Bremgarter Meitli darf bleiben
04.11.2022 BremgartenDie Stadt macht das ArtWalk-Kunstwerk permanent
Das Mädchen aus Holz der Zufiker Künstlerin Petra Hochstrasser auf dem Reussweg gleich unterhalb des Muri Amthofs wird seinen Blick auch in Zukunft in Richtung der Wassermassen der Reuss schweifen lassen. Der ...
Die Stadt macht das ArtWalk-Kunstwerk permanent
Das Mädchen aus Holz der Zufiker Künstlerin Petra Hochstrasser auf dem Reussweg gleich unterhalb des Muri Amthofs wird seinen Blick auch in Zukunft in Richtung der Wassermassen der Reuss schweifen lassen. Der Stadtrat hat die Skulptur gekauft.
Marco Huwyler
Aufmerksamen Spaziergängern wird es kaum entgangen sein. Der Kunstmonat ist schon seit mehreren Wochen vorbei. Doch die Nummer10 des grossen ArtWalk-Rundgangs verharrt im Gegensatz zu den anderen Kunstwerken auch Anfang November noch an ihrem Platz. Und sie tut dies offensichtlich zur Freude der Passantinnen und Passanten.
Kunstwerk fasziniert
Kaum eine Minute vergeht, ohne dass das Holz-Mädchen, das auf Zehenspitzen über das Geländer in die Wogen lugt, von Neugierigen gemustert und genau beäugt wird. Nicht selten wird das Handy gezückt und der Moment der Begegnung aus diversen Blickwinkeln festgehalten. Kein Zweifel: Bremgarten hat ein neues Lieblingsfotomotiv, das es schon beinahe mit der Schoggiseite aufnehmen kann. Das Kunstwerk spricht die Leute an und fasziniert und berührt sie auf eine gewisse Art und Weise.
Bamert verliebt
Genauso ging es auch Claudia Bamert. Als Kultur-Stadträtin hat sie den ArtWalk wohl als eine der Ersten abgelaufen. Und jenes Kunstwerk am Reussufer ist ihr von Anfang an besonders ins Auge gestochen. «Es war wirklich Liebe auf den ersten Blick», erzählt Bamert. «Dieses Verträumte und doch irgendwie Verspielte, Fröhliche und Neugierige», habe es ihr angetan. «Es passt irgendwie perfekt zur Reuss. Zu Bremgarten. Und genau hierher an diesen Uferweg», findet Bamert.
Deshalb ist sie beim Gesamtstadtrat «mit Vehemenz vorstellig geworden», wie Stadtammann Raymond Tellenbach mit einem Augenzwinkern berichtet. «Wir konnten gar nicht anders, als ihrem Anliegen zu entsprechen.» Bamert regte an, dass man «S Bremgarter Meitli», wie das Kunstwerk von Petra Hochstrasser auch offiziell heisst, doch bitte auch nach dem ArtWalk hier lassen möge. «Es gab eigentlich kaum Diskussionen. Wir alle fanden das eine gute Idee», erzählt Tellenbach. So machte man von seiner Kompetenz, was Kulturfördergelder anbelangt, Gebrauch und beschloss, das Kunstwerk im Namen der Ortsbürger zu kaufen. Damit das Bremgarter Meitli zur fest installierten Kunst im freien Raum werden konnte.
Künstlerin mit Motorsäge
Schöpferin Petra Hochstrasser war hocherfreut, dass die Stadt bei ihr vorstellig wurde. «Insgeheim habe ich mir das immer erhofft», erzählt sie lächelnd. «Schliesslich wurde das Meitli für diesen Ort angefertigt. Sie an eine Privatperson zu verkaufen, die sie dann irgendwo aufgestellt hätte, wo sie niemand mehr sieht, hätte sich falsch angefühlt.»
Zumal die Absicht hinter ihrer monatelange Arbeit auch von Anfang an die Inspiration eines breiten Bremgarter Publikums gewesen sei. Im vergangenen Mai hat die Künstlerin damit begonnen, die Skulptur zu modellieren. Gefertigt wurde das Meitli aus einer von nur vier Eichen, die im Zufiker Wald pro Jahr gefällt werden dürfen. «Weil der Stamm am Anfang viel zu schwer für den Transport gewesen wäre, war zu Beginn der Wald mein Atelier», erzählt sie. Einen Grossteil der Roharbeit erledigte sie mit der Motorsäge. Erst danach wurde der grobe Torso für den Feinschliff in Hochstrassers richtiges Atelier in Zufikon gebracht, bevor er schlussendlich als Bremgarter Meitli zur Attraktion am ArtWalk wurde.
Wirkung individuell
Hochstrasser glaubt, dass es der grosse Interpretationsspielraum und das Geheimnisvolle ist, was die Leute an ihrem Holz-Mädchen fasziniert. «Es werden ganz unterschiedliche Gefühle erweckt», erzählt sie. «Das Meitli bringt die Leute zum Träumen.» Und inspiriert sie dazu, sich eine Geschichte hinter diesem Mädchen auszudenken. Bereits kursiert ein kleines Video vom Mädchen auf Youtube. Der Ersteller bringt das Kunstwerk mit einem Gedicht von Hermann Hesse in Verbindung. «Ja, das habe ich gesehen und Bildmaterial dafür zur Verfügung gestellt. Ich finde, es ist sehr gelungen», sagt Hochstrasser. «Doch die Interpretation ist ganz diejenige des Uploaders. Damit habe ich nichts zu tun.»
Hesses melancholische Worte passen zum Kunstwerk. Gleichzeitig kann man aber ebenso passend auch einen ganz anderen Ansatz wählen – wie etwa Bamert. «Jeder interagiert so anders mit dem Gesehenen. Das finde ich schön und spannend. Und ich denke, dass viele im Kunstwerk auch ein Stück weit sich selber sehen. Wohl jeder hat in Bremgarten schon verträumt auf die wilden Wogen der Reuss geblickt und sich dabei seine Gedanken gemacht», sagt Hochstrasser.
Ball als Sidekick
Was im Übrigen vielen nicht auf den ersten Blick auffällt, ist die Tatsache, dass das Bremgarter Meitli offenbar etwas verloren hat. Auf der schmalen Uferböschung unter dem Geländer ist ein Holzball platziert, der zum Kunstwerk gehört. Auch er wurde wie das Bremgarter Meitli in den vergangenen Wochen fest am Untergrund verankert und gehört nun zum Ortsbild der Kulturstadt Bremgarten. Einer Stadt, die einem verträumten Mädchen aus Holz eine permanente Heimat bietet. Und so ganz nebenbei auch ein wenig den ArtWalk bis zu seiner nächsten Ausgabe in zwei Jahren sichtbar und in Erinnerung hält.