Bunten Lebensraum erschaffen

  11.12.2020 Niederwil

Thomas Peterhans tritt Ende Jahr als Direktor des Reussparks Niederwil zurück

Als völliger Quereinsteiger hat er der Institution seinen Stempel aufgedrückt. Ihm verdankt der Reusspark nicht nur seinen Namen, sondern auch seinen guten Ruf. Nach 25 Jahren endet sein Wirken – doch Thomas Peterhans’ Leistungen werden noch lange Wirkung zeigen.

Chregi Hansen

Dass aus dem ehemaligen «Gnödeli» mit seinen früher bis zu 400 psychisch und physisch Kranken, den Armengenössigen und Süchtigen, um welche die meisten lieber einen grossen Bogen gemacht haben, ein offener Ort geworden ist, der Ausflügler aller Art anzieht, an dem Kultur, Geschichte und Kulinarik ihren Platz finden, das hat sehr viel mit ihm zu tun. Thomas Peterhans hat das Potenzial dieser Institution früh erkannt und viele Veränderungen in Gang gesetzt. Angefangen beim Namen – aus dem Gnadenthal wurde 1998 der Reusspark.

«Der Namenswechsel war eine der wichtigsten Entscheidungen», sagt er rückblickend. Weg vom verstaubten und belasteten Image, hin zu etwas erfrischend Neuem. Nicht alle waren von Anfang an begeistert von dieser Idee. Doch der neue Direktor wusste zu überzeugen. Dabei war es fast schon Zufall, dass er diesen Posten innehatte. Peterhans hatte mit dem Gesundheitssystem nichts am Hut, kam aus der Betriebswirtschaft, war Finanzchef in einem grösseren Unternehmen. Es war Josef Vock, der ehemalige Bezirksamtmann von Baden sowie Vorstandsmitglied des Vereins Gnadenthal, der ihn überredet hat, sich zu bewerben. «Ich musste nicht lange überlegen, denn ich habe schnell gemerkt, dass man hier viel bewegen kann», schaut er zurück.

Unverbrauchter Blick

Und er hat viel bewegt. Vielleicht gerade darum, weil er aus einer völlig anderen Branche kam und damit einen unverbrauchten Blickwinkel hatte. Aber auch, weil er stets Neues gewagt hat. Sich nicht scheute, alte Zöpfe abzuschneiden. Und vor allem hat er erkannt, was sich aus diesem Ort machen lässt. «Früher dachte ich immer: Was für eine abgeschiedene und verlassene Gegend. Aber die Lage ist einmalig und bietet so viele Möglichkeiten. Das mussten wir doch nutzen», sagt er. Und die Pflegebedürftigen müssten nicht mitten im Zentrum leben. Sie können die Möglichkeiten dort nicht nutzen, die Ruhe und die Natur dafür umso mehr.

Zur grossen Leistung der Ära Peterhans gehörte der Entscheid, sich nicht länger verstecken zu wollen, sondern zu zeigen, was man macht. «Wir waren vermutlich das erste Pflegeheim im Kanton, das eine Kommunikationsstelle geschaffen hat», lacht er. Doch braucht jemand, der in der Langzeitpflege tätig ist, diese Publicity überhaupt? «Ja», sagt Peterhans mit Überzeugung. «Wir befinden uns in einem Konkurrenzkampf.» Und der wird zunehmen. Der Aargau hat jetzt schon rund 300 Pflegebetten zu viel, und das Problem wird sich verschärfen, denn heute bleiben die Menschen länger zu Hause. Was Peterhans für den absolut richtigen Weg hält.

Aber umso wichtiger ist für den scheidenden Direktor, dass der Reusspark sich frühzeitig spezialisiert hat. Zum Beispiel mit der Demenzabteilung samt dem grössten geschützten Spaziergarten der Schweiz, der Palliativ-Pflege oder vor wenigen Jahren der Gerontopsychiatrie, also der Pflege älterer Menschen mit psychischen Erkrankungen. «Sie haben es schwer – im Gegensatz zu physisch Kranken sieht man einem depressiven Menschen seine Krankheit nicht an. Da heisst es schnell: ‹Du musst dir nur Mühe geben und positiv denken›», sagt Peterhans.

130 Millionen Franken investiert

Nicht stehen bleiben, das war immer sein Motto. In seinen 25 Jahren als Direktor hat sich die alte Pflegeinstitution im Gnadenthal gewandelt in ein höchst modernes Unternehmen. Zu einem «bunten Lebensraum», zu einem «Ort der Achtsamkeit» und zu einem «Dienstleister, der Generationen verbindet», wie Peterhans selber den Reusspark beschreibt. Parallel dazu ist es gelungen, historische und moderne Gebäude gut zu kombinieren, sie immer wieder auf den neusten Stand zu bringen. Das hat seinen Preis, rund 130 Millionen Franken wurden in den vergangenen 28 Jahren investiert. Vielleicht wäre es fast einfacher gewesen, einfach alles neu zu bauen und damit den Betrieb zu optimieren, aber: Diese Gebäude und ihre Geschichte sind wichtig. Sie machen vieles möglich und ziehen Menschen an, die sonst nie einen Fuss in ein Geriatriezentrum setzen würden.

Dieses Gespür, was dem Reusspark nützt, hat der Direktor immer wieder bewiesen. So etwa, als die Schliessung des eigenen Hallenbads diskutiert wurde. «Hierher kommen viele Mütter mit ihren kleinen Kindern. Das ist doch ideal, um Hemmschwellen abzubauen», so sein Argument für die Beibehaltung. Auch das umfangreiche Kulturprogramm gehört längst zum Reusspark-Alltag. Das Restaurant, das Peterhans von seinem Mauerblümchen-Dasein erlöste. Dazu die einzigartige Lage direkt in der Natur und an der Reuss. Einziges Manko: die schlechten ÖV-Verbindungen. «Das ärgert und beschäftigt uns, aber das können wir leider nicht ändern», sagt der scheidende Direktor.

Ganz viele Auszeichnungen erhalten

Bekannt ist der Reusspark auch für seinen vorbildlichen Umgang mit den Mitarbeitern. Davon zeugen verschiedene Labels und Auszeichnungen, etwa zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Oder aktuell in diesem Jahr die Auszeichnungen «Great Place to Work» als hervorragender Arbeitsort respektive «Great Start» als vorbildlicher Ausbildungsort. «Dass wir gleich beide Auszeichnungen bekommen haben, freut mich besonders, das hat in unserem Bereich noch niemand geschafft», sagt der Direktor. Er ist stolz auf sein Team. «Ich kann nur die Richtung vorgeben. Gelebt werden muss diese Kultur dann im Betrieb selber», sagt er.

Und wie sieht er seine Rolle als Chef? «Ich glaube, ich bin ein sehr fordernder, aber auch ein fairer Chef. Mit mir kann man reden, meine Tür steht für alle offen», sagt er von sich. Trotz der grossen Zahl an Mitarbeitenden kennt er viele mit Namen, wenn auch längst nicht alle, wie er zugeben muss. Gerne hätte er mit ihnen ein grosses Fest zu seinem Abschied gemacht – es soll nicht sein. «Das hole ich im Sommer nach», verspricht er. Denn eine Gelegenheit zum Feiern lässt sich Peterhans nur ungern entgehen.

Nein zum Golfplatz ärgert ihn

Überhaupt, die Verbindung wird nicht völlig verloren gehen. «Aber ich werde wohl erst mal etwas Distanz schaffen.» Thomas Peterhans kann sich jedoch gut vorstellen, sich später wieder im Reusspark zu engagieren, etwa als freiwilliger Helfer. «Ohne diese kann eine solche Institution nicht funktionieren», weiss er. Er wird auch in Zukunft immer wieder mal in «seinem» Reusspark vorbeischauen. «In diesen Mauern ist ein spezieller Geist zu Hause», sagt er. Ein Geist, der das Älterwerden und auch den Tod erträglicher mache. Denn eines hat Peterhans in all den Jahren gelernt: Das Sterben gehört zum Leben. «Und manchmal ist es gar eine Erlösung», hat er erfahren.

Angst vor dem Älterwerden hat er denn auch nicht, obwohl er täglich miterlebt hat, wie die Kräfte nachlassen können bei den Menschen. Er selber fühlt sich fit, bleibt aktiv. Und noch bleiben wenige Wochen, um seine Arbeit abzuschliessen. Vieles ist ihm gelungen. Nur eine Idee konnte er nicht verwirklichen. Dass im Reusspark kein Golfplatz gebaut wird, das bedauert er. «Ich hätte es der Institution, aber auch der ganzen Region gegönnt», sagt er. Doch hadern mag er nicht. Er freut sich auf die neue Lebensphase. Will seine Sprachen auffrischen, vermehrt mit seiner Partnerin reisen. Und er wird mit Interesse die weitere Entwicklung der Institution verfolgen. «Ja, der Reusspark ist mir ans Herz gewachsen», gibt er zu. Aber jetzt sei es Zeit, loszulassen. «Eine neue Direktorin ist auch immer eine neue Chance», weiss er. Und freut sich, dass er die Verantwortung bald weitergeben kann.


«In vielen Bereichen ein Pionier»

Das sagen Wegbegleiter über Thomas Peterhans

«Wir sind ihm zu grossen Dank verpflichtet», erklärt Bettina Ochsner, die Präsidentin des Vereins Gnadenthal. Sie spricht von einem «Lebenswerk», welches Thomas Peterhans seiner Nachfolgerin überlasse. «Er kam als Quereinsteiger in einer schwierigen Zeit, vor allem finanziell. Und er hat viel bewirkt», erinnert sie. Und ist überzeugt, dass Alexandra Heilbronner-Haas als neue Direktorin ähnlich erfolgreich arbeiten wird.

Ochsner schätzt insbesondere seine positive und optimistische Art und seinen Kommunikationsstil. Er ging offen auf Mitarbeitende, Bewohner und Angehörige zu, fand stets den richtigen Umgang, seine Frohnatur war ansteckend. «Er war in vielen Bereichen ein Pionier. Natürlich hat er das alles nicht alleine geschafft, hatte stets die nötige Unterstützung. Aber er hat eben vieles vorangetrieben», sagt Ochsner.

Durch seine enorme Erfahrung, sein Wissen und seine gute Vernetzung auf allen Ebenen habe er dem Vorstand viel Arbeit abgenommen. «Wir konnten uns auf ihn verlassen. Das heisst nicht, dass es manchmal nicht auch lange Diskussionen gab», schaut sie zurück. Der Vorstand gönne ihm den neuen Lebensabschnitt mit etwas mehr Ruhe. «Er kann stolz sein auf das, was er geleistet hat», sagt die Präsidentin.

Mit Weitblick geführt

Und, so Bettina Ochsner, er habe nicht nur im Reusspark Spuren hinterlassen, sondern auch in regionalen, kantonalen und gar nationalen Gremien mitgewirkt. So war er etwa Spartenpräsident Pflegeinstitutionen im vaka, der Verband der Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen im Kanton Aargau. «Er hat mit Weitblick geführt», stellt sein Nachfolger Andre Rotzetter fest. So sind etwa die Pflegeheime im Spitalverband vaka integriert worden. «Mit diesem mutigen Schritt haben die Pflegeheime im Gesundheitswesen das notwendige Gewicht erhalten», sagt Rotzetter. Und: «Wir haben oft gelacht, denn neben den Geschäften waren Humor und Geselligkeit Thomas wichtig.»

«Sein Grüezi hat Kultstatus»

Während rund acht Jahren durfte Tobias Breitschmid, Leiter Finanzen und Peterhans’ Stellvertreter, ihn als Vorgesetzten sowie als Arbeitskollegen und Wegbegleiter kennen und schätzen lernen. «Thomas Peterhans ist ein Machertyp, der sich mit vollem Herzblut dem Reusspark verschrieben hat. Er ist ein Reusspärkler mit Leib und Seele», sagt er. Die Wertschätzung gegenüber Menschen sei spürbar. Peterhans’ Motto beinhaltete die «4 M»: Man muss Menschen mögen. Und dies habe er tagtäglich vorgelebt. «Das Grüezi im Reusspark hat Kultstatus. Er grüsste jede und jeden im Reusspark, ging auf die Menschen zu und nahm sich die Zeit, ihnen zuzuhören. Er interessierte sich für ihre Anliegen und nahm Kritik immer als Chance wahr.»

Die Zusammenarbeit mit Thomas Peterhans sei stets auf Augenhöhe und mit grösstem Respekt erfolgt. «Ich habe seine unkomplizierte und pragmatische Arbeitsweise sowie seine verständliche und offene Kommunikation sehr geschätzt. Ich wusste immer, woran ich bei ihm war», sagt Breitschmid. Peterhans konnte Menschen von einer Sache überzeugen, begeistern und motivieren. «Ich werde seinen Humor, sein offenes Lachen auf dem Korridor und die wertvollen Gespräche vermissen. Ich danke ihm für die unvergessliche und einzigartige Zeit», sagt Breitschmid zum Schluss. --chh


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