«Das ist nicht mehrheitsfähig»
17.11.2023 BremgartenErste Reaktionen der Ortsparteien auf die beabsichtigte Steuererhöhung
Vor der «Gmeind» in zwei Wochen zeichnet sich ab, dass es das Budget 2024 schwer haben dürfte. Lediglich eine von sechs Ortsparteien sagt zum jetzigen Zeitpunkt uneingeschränkt ...
Erste Reaktionen der Ortsparteien auf die beabsichtigte Steuererhöhung
Vor der «Gmeind» in zwei Wochen zeichnet sich ab, dass es das Budget 2024 schwer haben dürfte. Lediglich eine von sechs Ortsparteien sagt zum jetzigen Zeitpunkt uneingeschränkt Ja zum Vorschlag des Stadtrates mit einem neuen Steuerfuss von 100 Prozent.
Marco Huwyler
Am deutlichsten sagt es Die Mitte: «Wir haben beschlossen, einer Steuererhöhung um sechs Prozent nicht zuzustimmen.» Die Partei um Präsidentin Karin Koch Wick hat als einzige der traditionellen politischen Parteien Bremgartens ihre Mitgliederversammlung vor der «Gmeind» am 30. November bereits abgehalten. Die restlichen folgen in den nächsten Tagen. Doch nach einer ersten Umschau bei den Parteipräsidenten ist zu spüren: Es herrscht viel Skepsis rund um die markante Steuererhöhung.
SP wohl mit Zustimmung
Grundsätzlich befürwortend äussern sich die Sozialdemokraten in der Person von Stefan Dietrich. «Die Schlussfolgerungen des Stadtrates, wonach auf Einnahmenseite deutlicher Handlungsbedarf in Bremgarten besteht, sind richtig. Bedauerlicherweise haben wir eine Anpassung des Steuerfusses in Vergangenheit aufgeschoben oder blockiert», sagt er mit Verweis auf das SVP-Referendum von vor vier Jahren. «Jetzt stehen Investitionen an, die wir nicht länger hinausschieben dürfen. Gleichzeitig macht die Teuerung auch vor uns nicht halt und die Steuereinnahmen sinken.» Die SP unterstützt deshalb voraussichtlich das Budget 2024. Doch auch Stefan Dietrich sagt zum jetzigen Zeitpunkt erst «Ja, aber»: «Die Höhe der Steuererhöhung ist sicher noch zu diskutieren», findet der Ortspartei-Präsident.
SVP fordert Respekt vor Volksentscheid
Kategorischer ist der Standpunkt erwartungsgemäss bei der SVP: «Sollte an der Gemeindeversammlung das Budget mit dem vorgeschlagenen Steuerfuss bewilligt werden, betrachten wir ein mögliches Steuerreferendum als erneute Lösung», sagt Präsident Claudio Müller, obgleich die offizielle Parolenfassung bei der SVP noch aussteht. Die markante Mehrbelastung der Steuerzahler sei unangebracht. Zumal diese «lediglich aufgrund eines fragwürdigen Strategiepapiers» begründet werde, findet Müller mit Verweis auf den städtischen Investitionsplan. Seine Partei sei der Ansicht, dass im Stadtrat kein wirklicher Sparwille vorhanden sei. «Die stets betonten Sparmassnahmen und Streichungen im Budget empfinden wir als Scheinargumente und Kosmetik – nicht als wirklichen Sparwillen.» Das Steuerreferendum 2020 werde vom Stadtrat offenbar nicht ernst genommen.
FDP will konstruktiv bleiben
Differenzierter äussert man sich bei der Partei des Stadtammanns. Doch auch die FDP ist kritisch: «Wir haben immer gesagt, dass sich die Ausgaben den Einnahmen anpassen müssen und nicht umgekehrt», sagt Präsident Cyril Lilienfeld. Es sei daher an der Zeit, wirklich alle nicht gebundenen Ausgaben zu hinterfragen. Zwar hat man vonseiten der FDP mit einer Steuererhöhung über kurz oder lang gerechnet. «Dass es jetzt aber gleich sechs Prozent sind, kam überraschend.» Man müsse aufhören, den Staatsapparat weiter und weiter auszubauen. «Wenn Bremgarten wächst, muss sich dies positiv auf unsere Rechnung auswirken, nicht umgekehrt.» Wie sich die Partei zum Budget 24 konkret positioniert, entscheidet sich am 22. November. «Generell kann ich sagen, dass die FDP aber immer versucht, nicht einfach ‹Nein› zu sagen, sondern nach konstruktiven Kompromissen sucht.»
GLP sieht Aktivismus
Deutliche Kritik an der Regierung äussert die GLP um Sandro Schmid: «Die Steuererhöhung wurde immer wieder nach hinten geschoben, weil der Stadtrat keine pfannenfertigen Projekte präsentieren konnte.» Dass sie über kurz oder lang kommen würde, habe er erwartet, sagt Schmid. «Aber die Höhe hat bei mir für Kopfschütteln und Unverständnis gesorgt.» Zumal das erwartete Defizit eine Ausnahme in den letzten Jahren wäre. «Die Erhöhung um sechs Prozent ist purer Aktionismus und hat mit Weitsichtigkeit nichts am Hut», sagt der GLP-Co-Präsident. «Mit diesen will man nur die laufenden Kosten decken und keine Schulden generieren. Ich erwarte aber vom Stadtrat, dass er hinsteht und auch klare Kante zeigt, begründet und erklärt, weshalb es negativ werden kann.» Die jetzige Erhöhung basiere viel zu sehr auf vagen Annahmen – bzw. darauf, in welcher Höhe die Steuereinnahmen 2024 veranschlagt werden.
Mitte will Entscheid auf Faktenbasis
Ins gleiche Horn bläst Karin Koch Wick, welche die ablehnende Haltung ihrer Partei unter anderem ebenfalls damit begründet, dass sie die Erhöhung als vorschnelle Reaktion auf noch nicht einmal Eingetretenes betrachtet – zumal sich die Steuereinnahmen in den letzten Jahren immer wieder unvorhergesehen entwickelt hatten: «Gemäss Stadtrat gleicht die Festlegung dieses Betrags einem ‹Blick in die Glaskugel›.» Darauf dürfe eine Erhöhung aber nicht basieren. Denn es wäre somit genauso gut möglich, dass die Steuereinnahmen viel höher ausfallen, als der Stadtrat im Moment, gestützt auf provisorische 2023er-Zahlen, annimmt. «Das Jahr ist noch nicht zu Ende und erfahrungsgemäss werden gerade jetzt überproportional viele Steuerrechnungen beglichen. Bevor eine in der Höhe nie erwartete Steuerfusserhöhung beschlossen wird, sollten zumindest die definitiven Zahlen 2023 abgewartet werden», finden Koch Wick und ihre Partei. Wenn sich dann die Befürchtung erhärte, dass die Stadt ein hohes Minus einfährt, und sich zeige, dass es sich auch 2024 ähnlich entwickelt, könne man immer noch bzw. erneut reagieren. «Die Notwendigkeit der Erhöhung wäre dann klarer und nachvollziehbarer.»
«Läbigs Bremgarte» zeigt Verständnis
Für «Läbigs Bremgarte» dagegen ist der Kurs der Regierung der richtige Weg. «Angesichts der rückläufigen Steuereinnahmen und der ansteigenden gebundenen Kosten ist der vom Stadtrat formulierte Antrag klar nachvollziehbar und richtig», sagt Co-Präsident Matthias Kuoni. Vor allem auch, da bekanntlich hohe Investitionen anstehen. «Wenn wir diese weiterhin auf die lange Bank schieben, werden die Visionen für unsere Stadt zur Utopie.» Läbigs Bremgarte sei sich dagegen bewusst, dass über Steuern genau jener Lebensstandard finanziert und von allen getragen werde, der die Gemeinde zu einem so beliebten Wohnort mache. «Ein abwechslungsreiches kulturelles Angebot, funktionierende Dienste der öffentlichen Hand, eine intakte Infrastruktur, zahlreiche Vereine und Sportangebote – das alle kostet», sagt Kuoni. «Und wir unterstützen das Budget auch mit Blick auf die kommenden Jahre und dem Wunsch, unseren Kindern ein lebenswertes Städtli und keine Schulden zu hinterlassen.» Kuoni weist überdies darauf hin, dass ein entgegen der Prognosen positiver Rechnungsabschluss in den Fonds für die Bärenmatt f liessen würde – was wiederum hochwillkommen im Hinblick auf die Zukunft wäre.
Wie weiter?
Weil mit Läbigs Bremgarte und wohl auch der SP derzeit aber nur die linken Parteien diese Haltung vertreten, dürfte es der Budgetantrag des Stadtrates schwer haben. Spätestens im Hinblick auf ein allfälliges Referendum. Denn die Abstimmung 2020 wurde trotz deutlicherem Rückhalt und geringerer Steuererhöhung verloren. Darauf verweist die Mitte, die konstatiert: «Unseres Erachtens wäre ein Versammlungsbeschluss pro 100 Prozent Steuerfuss nicht mehrheitsfähig bei einer Volksabstimmung.»
Es ist davon auszugehen, dass sie nicht die einzige Partei bleibt, welche die vorgeschlagene Erhöhung offiziell ablehnt. Deshalb dürfte es das Budget 2024 schon an der Gemeindeversammlung schwer haben. Interessant zu sehen sein wird es, ob sich die Parteien, die (voraussichtlich) eine nicht kategorisch ablehnende Haltung einnehmen und sich allenfalls mit einer moderateren Steuererhöhung anfreunden könnten (Mitte, GLP, allenfalls FDP, allenfalls SP) auf einen gemeinsamen Antrag und einen Vorschlag für einen für alle beteiligten Parteien annehmbaren Steuerprozentsatz im Rahmen der «Gmeind» einigen könnten, um die Diskussionen zu kanalisieren. «Wenn sich eine mehrheitsfähige Kompromisslösung abzeichnen sollte, wären wir bereit, einen solchen Antrag zu stellen», kündigt Die Mitte zumindest schon einmal an.