Das Herzstück steht noch an
31.01.2023 MuriDie Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten bei der ARA Muri sind seit zwei Jahren im Gang
Es ist ein riesiges Projekt. Knapp zwölf Millionen Franken investiert die Gemeinde Muri in die ARA. Im Zentrum steht ein System, das neu Mikroverunreinigungen aus dem Wasser ...
Die Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten bei der ARA Muri sind seit zwei Jahren im Gang
Es ist ein riesiges Projekt. Knapp zwölf Millionen Franken investiert die Gemeinde Muri in die ARA. Im Zentrum steht ein System, das neu Mikroverunreinigungen aus dem Wasser filtert.
Annemarie Keusch
Mit Aktivkohle-Granulat Mikroverunreinigungen aus dem Wasser filtern. In der Schweiz gibt es noch kaum Abwasserreinigungsanlagen, die das können. In Muri wird aber genau das eingebaut, GAK ist die Abkürzung dafür. Im August soll mit dem Bau dieser Filtrationsanlage begonnen werden. «Das Baugesuch ist genehmigt. Momentan laufen noch letzte Abklärungen, dann folgt die Submission», sagt die zuständige Gemeinderätin Milly Stöckli. Rund eineinhalb Jahre wird es dauern, bis aus dem Wasser selbst kleinste Mikroverunreinigungen gefiltert werden können.
Der Einbau der GAK-Filtration ist der Abschluss einer umfassenden Renovation und Erweiterung der ARA Muri. Knapp zwölf Millionen Franken hiess der Souverän dafür gut. «Eines der grössten Projekte aktuell», erklärt Milly Stöckli. Ein neues Havariebecken, ein grösserer Gasspeicher und eine neue Schlammentwässerung sind bereits fertig gebaut. Noch diese Woche werden die Kunststoffkörper angeliefert, die in den Biologiebecken für eine höhere Leistung sorgen werden. Was in der ARA alles passiert, ist für Laien schwer nachvollziehbar. Und alles, währenddem der Betrieb läuft. «Es geht gut. Aber klar, es gibt Mehraufwand», sagt Klärwerkmeister Paul Strebel. Noch knapp zwei Jahre wird es dauern, bis das Projekt fertig ist. Und das, was noch ansteht, ist die GAK-Filtration. Diese ist laut Milly Stöckli das Herzstück der Anlage und das «grösste Ungewisse». Erfahrungen dazu gibt es nur wenige.
Damit es den Leuten nicht stinkt
Die Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten der ARA schreiten voran – das Herzstück fehlt noch
Es geht um Aktivkohle-Granulat, das Mikroverunreinigungen filtert. Oder um Kleinsttierchen, die dank neuen Kunststoff-Wirbelkörpern mehr Ammonium abbauen. Oder es geht darum, dass der Schlamm neu direkt vor Ort entwässert wird. Die Sanierung der ARA ist ein umfassendes, komplexes Projekt.
Annemarie Keusch
Es sind viele Baustellen in einer. Das Projekt der Sanierung und Erweiterung der ARA ist vielseitig. Da geht es beispielsweise darum, dass die bestehenden Becken alle klassisch saniert wurden. «Geleert, den Beton erneuert und auf Dichtheit geprüft», führt Paul Strebel, Klärwerkmeister, aus. Es geht aber auch um ein neues Havariebecken, das als Erstes in Angriff genommen wurde, als vor fast zwei Jahren die Bauarbeiten starteten. «Damit es als Vorklärbecken genutzt werden konnte, während das alte Becken saniert wurde», erklärt Strebel. Platz für 330 Kubikmeter Wasser bietet das neue Havariebecken, das dann gefüllt wird, wenn es besondere Vorkommnisse gibt, etwa wenn das Wasser vergiftet sein sollte.
Dass das neue Havariebecken anfänglich als Vorklärbecken gebraucht werden musste, ist ein kleines Beispiel für die Komplexität dieses Projekts. Die ARA während laufendem Betrieb zu sanieren, das fordert. «Schritt für Schritt vorzugehen, war unumgänglich», sagt Paul Strebel. Dass einzelne Becken mittels Pumpen umgangen werden mussten, war in den letzten knapp zwei Jahren die Normalität. «Das brachte einerseits Mehraufwand mit sich, aber viel mehr ins Gewicht fiel die Unsicherheit», erklärt Strebel. Wenn er morgens zur ARA kam, konnte er sich nicht sicher sein, ob die Pumpen nicht nachts abgestellt hatten und das geleerte und gereinigte Becken wieder voll war. «Zum Glück ist dies nur zweimal passiert. Einmal tagsüber, wo man schnell reagieren konnte, und einmal in den frühen Morgenstunden, sodass nicht schon viel Wasser einfloss.»
Gas länger speichern
Eine weitere Baustelle waren das Erneuern und Vergrössern des Gasspeichers. Dadurch erhofft man sich, den Energiebedarf künftig noch mehr durch dieses Gas abdecken zu können. «Jetzt können wir eineinhalb Tagesmengen speichern, vorher nicht mal eine ganze», erklärt Strebel. Mit dem in den Faultürmen entstandenen Abfallprodukt Gas wird mittels Verbrennungsmotoren Strom erzeugt. «Weil wir jetzt mehr davon speichern können, müssen wir allfällige Übermengen nicht mehr einfach verbrennen.»
Vorteile bringt auch die neue Schlammentwässerung mit sich. «Bisher wurden alle drei Wochen rund 300 Kubikmeter Schlamm nach Wohlen gefahren und dort entwässert. Dass wir das nun selber machen können, spart Transportwege und -kosten», sagt Strebel. Der entwässerte Schlamm kommt nachher in die Trocknerei und wird als Brennstoff in der Zementindustrie weiterverarbeitet.
Mehr Kleinstmitarbeiter in den Biologiebecken
Als vorausschauende Neuerung bezeichnet Clemens Schaffhauser, Strebels Stellvertreter und baldiger Nachfolger als Klärwerkmeister, das neue System in einem der vier Biologiebecken. In diesen bauen Mikrolebewesen Ammonium aus dem trüben Wasser ab. «Unsere Arbeiter», meint Paul Strebel schmunzelnd. Damit noch mehr von ihnen arbeiten können, wird eines der Biologiebecken mit Wirbelkörpern aus Kunststoff ausgestattet. «Dank ihrer grossen Oberflä- che hat es mehr Platz für die Tierchen», präzisiert Strebel. Morgen Mittwoch sollen diese Kunststoffwirbelkörper angeliefert werden. «Wir machen dies, weil mit dem Bevölkerungswachstum auch die Abwassermenge zunehmen wird. So sind wir gerüstet. Dass alle vier Becken damit ausgestattet würden, das braucht es aber nicht», erklärt Schaffhauser.
Zudem werden auch die Trink- und Brauchwasserleitungen erneuert und das Regenbecken mit einer zusätzlichen Tauchwand ausgestattet. Und ganz zum Schluss folgt die Gestaltung der Umgebung. Auch wenn viele der Arbeiten erledigt sind, fehlt das grosse Herzstück – die GAK-Anlage – noch. In dieser Anlage, die ab August gebaut werden soll, werden künftig Mikroverunreinigungen aus dem Wasser gefiltert. Im August soll mit dem Bau dieser angefangen werden. Gemeinderätin Milly Stöckli spricht von der «grössten Ungewissheit» im Projekt. Dies, weil die Aktivkohle-Granulate visionär sind. «Das Ingenieur-Büro, das uns begleitet, hat schon einige Anlagen in Deutschland realisiert, Beispiele in der Schweiz und entsprechende Erkenntnisse daraus gibt es aber noch kaum.»
Geld erhalten, statt einzahlen
Ein rund neun Meter hohes Gebäude wird dafür gebaut. «Das Wasser muss mindestens 20 Minuten durch das Aktivkohle-Granulat fliessen», weiss Klärwerkmeister Strebel. Es sei vergleichbar mit einem Kaffeefilter. «Und das ist das Neue. Bisher wurde Kohlepulver beigegeben und dieses war nachher verloren. Das Granulat ist wieder aktivierbar.» Dass dies überhaupt nötig ist, ist eine Vorgabe vonseiten des Bundes. «Weil die Bünz als Vorfluter zu klein ist, müssen wir seit einigen Jahren neun Franken pro Einwohner jährlich zahlen», weiss Milly Stöckli. Wenn die Anlage in Betrieb ist, bekommt die Gemeinde zwei Drittel der Kosten für die GAK-Filtration aus eben dieser Kasse ausbezahlt.
Paul Strebel weiss: «Bis 2040 müssen das alle Anlagen haben, deren Vorfluter zu klein sind und deren Wasser in die Nordsee fliesst.» Warum Muri jetzt schon aktiv wird? «Die Sanierung der ARA stand sowieso an. Also machen wir das gleich mit», erklärt Milly Stöckli. Knapp zwölf Millionen Franken kostet das Gesamtprojekt, gut ein Drittel davon macht die GAK-Filtration aus.
Leicht in Verzug wegen diversen Knackpunkten
Eine Fusion mit der ARA in Wohlen, eine Leitung in die Reuss – verschiedene Varianten standen anfangs zur Debatte. Muri hat sich für die Eigenständigkeit entschieden. Die Folge davon ist dieses Grossprojekt. Vor allem die Realisierung der GAK-Filtration. «Hierfür mussten wir einige Knackpunkte lösen, etwa die Belüftung oder die Gestaltung der Bauhülle», sagt Stöckli. Leicht in Verzug sei der Zeitplan deswegen. «Die ARA ist etwas vom Wichtigsten im Dorf. Wenn sie nicht funktioniert, dann stinkts den Murianern, sprichwörtlich.» Diesen Stellenwert will man mit einer speziell strukturierten Fassade der GAK-Filtration untermauern. «Es darf auch in der ARA visuell schön aussehen und nach aussen strahlen», findet Stöckli.