Das Ei wird knapp
04.04.2025 Region UnterfreiamtBald ist Ostern und die Schweizer Eier werden rar – Magnus und Andreas Döbeli erklären, wieso das so ist
Magnus Döbeli ist seit Jahren ein Experte, wenn es um das Ei geht. Der Vizeammann von Sarmenstorf ist Geschäftsführer der Animalco AG, ...
Bald ist Ostern und die Schweizer Eier werden rar – Magnus und Andreas Döbeli erklären, wieso das so ist
Magnus Döbeli ist seit Jahren ein Experte, wenn es um das Ei geht. Der Vizeammann von Sarmenstorf ist Geschäftsführer der Animalco AG, einer der führenden Brütereien der Schweiz. Dort arbeitet auch sein Sohn Andreas Döbeli. Die beiden erklären ihren Betrieb und wieso gerade ein Engpass bei den Eiern besteht.
Stefan Sprenger
«Er sägt jetzt schon an meinem Stuhl», sagt Magnus Döbeli (58) und blickt verschmitzt zu seinem Sohn Andreas (27). Beide sitzen an einem riesigen Tisch im Konferenzraum der Firma Animalco AG in Schongau (Luzern), ein Brüterei-Betrieb. Vater Magnus ist der Geschäftsleiter, Sohn Andreas der Leiter des Qualitätsmanagements und für die Betreuung der Elterntiere zuständig. Andreas hat zudem den elterlichen Hof in Sarmenstorf übernommen und ist auch sportlich in die Fussstapfen des Vaters getreten.
70 000 Legeküken pro Woche werden ausgebrütet
Vater Magnus war vor 30 Jahren ein guter Schwinger, holte 15 Kränze und legte später eine starke Funktionärskarriere hin. Er wurde 2023 – als erster Freiämter überhaupt – zum Ehrenmitglied des Eidgenössischen Schwingverbandes ernannt. Seine Söhne Lukas und Andreas sind Eidgenossen. Und nun tritt Letzterer auch beruflich in die Fussstapfen des Vaters. Dass er am Stuhl sägt, ist aber nur ein humorvoller Spruch des Vaters. Die beiden sind ein eingespieltes Team.
Im letzten Dezember zügelte die Animalco AG von Staufen hierher an ihren neuen Firmensitz. «Und er ist hochmodern», wie Magnus Döbeli – der auch Vizeammann von Sarmenstorf ist – erklärt. Die Kapazität ist deutlich höher als zuvor: Rund 70 000 Legeküken können pro Woche ausgebrütet werden. Die konventionelle Brüterei der Animalco und die Bio-Brüterei Lindenberg (Tochterfirma) sind unter einem Dach (auf der eine Photovoltaikanlage steht) vereint. Erwähnenswert: Ein einzigartiges Konzept zur Wärmerückgewinnung speichert die Abwärme aller Produktionsräume in einem 300 m3 fassenden Wassertank.
Kein Kükentöten dank High-Tech
Die Animalco AG und die Bio-Brüterei Lindenberg sind für 50 Prozent der Schweizer Eier in den Regalen von Grossverteilern wie Migros, Coop oder Volg verantwortlich.
Der Brutprozess ist eine Wissenschaft mit vielen Details, die für einen Laien kaum verständlich sind. Ein paar Beispiele. Das «Single-Stage-Verfahren» ist ein Highlight der neuen Anlage. Eine innovative Brütereitechnik, die es ermöglicht, alle Eier in einem Vorbrüter im gleichen Entwicklungsstadium zu halten. Zudem wird «Pre-Hatch» angewandt, das eine kurze Anbrütung während der Lagerung möglich macht.
Etwas, worauf die Firma besonders stolz ist, nennt sich «Genus Focus», eine Anlage zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Mithilfe der Magnetresonanztomographie kann das Geschlecht des Hühnerembryos bestimmt werden. «Eine Riesensache», wie Andreas Döbeli sagt. So werden männliche Küken bereits vor dem Schlüpfen aussortiert – und das umstrittene Kükentöten vermieden (seit Februar 2025 in der Schweiz verboten). «Das Tierwohl ist enorm wichtig. Und mit dieser High-Tech-Lösung sind wir sehr zufrieden», sagt Magnus Döbeli.
18 Wochen lang werden nach der Brut die Küken in Aufzuchtbetrieben in der ganzen Schweiz aufgezogen und wechseln dann vor der Legereife zu den Eierproduzenten.
150 000 Legehennen im Freiamt
«Das Freiamt ist ein Hotspot der Eier-Betriebe», sagt Magnus Döbeli. Schätzungsweise leben über 150 000 Legehennen im Freiamt. «Viele Milchbauern sind mittlerweile auf Hühner umgestiegen.» Über 3,5 Millionen Legehennen produzieren in der Schweiz über 1 Milliarde Eier pro Jahr. Wenn die Tiere nach 1,5 Jahren ausgedient haben, werden sie geschlachtet und beispielsweise zu Charcuterie-Produkten verarbeitet – und zu Chicken Nuggets.
Ein grosses Thema in diesen Tagen ist die Eier-Knappheit. Beispielsweise haben die US-Regierung und Präsident Donald Trump in Europa angefragt, ob man ihre Eier nicht in die USA exportieren könne. Hintergrund: Wegen der Vogelgrippe sind in den USA die Eierpreise um mehr als 150 Prozent gestiegen, das Ei wird dort immer rarer.
Auch hierzulande gibt es einen Engpass. Die Nachfrage nach Schweizer Eiern ist im Moment grösser als das Angebot. Natürlich spielen die Oster-Feiertage dabei eine Rolle. «An Ostern wird es zu wenig Eier haben», sagt Magnus Döbeli. Er kann sich noch erinnern, als vor sechs Jahren um die Osterzeit dasselbe Problem auftrat, allerdings nur beim Bio-Ei. «Es hatte plötzlich zu wenig.»
Schweizer isst 198 Eier, Mexikaner 392
Der Trend wird in Zukunft wohl anhalten. 2024 ist die Nachfrage nach Eiern um zehn Prozent gestiegen, bei den frischen Schweizer Eiern aus Freilandhaltung war es sogar noch mehr. Die weltweiten Zahlen bestätigen das. In jeder Sekunde werden 34 880 Eier gegessen. Im Jahr 2024 wurden in der Schweiz durchschnittlich 198 Eier (inklusive Eiprodukte) pro Kopf konsumiert. In Deutschland sind es gar rund 240. Spitzenreiter ist Mexiko mit 392 Eiern pro Kopf und Jahr. Wieso steigt die Nachfrage stetig? Dafür gebe es viele Gründe, wie Magnus Döbeli erklärt. «Rührei, Spiegelei, Omelette. Mit einem Ei kann ich alleine diese drei tollen Gerichte kochen.»
Ei hat «keine Religion, ist gesund und schon verpackt»
Zudem hängt es auch mit der Kaufkraft zusammen, weshalb ärmere Länder einen meist grösseren Verbrauch aufweisen. Und: «Das Ei hat keine Religion.» Sprich: Es wird von allen Menschen gegessen. Magnus Döbeli schwärmt: «Das Ei ist supergesund, liefert tierische Eiweisse und Proteine. Es ist einfach ein Superprodukt. Und es ist schon verpackt.»
Die Nachfrage ist gross, das Angebot nicht. Wieso erhöht man die Produktion nicht? «Das ist nicht so einfach. Auf solche Engpässe zu reagieren, geht nicht so schnell. Das dauert rund 1,5 Jahre», sagt Magnus Döbeli. Mehr Eier bedeuten mehr Legehennen. Dafür müssten mehr Produzenten gefunden und mehr Ställe gebaut werden. «Das ist kurzfristig weder möglich noch sinnvoll», so Magnus Döbeli. «Zu viele Eier oder zu wenig Eier, das ist jeweils eine Gratwanderung», ergänzt Andreas Döbeli.
Nach Verkaufsspitzen wie Ostern sinkt der Bedarf jeweils wieder. «Und im Sommer wird es wohl wieder genügend Eier geben», so Magnus Döbeli. Sein Rat zur aktuellen Situation: «Keine Hamsterkäufe tätigen.» Denn auch wenn es momentan zu wenig Eier hat, so hat es dennoch für jeden Konsumenten eigentlich genug – sofern nicht Regale panisch leer gekauft werden.