Das «Bremgarten-Kartell» ist hundertjährig

  24.07.2020 Bremgarten

Die Korporation farbentragender Studentenverbindungen feiert ihren Kartelltag

Dass Bremgarten ein Fixpunkt für studentische «Ausmärsche» wurde, ist einer akribischen und wissenschaftlich wertvollen Arbeit zu verdanken. Das «Bremgarten-Kartell» suchte mit dem Reisszeug-Zirkel auf der Landkarte einen Zentralpunkt zwischen Bern und St. Gallen: die Halbkreise trafen sich in «unserem» Bremgarten.

Das Bremgarten-Kartell ist ein Korporationsverband farbentragender und nichtschlagender (heisst: keine Fechtduelle durchführender) Schweizer Studentenverbindungen an Fachhochschulen. Der Verband ist politisch und konfessionell neutral und hat Mitgliedsverbindungen in der ganzen Schweiz. In diesem Netzwerk geht es um die Förderung der Freundschaft unter den einzelnen Verbindungen sowie die Pflege und Erhaltung des studentischen Brauchtums der Schweiz. «Man soll seine Traditionen leben», fasst Vorortspräsident Urban Werner (Cerevis «Solar») zusammen. Dass solches studentisches Leben einhergeht mit farbenprächtigen Zeremonien, Fahnen, Gesang, Riten und fröhlicher Geselligkeit, versteht sich von selbst. «Gaudeamus igitur, juvenes dum sumus!»

1921 fand der erste Kartelltag statt

1920 beschlossen die Verbindungen Commercia San Gallensis, Merkuria Bernensis und Commercia Schaffhausen bei einem Treffen in Stein am Rhein die Gründung eines Kartells. Nach der beschriebenen «Zirkelübung» auf der Landkarte wurde die schöne Stadt an der Reuss zum Kartellort bestimmt, hier hat das Kartell seinen Sitz und es bewahrt an einem sicheren Ort hier auch seine Fahne auf. Die Gründung des Bremgarter Kartells erfolgte im Jahr 1921, als in Bremgarten der erste Kartelltag stattfand. 1922 wurde hinter dem Casino eine von der Stadt Bremgarten gestiftete Linde zu Ehren des Bremgarten-Kartells gepflanzt.

Eng mit Bremgarten verbunden

Am 6. Dezember 1931 bestimmte der Chargierten-Convent die Farben Weiss-Rot als Kartellfarben (entsprechend dem Bremgarter Wappen) und kreierte einen eigenen Zirkel. 1934 wurde im Hotel Sonne in Bremgarten eine Bremgarten-Kartell-Stube eingeweiht, die noch heute existiert. Ab 1940 entfielen die Kartelltage bis 1946 wegen des Zweiten Weltkriegs. Am Kartelltag 1952 marschierte Albert Scherrer mit dem von ihm gestifteten Kartellbanner vom Mutschellen nach Bremgarten und wurde dort feierlich empfangen. Verbunden mit der 750-Jahr-Feier der Stadt Bremgarten präsentierten sich die Chargierten im roten Vollwichs und mit dem neuen weiss-roten Rapier.

Zur 50-Jahr-Feier wurde 1971 beim Casino eine neue Linde gepflanzt, da die erste dem Wetter nicht standgehalten hatte, diese steht noch heute. Am 60-Jahr-Jubiläum 1981 war Hans O. Staub als Festredner eingeladen. Die Stadt Bremgarten stiftete ein eigens geschmiedetes Kartellwappen, das noch heute im alten Zeughaus hängt.

Legendäre Kartelltage erlebt

Seit 1921 haben alle Kartelltage im schmucken Reussstädtchen stattgefunden, mit einer Ausnahme: Der letzte Kartelltag fand vor wenigen Wochen am Gründungsort von 1920 Stein am Rhein und auf dem Munot in Schaffhausen statt. Und diese «Ausmärsche», jeweils am ersten Juli-Wochenende, hatten es in sich, liefen indes nach bewährtem Muster ab. Die Farbentragenden trafen sich am Samstag im «drei Affen» für die Festkartenausgabe und zum Apéro. Die Kartellfahne übergab in feierlichem Akt vor dem Rathaus der jeweilige Stadtammann. Dem folgte der stolze Cortège mit Fahnen und im «Chlaus», auch Vollwichs genannt, und im Zeughaussaal wurde der «Convent» durchgeführt. Das Nachtessen erfolgte in den zugewiesenen Lokalen, denn jede Gründerverbindung hatte in Bremgarten ihr Stammlokal, die gründende Commercia Schaffhausen etwa im «Drei Könige», volkstümlich als «Drüü Affe» genannt, wo an den Wänden noch heute die Wappenschildchen mit den «Cerevis», den Übernamen der Farbentragenden, an den Decken hängen. Danach erfolgte ein Fackelzug hinunter über die Holzbrücke hinaus aufs «Studentenmätteli» hinter dem Casino, wo eine Ehrung der verstorbenen Brüder und Altherren erfolgte. Dem folgte das «Mitternachtsmahl»: Mehlsuppe und Gemütlichkeit. Dass oft bis zum Morgengrauen im Städtchen Studentenlieder gesungen wurden, ist ja klar und gut so.

Der Sonntag begann mit dem «Frühschoppen» und vor allem mit der «Produktionsmeisterschaft». Die Gruppen führten Sketches und Witzeparcours und veritable Theater auf, die prämiert wurden, und liessen es auch mal wacker krachen: Einer machte die Bierflaschen mit der Motorsäge auf und im «Bahnhof West» wurde auch schon mal eine Kuh gemolken. Abgeschlossen wird jeweils mit einem «Wehmutsschmerz», weil man sich halt erst in einem Jahr wieder trifft.

Wenn alles klappt, wird der 100. Kartelltag 2021 Anfang Juli wieder in Bremgarten stattfinden. Es wäre der Stadt eine Ehre. --rts


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