Da wackeln die Beine

  26.06.2020 Sport

«Unsere Regionalfussball-Helden»: Hanjo Weller, Ex-Trainer FC Wohlen und FC Bremgarten

Nur etwas ist grösser als seine Klappe: Sein Fussballwissen. Hanjo Weller hat im Freiamt Spuren hinterlassen. Der 73-Jährige hat seine besondere Art bis heute behalten. Auch wenn er mit dem Fussball nicht mehr viel am Hut hat. «Ich konnte die Dinger nicht mehr ins Kreuz klopfen. Da habe ich aufgehört als Trainer.»

Stefan Sprenger

«Das wars dann», sagt Hans Joachim Weller, kurz Hanjo. Vor vier Jahren endet seine lange Fussballkarriere. Da war er gerade Assistent beim FC Amriswil, hatte ein Amt beim Thurgauer Fussballverband inne. Eines Tages merkt er, dass es Zeit ist, aufzuhören. Hanjo Weller ist ein Trainer, der es den Spielern immer vorzeigen will, wie man es richtig macht. «Früher habe ich die Dinger ins Kreuz geklopft. Der Beobachter machte dann staunend den Mund auf, oder auch zu. Je nachdem. Doch irgendwann mit fast 70 Jahren konnte ich den Ball nicht mehr reinhauen. Die Beine wackelten. Und ich hörte auf», erzählt der 73-Jährige.

Die letzte Zigarette nach dem letzten Profspiel

Er blickt zurück auf eine sagenhafte Karriere. 15 Jahre lang ist er Prof in der Bundesliga. Er spielt bei Hannover, 1860 München und Stuttgart. In der Schweizer NLA kickt er für Neuchâtel Xamax und den FC Zürich. Mit dem FCZ schafft es der Mittelfeldspieler bis ins Halbfnal des Europapokals der Landesmeister.

Der gebürtige Kieler wird in der Saison 1980/81 ins Freiamt gelotst. Als Spielertrainer rettet er den FC Bremgarten vor dem Abstieg in die 3. Liga und führte dann die Bärenmatt-Truppe bis in die 1. Liga. «Und haben dort gut mitgespielt.» Es sind die Glanzzeiten des FC Bremgarten. «Willige Typen, coole Jungs» sind sie gewesen. Er habe damals schon – vor fast 40 Jahren – den modernen Fussball von heute praktiziert. «Vorne pressen, attackieren, die Kugel holen. So musste man nicht weite Strecken laufen», erklärt er. Weller selber mutiert in Bremgarten vom Prof zum Amateur. «Damit musste ich auch erst mal umgehen», meint er heute.

Weller predigt den Verzicht und die Enthaltsamkeit als Grundlage für eine starke Fussballkarriere. Ratschläge, die er als Spieler nicht wirklich einhielt. Er gilt als Frohnatur, als Lebemann, der bei den Frauen gut ankam und auch lange Partynächte nicht scheut. Und: Er war rauchender Proffussballer. Mit diesem Laster hört er nach seinem letzten Spiel als Prof auf.

In seiner Trainerkarriere erlebte er mindestens so viel wie als Spieler. In Amriswil, Rorschach, Zürich, Winterthur, Vaduz und den Grasshoppers – als Assistent, Haupttrainer oder als Nachwuchscoach. «Als Trainer bist du immer das schwächste Glied», sagt er. Seine grösste Freude als Trainer: junge Spieler auszubilden. «Die jammern nicht rum, sind dankbar und wollen etwas erreichen. Die starten nicht irgendwelche Intrigen und so einen Mist wie die Erwachsenen», sagt Weller.

Für 8000 Franken zum FC Baden

Zwischen 1992 und 1995 kehrt Weller ins Freiamt zurück. Er wird beim FC Wohlen als Trainer engagiert. Seine Verpfichtung ist die letzte Amtshandlung des damaligen FC-Wohlen-Präsident René Meier. In den ersten zwei Saisons schafft es der FC Wohlen unspektakulär in der 2. Liga auf den 3. und 4. Rang. In der Spielzeit 1994/95 läuft der FCW-Motor mit Trainer Weller auf Hochtouren. «Der FC Wohlen war damals schon professionell in seinem Denken. Da hatte es grandiose Spieler dabei. Die Atmosphäre im Verein war beeindruckend stark. Ich habe dann das 4:3:2:1-Tannenbaum-System installiert. Das hat hervorragend geklappt.» Der FC Wohlen dominiert. Und Weller wird vom FC Baden geködert. Der FC Wohlen kassierte 8000 Franken Abfindung und lässt Weller ziehen. Wohlen wird Meister und holt den Aargauer Cupsieg – ohne, aber dank Weller.

«Ich weiss ja, wie Thomas spielt»

Das Kapitel FC Wohlen fndet 2011 eine Fortsetzung. Hanjo Wellers Sohn Thomas spielt zwei Jahre lang in den Niedermatten. Nur wenige Spiele schaut sich der Vater an. «Das war mir zu weit zum Fahren. Ich weiss ja, wie Thomas spielt», sagt er lachend. «Thomas ist ein guter Spieler. Er hat aber nicht das Durchsetzungsvermögen vom Vater geerbt.» Thomas Weller spielt übrigens heute noch beim FC Uster aktiv. Und das mit 39 Jahren. «Das hat er allerdings von mir geerbt. Ich habe auch erst im hohen Fussballalter aufgehört.»

Eiskugel «reinjagen»

Ansonsten hat er keinen Kontakt mehr ins Freiamt. Weder zum FC Bremgarten noch zum FC Wohlen. Lachend sagt er: «Die sind vielleicht froh, müssen sie mich nicht mehr sehen. Ich habe immer viel von den Spielern verlangt, das kam nicht immer gut an.» Er war ein sympathischer Typ, ein Fussballkenner, aber auch einer, der unverblümt sagte, was Sache ist. Da wackelten auch einigen Spielern die Beine, wenn er sie zurecht wies. Denn: Er war der Chef. Ohne Diskussionen.

Das könnte er auch heute noch, wenn es sein müsste. Was ist denn, wenn der FC Wohlen anklopfen würde und ihm den Trainerposten anbietet? Es folgt ein langes und lautes Lachen. «Der Reiz ist immer da. Aber da muss man vernünftig sein. Das sollen jüngere Trainer richten.» Er spricht dem FC Wohlen ein Lob aus, für die 16 Jahre Challenge League. «Dieser kleine und ländliche Verein hat sich tapfer geschlagen. Toll. Wollen sie eigentlich wieder aufsteigen?», fragt er.

Heute ist er 73 Jahre alt, lebt mit Frau Sylvie und Sohn Thomas in Salmsach, eine kleine Gemeinde neben Romanshorn. «Ich bin jetzt Rentner und mache nur noch, was mir passt.» Er geht Fahrrad fahren, schaut begeistert die Spiele des FC St. Gallen – oder geht in seine Lieblingseisdiele in Konstanz. «Dort gehe ich mir dann eine Eiskugel reinjagen.» Ausser einem «Herz-Stent» ist er gesund und ft. In der Coronazeit ist er viel zu Hause gewesen. «Hände waschen und Distanz halten, das sind die Dinge, die jetzt wichtig sind», ist er sich sicher. Trotz Pensionierung ist er viel unterwegs. Die Liebe zum Fussball wird auf ewig bleiben. «Möglichst lange gesund sein» ist sein grösster Wunsch. Und was möchte er noch erreichen im Leben? Wieder lacht er. Und wieder kommt so ein typischer Weller-Spruch: «Irgendwann steht er hinter der Tür und fährt seine Kraken aus. Dann ist Ende im Kalender. Das wars dann.» Solange er lebt, werden aber seine unverblümt-tollen Sprüche bleiben.


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