Das Phänomen fliegt hoch
02.11.2022 SportDie Freiämter Handballerin Daphne Gautschi startet mit der Schweizer Nati an der EM
Erstmals in der Geschichte ist die Schweizer Frauen-Nati an einer Endrunde dabei. Mitten - drin ist die Murianerin Daphne Gautschi. «Wir gehen ins Ungewisse», sagt die ...
Die Freiämter Handballerin Daphne Gautschi startet mit der Schweizer Nati an der EM
Erstmals in der Geschichte ist die Schweizer Frauen-Nati an einer Endrunde dabei. Mitten - drin ist die Murianerin Daphne Gautschi. «Wir gehen ins Ungewisse», sagt die 22-Jährige.
Stefan Sprenger
Am Freitag ist es so weit. An der Handball-Europameisterschaft wird die Schweiz gegen Ungarn spielen (18 Uhr, live SRF 2). Und es wird ein historisches Sportereignis sein. Nie zuvor hat es eine Schweizer Frauen-Auswahl an eine Endrunde geschafft. «Es ist mein bisher grösstes Highlight der Karriere», sagt die Murianerin Daphne Gautschi.
Und das, obwohl sie schon in jungen Jahren als Handball-Wunderkind gilt. Als 12-Jährige war sie massgeblich am Aufstieg der TV-Muri-Frauen in die 3. Liga beteiligt, mit 15 spielte sie in der NLA, mit 16 wechselte sie nach Frankreich zu Metz – spielte dort Champions League und wurde zweimal Meister. Und: 2019 wurde sie zur besten Handballerin des Landes ausgezeichnet.
Das beeindruckende Handball-Phänomen Daphne Gautschi fliegt hoch und zum nächsten Höhepunkt. «Ich freue mich riesig auf die EM. Wir gehen ins Ungewisse und sind Aussenseiter. Aber wir wollen unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen», sagt die Profihandballerin, die in der Bundesliga bei Neckarsulm spielt. Als Vorbereitung auf die EM reisten die Schweizerinnen an ein Turnier nach Spanien. Dort stellte man beim 41:31-Sieg über Tunesien einen neuen Landesrekord auf (41 erzielte Tore in einem Spiel) und auch Ägypten wurde bezwungen (37:28). Gegen Gastgeber Spanien hielt man lange mit – verlor am Ende aber 26:37.
Im Interview erzählt sie, wieso sie immer wieder gerne in ihre Heimat ins Freiamt zurückkehrt und wieso ihr Freund neuerdings ihr Trainer ist.
«Alles ist möglich»
Interview mit Nationalspielerin Daphne Gautschi vor der Europameisterschaft
Historisch. Noch nie war eine Schweizer Frauen-Nati an einer Endrunde mit dabei. Am Freitag spielt die Schweiz ihre erste Partie an einer EM gegen Ungarn (18 Uhr, live SRF 2). Mittendrin: Die 22-jährige Freiämterin Daphne Gautschi, die mehr möchte, als Kanonenfutter zu sein.
Stefan Sprenger
Das Fotoshooting mit Ihnen ist beim Kloster Muri. Was kommen da für Gefühle hoch?
Daphne Gautschi: Wenn ich aus meinem Zimmer aus dem Fenster blicke, dann sehe ich das Kloster Muri. Es ist ein sehr grosses und wohliges Heimatgefühl.
Sie sind Profi-Handballerin in der deutschen Bundesliga bei Neckarsulm. Wie oft sind Sie noch in Muri?
(Lacht.) Zu wenig. Vielleicht zwei Wochen im Jahr. Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, aber ich vermisse meine Familie nach wie vor. Ich bin immer wieder gerne hier.
Auf was freuen Sie sich am meisten, wenn Sie wieder mal in der Heimat sind?
Ich besuche jedes Mal meine Oma im Altersheim in Boswil. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass sie nicht meine leibliche Grossmutter ist, aber ich bin so aufgewachsen und sie war sehr präsent in meiner Kindheit und Jugend. Ausserdem frühstücke ich gerne mit meinem Vater. Er ist seit Kurzem in Frühpension und hat Zeit dafür (lacht). Und immer wenn ich hier bin, versuche ich die Familie zusammenzutrommeln, um Gesellschaftsspiele zu machen. Das macht immer viel Spass.
Ihr Stammverein ist der TV Muri. Wissen Sie, wie sich die erste Herrenmannschaft gerade in der 1. Liga behauptet?
(Lacht.) Leider nein. Ich verfolge solche Dinge kaum.
Ihre Schwester Minna und Ihr Bruder Noah sind auch Handballer.
Genau. Noah spielte zuletzt bei Handball Wohlen und macht nun eine Handball-Pause, weil er sich vermehrt auf die Uni konzentrieren möchte. Meine Schwester Minna spielt in Wohlen bei den U18-Inter-Juniorinnen der SG Freiamt. Beide waren oder sind also in Wohlen aktiv, wie meine Mutter Monica Bergamaschi, die aus Wohlen stammt und dort auch Handball spielte.
Kommen wir zum anstehenden grossen Highlight. Die Handball-Europameisterschaft in Slowenien, Montenegro und Nordmazedonien.
Gerne.
Ist es für Sie das bisher grösste Highlight der Karriere?
Ich würde sagen ja. Denn es ist historisch, dass eine Schweizer Frauen-Nati dabei ist.
Die Schweiz hat aber eine klare Aussenseiterrolle.
Wir gehen ins Ungewisse und wissen alle nicht so richtig, was auf uns zukommt. Es wird für uns alle aber eine grosse Erfahrung sein. Auch im Hinblick auf die Europameisterschaft 2024, die in der Schweiz stattfindet, wird das sehr wertvoll sein.
Die Gegner sind Ungarn, Norwegen und Kroatien. Alles Top-Nationen. Was liegt drin für die Schweiz?
Es ist unsere allererste Europameisterschaft. Die Gegnerinnen sind alle schon viel erfahrener. Kroatien und Norwegen sind seit Jahren vorne dabei. Trotzdem: Wir wollen unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen und eine Überraschung schaffen.
Wie bei einem Turnier vor wenigen Wochen. Da spielte die Schweiz eine Halbzeit lang sackstark gegen Dänemark.
Ja, nur wollen wir jetzt zwei Halbzeiten lang mithalten (lacht). Wichtig ist, dass wir alle zeigen, was wir draufhaben. Wir wollen unser Bestes geben und Spass haben. Dann wird diese EM ein Erfolg. Wir gehen an dieses Turnier mit dem Ziel, dass wir gewinnen wollen. Und ich glaube, wenn wir eine gute Tagesform haben, liegt etwas drin.
Am ehesten im ersten Spiel gegen Ungarn. Norwegen und Kroatien sind wohl ausser Reichweite, oder?
Alle drei Gegner sind stark. Aber ja, gegen Ungarn ist unsere Hoffnung am grössten, dass etwas Zählbares drinliegt. Gegen Kroatien benötigt es sehr viel. Und Norwegen ist schon eine Klasse für sich. Sie wurden 2021 Weltmeister.
Sie spielen im Rückraum links. Wo sehen Sie Ihre Rolle?
Ich will alles geben. Ich will mich präsentieren und so gut spielen, wie es eben geht. Ich will Spass haben. Und ich will einen Sieg feiern.
Sie sind schon seit 2017 Teil des Nationalteams.
Puh. Ich bin schon lange dabei. Aber ich bin immer noch nicht so alt (lacht).
Wenn man Ihren bisherigen Palmarès anschaut, ist es aber schon sehr eindrücklich. Sie spielten schon mit 15 Jahren in der Nationalliga A. Mit 16 Jahren wechselten Sie nach Frankreich zu Metz, dort spielten Sie Champions League und wurden zweimal Meister. 2019 wurden Sie zur besten Handballerin des Landes ausgezeichnet. Sie wurden als Handball-Wunderkind bezeichnet. Und heute?
(Lacht.) Ich konnte viel lernen und bin reifer geworden. Ein Wunderkind bin ich aber hoffentlich nicht mehr.
Heute spielen Sie bei Neckarsulm in der deutschen Bundesliga. Wie läuft es?
Ich kriege viel Spielzeit und gehöre zu den Leistungsträgerinnen. Für mich läuft es also gut. Dem Team könnte es aber besser gehen, wir haben in den ersten drei Saisonspielen erst einen Sieg geholt. Die Saison ist noch jung. Und unser Ziel, einen Europa-Platz unter den besten fünf Teams zu erreichen, liegt allemal noch drin.
Im letzten Jahr hatten Sie eine Thrombose und durften fast ein Jahr keine Spiele bestreiten. Wie stark hat Sie das zurückgeworfen?
Ich bin in erster Linie sehr froh, dass ich dies gut überstanden habe. Verletzungen gehören zum Sport dazu. Und ja, diese Verletzung hat mich eine Zeit lang zurückgeworfen. Ich musste aber nicht ganz auf den Handball verzichten, nur Körperkontakt durfte es keinen geben. Mittlerweile würde ich behaupten, ich bin wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Verletzung.
Sie studieren Betriebswirtschaft im Fernstudium. Ist das mit Ihrem Alltag als Profi-Handballerin zu vereinbaren?
Ja, problemlos. Ich habe tagsüber genügend Zeit, um zu lernen. Aktuell lerne ich auch Italienisch. Und weil mein Freund Kevin mich bestens unterstützt, klappt der Alltag bestens.
Ihr Freund Kevin Goettling war einst Profi-Fussballer, stimmt das?
Ja, er war in früheren Jahren Profi-Fussballer in Luxemburg. Er machte dann das UEFA-A-Trainerdiplom. Doch heute ist er auch im Handballsport tätig (lacht).
Wie das?
Er zügelte zu mir nach Neckarsulm und weil wir im Team keinen Athletiktrainer mehr hatten, durfte er diesen Part übernehmen.
Berufliches und Privates sollte man doch trennen, heisst es.
Das geht schon. Im Training ist er der Boss und sagt, was zu tun ist. Zu Hause bin ich der Chef (lacht). Bei Neckarsulm sind wir alle froh, dass wir einen Athletiktrainer haben, der so viel Erfahrung mitbringt. Und ich finde es auch eine tolle Sache.
Zurück zur Handball-EM. In diesen Tagen ist das Medieninteresse gross geworden um die Schweizer Frauen-Handball-Nati. Das Schweizer Fernsehen überträgt alle Spiele live auf SRF 2. Mögen Sie diesen Rummel?
Diese Aufmerksamkeit ist toll und ich glaube, für jeden Sportler wichtig und schön.
Noch schöner wäre es mit einem Sieg an einer Europameisterschaft.
(Lacht.) Richtig. Alles ist möglich. Die besten drei Teams kommen in die Hauptrunde. Wir können das schaf-
Die EM
Zum ersten Mal in der Geschichte des Schweizer Handballs nimmt ein Frauen-Nationalteam an einer Endrunde teil. Die Schweiz fährt an die Europameisterschaft in Slowenien, Montenegro und Nordmazedonien. Die Schweiz spielt am Freitag, 4. November (18 Uhr), gegen Ungarn. Am Sonntag, 6. November (20.30 Uhr), gegen Norwegen und am Dienstag, 8. November (18 Uhr), gegen Kroatien. Die Vorrunde findet vom 4. bis 9. November statt. Danach stehen bis zum 20. November Hauptrunde, Halbfinals und EM-Final an. In vier Vorrundengruppen treten jeweils vier Mannschaften an (total 16 Teams). Die besten drei Nationen jeder Vorrundengruppe erreichen die Hauptrunde.