Buslinie würde Bahnhof gefährden
24.06.2025 Region Oberfreiamt, MühlauGut besuchte Infoveranstaltung der Gemeinde Mühlau zur ÖV-Situation im Dorf
Eine Interpellation hatte im letzten Oktober den Anschluss der Gemeinde ans Busnetz gefordert – die Abklärungen des Gemeinderates mit dem Kanton wurden der Bevölkerung ...
Gut besuchte Infoveranstaltung der Gemeinde Mühlau zur ÖV-Situation im Dorf
Eine Interpellation hatte im letzten Oktober den Anschluss der Gemeinde ans Busnetz gefordert – die Abklärungen des Gemeinderates mit dem Kanton wurden der Bevölkerung nun vorgestellt.
Patrick Fischer
Gut 100 Personen fanden trotz schönstem Sommerwetter den Weg in die Mehrzweckhalle, um aus erster Hand zu erfahren, wie es mit der Umsetzung des geforderten Busanschlusses weitergehen soll. Für jene, die dem Anliegen positiv gegenüberstehen, dürfte der Abend enttäuschend verlaufen sein, denn die Antwort des Gemeinderates auf die Interpellation wird wohl negativ ausfallen. Zu gross sind die Kosten für einen dreijährigen Versuchsbetrieb (rund 500 000 Franken pro Jahr) und die notwendige Infrastruktur, zumal sie allein von der Gemeinde getragen werden müssten. Als noch grösseres Risiko aber stellte sich im Verlauf des Abends der mögliche Verlust des Bahnhofs heraus, wie Conrad Naef, Projektleiter in der Abteilung Verkehr des BVU, erläuterte.
Keine Lösung für bestehende Probleme
In einer informativen Präsentation zeigte Naef auf, wie sich die Nutzerzahlen am Bahnhof Mühlau über die letzten Jahre entwickelt haben. Aktuell benützen ungefähr 110 Personen täglich den Zug in Mühlau, etwa hälftig in beide Richtungen. Dies entspricht im Durchschnitt je zwei Ein- und Aussteigern pro Zug. Aufgrund dieser Daten geht der Kanton davon aus, dass sich die ÖV-Nutzung auch bei Einführung einer Buslinie nur unwesentlich verändern würde und die beiden Verkehrsmittel eher als Konkurrenten zu sehen wären. «Zudem dauert es erfahrungsgemäss etwa fünf bis sieben Jahre vom Entscheid für eine Buslinie, bis diese auch betriebsbereit ist», sagt Naef und bringt den Saal damit zum Lachen. Damit sei sie eben keine Lösung für bestehende Probleme, welche unter anderem auch zur Interpellation geführt hatten.
«Mühlau hat keinen ÖV für alle», war eines der Voten aus dem Publikum. Gemeint ist damit die Zugänglichkeit des Bahnhofs, der nicht nur relativ weit oben im Dorf gelegen, sondern auch nur über eine lange Treppe zugänglich ist, die nicht nur für Menschen im Rollstuhl ein kaum überwindbares Hindernis darstellt. Auch ältere Mitmenschen, Personen mit Kinderwagen oder solche mit einem schweren Koffer schaffen es heute nicht ohne Hilfe aufs Perron. Eigentlich ein unhaltbarer Zustand, der von den SBB aufgrund des Gleichstellungsgesetzes bereits bis Ende 2023 hätte behoben werden müssen. Stattdessen bietet die Bahn einen Shuttledienst für jene an, die gehbehindert sind und nicht selbstständig aufs Perron kommen – eine Lösung, welche die Mühlauer aber nicht zu überzeugen vermag, weil sie umständlich ist und nicht für alle Betroffenen gilt.
Behindertengerechter Ausbau des Bahnhofs vorerst sistiert
Der ressortverantwortliche Gemeinderat Peter Suter, der durch den Abend und die anschliessende Diskussion führte, hatte noch eine weitere schlechte Nachricht zu überbringen: «Wie wir vor Kurzem erfahren haben, ist der für 2025 geplante Bahnhofausbau mit Rampe von den SBB auf unbestimmte Zeit verschoben worden», erklärt er der verdutzten Versammlung. Sowohl Reto Widmer vom Regionalplanungsverband (Repla) Oberes Freiamt als auch der Mühlauer Grossrat Ralf Bucher zeigen sich darüber ebenfalls erstaunt, betonten in ihren Voten aber, dass sie zwar Verständnis für das Anliegen der Interpellation hätten, jedoch wohl nur das eine oder das andere drinliege. «Mühlau ist zu klein für Bahn und Bus», meint etwa Mitte-Grossrat Bucher aus der Optik des kantonalen Politikers, der die Mechanismen im ÖV bestens kennt. Und auch aus der Nachbargemeinde kamen mahnende Worte, man solle das Fuder nicht überladen: «Auch der Sinser Bahnhof ist bis heute nicht behindertengerecht ausgebaut, und von unseren 26 Bushaltestellen ist bis heute eine einzige gesetzeskonform. Bei Kosten von etwa einer halben Million Franken pro Haltestelle – bei einem Gemeindeanteil von 35 Prozent – ist das aber nicht weiter verwunderlich», betonte der Sinser Gemeinderat Jakob Sidler mit einem Augenzwinkern.
Wie geht es jetzt weiter?
Am Ende war sich eine grosse Mehrheit einig, dass man den Bahnhof im Dorf unbedingt bewahren will, und zwar mit behindertengerecht ausgebautem Zugang, sodass er für alle nutzbar ist. «Sonst nehmen am Schluss alle das Auto nach Muri, Affoltern oder Sins – und das kann es ja nicht sein», sagte Gemeindeammann Oliver Stöckli und versprach den Anwesenden zum Schluss, sich gemeinsam mit der Repla und dem Kanton bei den SBB dafür einzusetzen, dass der überfällige Ausbau möglichst bald kommt. «Sonst müssen wir halt selber Hand anlegen», meinte ein Bürger wohl nicht ganz ernst gemeint, nichtsdestotrotz erntete er Applaus dafür. Schliesslich müsse jeder Bürger mit Konsequenzen rechnen, wenn er sich nicht ans Gesetz halte. Nur für die SBB gelte dies offenbar nicht, meinten viele Anwesende, und grossen Widerspruch dazu gab es nicht.
Ob das bereits das letzte Wort zum Thema «Anbindung von Mühlau ans Busnetz» war, wird sich weisen. Gegen einen Entscheid des Gemeinderates könnte das Referendum ergriffen werden und im Erfolgsfall käme es im Dorf dann zu einer Abstimmung über die Einführung einer neuen Buslinie.