorf und damit die Steuerzahler würden mitentscheiden. Für schuladministrative Belange könnte der Gemeinderat eine begleitende Fachkommission einsetzen. Entscheide wie umstrittene Promotionen von Schülern wiederum könnte der Schulleiter fällen. Weiter ergänzte Alex Hürzeler, dass eine Führungsinstanz und Schnittstelle weniger die Strukturen eben vereinfachen würde. Die Gemeinden könnten frei werdende Mittel weiterhin für Schulführungsaufgaben einsetzen. «Teurer kann es nicht werden», so Hürzeler.

«Lobby der Schule geht verloren»

Franco Corsiglia wiederum, Schulpflegepräsident in Wohlen und Präsident des Verbandes der Aargauer Schulpflegepräsidenten, stellte sich natürlich auf einen anderen Standpunkt. Er befürchtet die fehlende Nähe der Behörden zur Schule, und auch eine Politisierung der Schulbelange. «Die Lobby der Schule geht verloren. Mit dem Abbau besteht das Risiko, dass finanzielle und politische Beweggründe zukünftig stärker gewichtet würden als Bildungsinhalte», so Corsiglia. Die Wege würden länger – Schulpfleger seien näher an Lehrpersonen und Eltern. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass keine Hierarchiestufe abgeschafft würde. «Die Schulleitung erhält mehr Arbeit. Wir sind absolut überzeugt, das ist ein Demokratieabbau, sonst gäbe es dafür ja auch nicht eine Verfassungsänderung.»

Corsiglia argumentierte auch, dass mit der Abschaffung der Schulpflege auch keine Professionalisierung einhergehe. Denn der Gemeinderat, der dessen Aufgaben übernehmen würde, sei ebenfalls eine Milizbehörde. Zudem erfolge eine Machtkonzentration beim Gemeinderat – was wiederum die bereits erwähnte Verpolitisierung der Schule nach sich ziehen könnte. «Es ist immer einfacher, abzuschaffen», sagte Franco Corsiglia. Als Alternative würde er eine Weiterentwicklung der Schulpflege begrüssen. Beispielsweise, indem ihr ein Globalbudget zur Verfügung gestellt würde oder ein Antragsrecht als politische Einbindung. Die von Corsiglia gewünschte Weiterentwicklung rief den im Publikum anwesenden Co-Präsidenten der Aargauer Schulleitungen Philipp Grolimund auf den Plan: «Wir brauchen eine Führung aus einer Hand. Warum haben Sie Jahre verstreichen lassen und nichts optimiert?»

«Haben keinen Plan B»

«Es gibt nur Doppelspurigkeiten», sagte die grüne Grossrätin Ruth Müri, die auch Stadträtin in Baden ist. Strategie und Finanzen könne man nicht trennen, die heute involvierten Instanzen führten zu einem Hin-und-Her von Geschäften. Mit der Einführung der Schulleitungen habe sich die Aufgabe der Schulpflege geändert, sie sei «nicht mehr zeitgemäss». CVP-Grossrätin Karin Koch Wick (Bremgarten) wies darauf hin, dass Promotionsentscheide über die Schulpflege liefen. «Das System ist ein Erfolgsmodell. Die Nähe zur Schule und zu den Eltern müssen wir behalten.» Regierungsart Alex Hürzeler antwortete auf die Frage, was passiere, wenn es ein Nein gebe: «Es ist nicht geplant. Wir haben keinen Plan B.»

«Stadtrat und Verwaltung wären bereit»

Auch zu Wort kam Stadtammann Raymond Tellenbach. Er mahnte, dass es eine behördliche Anweisung – Rechtsdienst des Kantons – gebe, dass sich die Behörden und die Schulbehörden im Abstimmungskampf zurückhalten sollten. «Ich halte mich daran», so Tellenbach. Im Fall einer Neuverteilung der Aufgaben komme es nicht zu einer Vergrösserung des Stadtrates, das Ressort erhalte einfach mehr Aufgaben. Kompetenzenreglemente müssten abgeändert werden, der Gesamtschulleiter würde zum Abteilungsleiter. «Ich sehe keine Mehrkosten, so ganz grob überprüft. Die Schule käme näher an die Verwaltung.» Raymond Tellenbach zog das Fazit: «Eine Übernahme der Aufgaben der Schulpflege ist denkbar und machbar. Stadtrat und Verwaltung wären bereit dafür.»


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote